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Ungarn vor den nationalen Wahlen

kohta Frank Spengler, Bence Bauer, LL.M

Der Start in das Superwahljahr

Die Ungarn erwarten in den nächsten Tagen, dass Staatspräsident Dr. János Áder den Termin für die Wahlen zur Ungarischen Nationalversammlung verkündet. Politische Beobachter gehen von dem 6. April aus. Für Ungarn ist 2014 ein Superwahljahr: Im Mai werden noch die Europawahlen durchgeführt und im Oktober die kommunalen Mandatsträger neu bestimmt.

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Die ungarische Gesellschaft ist außerordentlich stark polarisiert. „Die Linke und die Rechte stehen sich unversöhnlich gegenüber. So gibt es in Ungarn praktisch zwei Öffentlichkeiten, also auch zwei Lebenswirklichkeiten“, beschrieb die Budapester Zeitung am 10. Januar 2014 die Situation.

Die ungarischen Sozialisten verspielten schon 2006 nach dem Bekanntwerden der sog. „Lügenrede“ von Ferenc Gyurcsány weitgehend das Vertrauen der Bevölkerung. Auch die „Übergangsregierung“ unter Gordon Bajnai konnte den Aufstieg von FIDESZ nicht verhindern. Nach acht Jahren sozialistischer Regierungen, sechs Jahre mit Beteiligung der liberalen Partei „Bund Freier Demokraten“ (SZDSZ), gaben die ungarischen Wähler im Jahre 2010 den gegenwärtigen Regierungsparteien einen eindeutigen Gestaltungsauftrag: Die bürgerlich-konservativen EVP-Parteien FIDESZ und KDNP erhielten bei den Wahlen zur Ungarischen Nationalversammlung am 11. April 2010 mit ihrer gemeinsamen Liste 52,73% der Zweitstimmen.

In Verbindung mit 173 von 176 gewonnenen Direktmandaten bedeutete dies nach dem zweiten Wahlgang am 25. April 2010 die Zweidrittelmehrheit in der Nationalversammlung. Von den 386 Abgeordneten stellte FIDESZ-KDNP 263, während auf die MSZP nur 19,3% der Stimmen und 59 Parlamentssitze entfielen (Jobbik: 16,67% und 47). Die neue Regierung verstand dieses Ergebnis als ein eindeutiges Mandat, mit umfangreichen Reformen die politische, wirtschaftliche und moralische Erneuerung des Landes anzugehen und die demokratische Transformation des Landes von 1989/1990 zu vollenden. Nach dem Jahr 1990 sind mit Ausnahme von 2006 alle ungarischen Regierungen abgewählt worden. Bisher wurde aber keine Legislaturperiode vorzeitig beendet, was sicherlich auch ein Ausweis der politischen Stabilität des Landes ist.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Laut ungarischem Grundgesetz müssen die regulären Wahlen immer im April oder Mai stattfinden. Der Staatspräsident legt den Wahltermin fest. Im Jahre 2010 setzten die Wahlsieger noch vor der Übernahme der Regierungsgeschäfte ihr Versprechen einer Verkleinerung des Parlaments um. Die Mandate wurden von 386 auf 199 reduziert, wobei 106 direkt in den Wahlkreisen und 93 über die Parteilisten bestimmt werden. Der Wähler hat zwei Stimmen: Eine Stimme für den Direktkandidaten in seinem Wahlkreis, eine für die Parteiliste. Im Gegensatz zu der vorherigen Regelung wird es für die Erststimme nur noch einen Wahlgang geben, damit entfällt die bisherige Stichwahl der jeweils drei Bestplatzierten.

Die Stimmabgabe ist auch nicht mehr an einen ständigen Wohnsitz im Inland gebunden. Auslandsungarn sind nach einer vorherigen Registrierung per Briefwahl stimmberechtigt. Dies können autochthone ungarische Minderheiten in den Nachbarländern oder auch ungarische Emigranten (z.B. in Israel) sein. Sie dürfen aber, sofern sie die ungarische Staatsbürgerschaft besitzen, nur die Parteiliste wählen. Anfang Januar hatten sich rund 100.000 Auslandsungarn für die Wahl registriert. Die Regierung geht davon aus, dass sich diese Zahl noch verdoppeln wird. Politische Kommentatoren bezeichnen es als sehr wahrscheinlich, dass sich die Mehrzahl der Auslandsungarn eher für FIDESZ entscheiden werde. Dies würde sich aber nur auf die Verteilung von ein oder zwei Mandaten auswirken.

Die im Ausland lebenden Ungarn mit Wohnsitz im Heimatland können auf Antrag ihre beiden Stimmen bei den zuständigen ungarischen Konsulaten in ihren Gastländern abgeben. Für diese Gruppe ist eine Briefwahl aber nicht möglich.

Erstmals haben die in Ungarn ansässigen Volksgruppen (Nationalitäten) die Möglichkeit, über eigene Listen einen Vertreter in die Nationalversammlung zu entsenden. Nach der Einschreibung in das jeweilige Nationalitätenwahlverzeichnis verlieren diese Wähler die Zweitstimme. Die Zahl der gewählten Vertreter der Nationalitäten reduziert entsprechend die Anzahl der restlichen Listenplätze. Während bei den regulären Zweitstimmen etwa 80.000 Stimmen für ein Mandat benötigt werden, reichen bei den Volksgruppenlisten bereits 20.000 – 25.000 Stimmen. Die Nationalitätenwähler sind somit „privilegiert“. Politische Beobachter gehen davon aus, dass nur die Roma und die Ungarndeutschen ausreichend Stimmen für die Entsendung eines Abgeordneten mobilisieren werden können, nicht aber die anderen 11 anerkannten Nationalitäten. Sofern nicht genügend Stimmen für den Abgeordneten zusammenkommen, dürfen die Nationalitäten jeweils einen Vertreter („Fürsprecher“) bei der Ungarischen Nationalversammlung benennen, der im entsprechenden Fachausschuss, und nur dort, ein Stimmrecht haben wird. Entgegen ursprünglicher Überlegungen wird es – von den bereits skizzierten Ausnahmefällen abgesehen – ansonsten keine Wählerregistrierung geben (siehe Politischer Bericht der KAS „Ungarisches Verfassungsgericht lehnt umstrittene Übergangsbestimmungen des Grundgesetzes ab“ vom Januar 2013).

Die Parteienlandschaft

Die Parlamentswahlen 2014 stehen ganz im Zeichen eines Lagerwahlkampfes: Die bürgerlich-konservativen Regierungsparteien „Bund Junger Demokraten - Ungarische Bürgerliche Union“ (FIDESZ) und „Christlich-Demokratische Volkspartei“ (KDNP), geführt von Ministerpräsidenten Dr. Viktor Orbán, gegen eine erst in den letzten Tagen geschmiedete Allianz des linken politischen Spektrums. Die drei wichtigsten Parteien sind: die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP), die Partei Gemeinsam für den Epochenwandel (EKP) des ehemaligen Ministerpräsidenten Gordon Bajnai (2009-2010) sowie die Demokratische Koalition (DK) des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány (2004-2009), die sich 2011 von der MSZP abspaltete. Die EKP hat ihre Anfänge in den regierungskritischen Protesten der Jahre 2010 und 2011. Die Bewegung Ungarische Solidarität (Szolidaritás) sowie der aus einer Facebook-Gruppe hervorgegangene Verein „Eine Million für die ungarische Pressefreiheit“ (Milla) gründeten 2012 zusammen mit der von Gordon Bajnai geführten Stiftung Heimat und Fortschritt (Haza és Haladás) die Bewegung „Gemeinsam 2014“ (Együtt 2014). Die von der LMP abgespaltene Partei „Dialog für Ungarn“ (PM), schloss sich dieser Allianz an, die dann als „Együtt 2014-PM“ firmierte. So wird sie in den Medien auch heute meist noch bezeichnet. Um die damit für die Listenverbindungen geltende 10%-Hürde zu umgehen, wurde im Sommer 2013 eine neue Partei „Gemeinsam für den Epochenwandel“ (EKP) gegründet, die nun nur die 5%-Hürde überwinden muss. Daher ist EKP eigentlich die korrekte Bezeichnung für diese Partei.

Allianzen der linksorientierten Oppositionsparteien

Bereits im Sommer 2013 einigten sich die Oppositionsparteien MSZP und EKP darauf, in den Wahlkreisen nicht gegeneinander anzutreten. Die MSZP sollte in 75 von 106 Wahlkreisen den gemeinsamen Kandidaten stellen, die EKP in 31. Die Vereinbarung beinhaltete aber auch, dass es keine gemeinsame Wahlliste und auch keinen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten geben werde. Auf diesen hätte dann nach der gewonnenen Wahl der Partner mit den meisten Mandaten einen Anspruch erheben dürfen. Nicht eingeschlossen wurde in diesen Pakt der frühere Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány mit seiner DK.

Begründet wurde dies mit einer möglichen abschreckenden Wirkung von Gyurcsány auf Wechselwähler und Unentschiedene. Dieser sei wegen seiner „Lügenrede“ für große Teile der ungarischen Gesellschaft immer noch ein rotes Tuch und nicht wählbar. Das Kalkül von Mesterházy und Bajnai, alleine Ministerpräsident Orbán ablösen zu können, wurde aber durch die Meinungsumfragen zunehmend in Frage gestellt. Es war daher keine Überraschung, dass Bajnai unmittelbar nach der Weihnachtspause seine Bedenken zurückstellte. Er schlug vor, doch mit Gyurcsány eine gemeinsame Wahlliste aller drei Parteien aufzustellen. Ferner gab er bekannt, auf die Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten verzichten zu wollen. Schließlich boten Mesterházy und Bajnai am 8. Januar eine „Ausdehnung der Zusammenarbeit“ an.

Gyurcsánys taktisches Manöver war erfolgreich

Diesem Kurswechsel vorangegangen waren mehrere gut vorbereitete Schachzüge von Ferenc Gyurcsány. Da er zunächst von MSZP und EKP ignoriert wurde, forderte er immer wieder, zuletzt sogar ultimativ, eine Aufnahme in das Zweierbündnis. MSZP und EKP reagierten aber ablehnend. Gyurcsány konnte sich durch öffentlichkeitswirksame Aktionen wie Sitz- oder Hungerstreiks gegen die Regierungspolitik oder großangelegte Werbefeldzüge profilieren und erheblich in der Wählergunst zulegen. Er ist im ungarischen Politikbetrieb ein Überlebenskünstler. So galt er im Jahre 2004 zunächst als abgeschrieben, war aber dann in der Lage, die Stimmung in der MSZP komplett zu drehen und ging gegen erhebliche innerparteiliche Konkurrenz trotzdem siegreich als Ministerpräsidentenkandidat hervor. Den Wahlsieg der Sozialisten von 2006 reklamierte er dann auch für sich. Nach seinem Rücktritt im März 2009 hätten es in Ungarn nur wenige für möglich gehalten, dass Gyurcsány jemals wieder eine wichtige politische Rolle spielen würde. Doch genau dies scheint in diesen Tagen möglich. Gyurcsány gilt somit als der Gewinner der letzten Monate.

Neue Linksallianz von MSZP, EKP, DK und den Liberalen

Am 14. Januar 2014 gaben schließlich die Vorsitzenden der MSZP (Attila Mesterházy), der EKP (Gordon Bajnai), der DK (Ferenc Gyurcsány) und der Liberalen (Gábor Fodor) eine umfassende Vereinbarung zur Zusammenarbeit für die Wahlen bekannt. Demnach wird es zu einer Aufteilung der Wahlbezirke kommen. In 71 Wahlkreisen tritt die MSZP an, in 22 die EKP und in 13 die DK. Auch wird es eine gemeinsame Liste sowie mit Mesterházy einen gemeinsamen Ministerpräsidenkandidaten geben. Auf den ersten Plätzen der gemeinsamen Liste stehen die jeweiligen Vorsitzenden sowie die Ko-Vorsitzende der mit Bajnai bisher schon verbündeten Partei „Dialog für Ungarn“ (PM), Tímea Szabó. Auffällig ist, dass die Plätze 6-15 an die MSZP gehen und von den ersten 60 Plätzen insgesamt 42. Damit gelten die Sozialisten als Gewinner dieser Vereinbarung. Mesterházy hat durch seine abwartende Taktik erreicht, nicht nur als gemeinsamer Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten aus den Verhandlungen hervorzugehen, sondern auch die Vorherrschaft seiner MSZP zu sichern. Dagegen hat Bajnai die Zielvorgabe, einen „Epochenwandel“ durchzuführen, verspielt und gilt als Verlierer dieser Übereinkunft.

Situation von LMP und Jobbik

Die grün-liberale LMP ist 2010 mit dem Anspruch angetreten, sich für eine andere Politik einzusetzen und die Polarisierung des öffentlichen Lebens zu überwinden. Sie sieht sich als Gegenentwurf zu den großen Parteien und hat 2010 aus dem Stand 7,48% erreicht. An der Frage nach einer Wahlallianz mit der Linken entzweite sich jedoch die Partei und ein Teil schloss sich der Bewegung von Gordon Bajnai an. Die LMP hat sich für die neue Legislaturperiode noch nicht positioniert und hält sich alle Optionen für eine mögliche Koalition offen. Ihr Einzug in das Parlament ist jedoch ungewiss.

Die demokratische Parteien, allen voran FIDESZ-KDNP, haben eine Koalition mit Jobbik bereits ausgeschlossen. Die Partei versucht durch eine moderatere Rhetorik ihre Wahlchancen im rechten politischen Spektrum zu verbessern. Aktuellen Meinungsumfragen zur Folge wird Jobbik mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wieder in der Ungarischen Nationalversammlung vertreten sein.

Kleine Parteien suchen ihre Chance

Das neue Wahlrecht verstärkt Elemente eines Mehrheitswahlrechtes. Ferner wird die Aufstellung von landesweiten Wahllisten dadurch begünstigt, das nun weniger unterstützende Unterschriften für die Beteiligung einer Partei an den Wahlen notwendig sind. Es sind 27 Direktkandidaten erforderlich, um eine landesweite Liste aufstellen zu dürfen; jeder Direktkandidat muss 500 Unterstützter haben, womit bereits rund 13.500 Unterschriften ausreichen würden. Noch 2010 mussten etwa 37.000 ausgefüllte, persönlich auf den Wähler lautende und vorgedruckte Wahlempfehlungszettel abgegeben werden.

Einige kleinere linke Parteien haben daher angekündigt, Landeslisten und Direktkandidaten aufzustellen. Allen voran die „Sozialdemokraten“ unter Führung des „schillernden“ Unternehmers Andor Schmuck. Der ehemalige MSZP-Politiker und EP-Abgeordnete Lajos Bokros und die ehemalige Parlamentspräsidentin Katalin Szili haben ebenfalls Parteien für den Urnengang 2014 gegründet. Zudem wird die aus den regierungskritischen Protesten hervorgegangene Partei „Vierte Republik“ (4K), antreten. Jedoch sind die Erfolgsaussichten dieser Formationen äußerst gering.

Umfragen und Prognosen

Das Meinungsforschungsinstitut Nézőpont prognostizierte Mitte Januar einen Wählerstimmenanteil für die Regierungsparteien von 48%, während die MSZP-EKP-DK-Allianz auf 35% kommt. Jobbik erreicht 12%, während nach dieser Umfrage die LMP mit 3% den Einzug in das Parlament nicht mehr schaffen würde. Unter Berücksichtigung der Direktmandate würden FIDESZ-KDNP 128, MSZP-EKP-DK 57, Jobbik schließlich 14 Abgeordnetensitze erringen. Dies würde weiterhin eine absolute Mehrheit für FIDESZ-KDNP bedeuten, jedoch keine Zweidrittelmehrheit mehr.

Fazit

Für einige Oppositionsgruppen scheint der Gedanke, mit ehemals gescheiterten linken Politikern eine Plattform bilden zu müssen, nur schwer akzeptabel. Péter Juhász, Vorsitzender der Bewegung „Eine Million für die Pressefreiheit“ und Vorstandsmitglied von EKP, kündigte an, nicht auf einer gemeinsamen Liste mit der MSZP und der DK antreten zu wollen. Er bot seiner Bewegung auch den Rücktritt an. Die anvisierte Zusammenarbeit des politischen Gegners kann durchaus auch eine mobilisierende Wirkung für die Anhängerschaft der Regierungsparteien haben. Einiges hängt auch davon ab, wie sich die unentschlossenen Wähler verhalten werden.

Viktor Orbán hat bei vielen Gelegenheiten seine Anhänger daraufhin gewiesen, dass die Wahlen noch keineswegs gewonnen wären. Der Parteivorsitzende schloss den 25. Parteitag von FIDESZ mit dem Aufruf, das jedes Parteimitglied seine Arbeit für den Wahlsieg beitragen müsse, denn ansonsten „schuldet ihr mir 25 Jahre meines Lebens“, so Orbán. (Politischer Bericht der KAS Ungarn „Ungarn lässt sich nicht unterkriegen“ vom 1. Oktober 2013). Die heiße Phase des Wahlkampfes in Ungarn hat begonnen.

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