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Vernunftsieg in Griechenland

Die Reformbefürworter können sich behaupten - doch das Land bleibt gespalten

Unter großer Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit haben sich die Griechen mit einer knappen Mehrheit zum Reformkurs ihres Landes bekannt: Die konservative Nea Dimokratia geht als stärkste Partei aus den Wahlen hervor. Die Gegner des mit den Kreditgebern vereinbarten Reformprogramms werden sich im Parlament jedoch mit starker oppositioneller Stimme Gehör verschaffen. Griechenland stehen weiterhin politisch schwierige Zeiten bevor.

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Die griechischen Wähler haben am Sonntag die anhaltende Polarisierung ihres Landes erneut dokumentiert: Die den mit den internationalen Kreditgebern vereinbarten Reformkurs stützende, konservative Nea Dimokratia (ND) unter Parteichef Antonis Samaras kann 29,66 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und geht als stärkste Partei aus den Wahlen hervor. Damit erhält sie den entscheidenden Bonus von zusätzlichen 50 Sitzen, die das verstärkte Verhältniswahlrecht in Griechenland für die Partei mit der Stimmenmehrheit vorsieht, sowie den Auftrag zur Regierungsbildung. Das Bündnis der radikalen Linken Syriza unter Alexis Tsipras, das die Vereinbarungen zum Rettungspaket für Griechenland rundweg ablehnt, erhält 26,89 Prozent der Stimmen und bildet damit eine starke Kraft in der Opposition. Die sozialdemokratische PASOK unter Vorsitz des ehemaligen Finanzministers Evangelos Venizelos, die weiterhin bei schwachen 12,28 Prozent verharrt und Verlierer der vergangenen beiden Wahlen in Griechenland ist, wird zum entscheidenden Partner bei der Bildung einer neuen Regierung werden.

Angst vor der Opposition

Es war sicherlich die berechtigte Sorge, gegen eine überaus starke linke Opposition im Parlament regieren zu müssen, die den PASOK-Parteivorsitzenden und designierten Koalitionspartner der ND Venizelos in einer frühen Reaktion nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen auf eine Vier-Parteien-Regierung hatte drängen lassen: eine Koalition der „nationalen Einheit“, die die vier großen ND, PASOK, Syriza und Demokratische Linke zusammenbringt. Stabilitäts- und europapolitisch mag dies wünschenswert sein – doch inhaltlich ist ein solches Unterfangen aussichtslos, wie die umgehende Ablehnung durch radikale und gemäßigte Linke noch am Wahlabend bestätigte. Kleinster gemeinsamer Nenner eines solchen Bündnisses wäre der Wunsch nach dem Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Aber damit endet die inhaltliche Gemeinsamkeit bereits. Radikale und Demokratische Linke, Kommunisten sowie, am rechten Rand, Unabhängige Griechen werden nun eine durchgehend reformkritische Opposition im griechischen Parlament bilden.

Auch der Wiedereinzug der rechtsradikalen Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“), abermals mit einem Stimmenanteil von knapp 7 Prozent, wird die politische Kultur Griechenlands sicherlich nicht zum Guten befördern. Chrysi Avgi-Sprecher Elias Kasidiaris hatte in der Woche vor der Wahl mit einer gewalttätigen Attacke gegen zwei Politikerinnen während einer Talkshow für Aufsehen gesorgt. Den Zulauf für die neofaschistische Partei hat dies indes nicht beeinträchtigt.

Die Opposition im Athener Parlament vereint der Populismus. Insbesondere das Bündnis der radikalen Linken Syriza hat mit dem jungen, bei der Bevölkerung sehr beliebten Parteichef Alexis Tsipras ein hohes Mobilisierungspotenzial auf der Straße, das die Arbeit der reformorientierten Regierungskoalition erheblich erschweren wird. Auch Chrysi Avgi wird aus der Vouli heraus für seine extremistischen Anhänger liefern. Diese Parteien, bar jeder Regierungspraxis und politischen Verantwortungsübernahme, werden in leichtem Spiel die nach wie vor unter der Bevölkerung weit verbreitete Ablehnung des Reformprogramms populistisch bedienen. Der Zulauf zu diesen Gruppierungen an den linken und rechten Rändern des griechischen Parteienspektrums wird sich in dieser Konstellation voraussichtlich noch verstärken und bei kommenden Wahlen in weiteren Stimmenzugewinnen zeigen. Umso größer ist nun die Verantwortung für die regierenden Parteien.

„Ownership“ für die unabweisbaren Reformen

Die Parteien im griechischen Parlament vereint eine Tatsache über die zukünftigen Regierungs- und Oppositionsbänke hinweg: alle wollen die mit den europäischen und internationalen Partnern vereinbarten Reformschritte neu verhandeln – wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Die Hängepartie der letzten sechs Wochen hat dazu beigetragen, dass die Bereitschaft für Nachverhandlungen bei den internationalen Kreditgebern – zumindest auf der Zeitachse – gewachsen ist. Denn ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone bleibt derzeit für alle Beteiligten immer noch das schlechteste Szenario.

Was jedoch dringend gebraucht wird, um das Land aus der Krise zu führen, ist der entscheidende Schritt über mögliche Neu- bzw. Nachverhandlungen hinaus: Dass die regierenden Parteien sich die vereinbarten Reformen im Grundsatz endlich zu Eigen machen. Dass die Notwendigkeit zu tiefgreifenden Veränderungen der griechischen Bevölkerung von ihrer eigenen Regierung glaubhaft vermittelt und nicht weiterhin, in leichter Argumentation mit geringen politischen Kosten, als bösartig von außen oktroyiertes Programm dargestellt wird. Weite Teile der griechischen Bevölkerung sind sich der Tatsache sehr bewusst, dass in ihrem Land in den letzten Jahrzehnten viele politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fehler begangen wurden – der Wille zur Veränderung und die Akzeptanz persönlicher Einschnitte, wenn sie einer solchen wirksamen Veränderung dienen, sollte nicht unterschätzt werden.

Dazu braucht es jedoch einer hohen politischen Verantwortungsübernahme. Bisher haben die Entscheidungsträger, und hier insbesondere die traditionell eng mit ihrer Klientel im öffentlichen Sektor vernetzte PASOK, mit den Kürzungen von staatlichen Zuwendungen und Renten sowie Steuererhöhungen vor allem die leicht anwendbaren Reformvorgaben umgesetzt. Unter ihnen ächzt die breite Bevölkerung und der von den bisherigen Entlassungswellen und Unternehmenspleiten vor allem betroffene Privatsektor: der Großteil der inzwischen 22,6 Prozent Arbeitslosen stammt aus der Privatwirtschaft Griechenlands. Weithin ausgespart bleibt bisher der nach wie vor überbordende griechische öffentliche Sektor, in dem bis zu 24 Prozent der Erwerbstätigen beschäftigt waren (14 Prozent sind es in Deutschland im Vergleich). Dieser Sektor absorbiert große Teile der griechischen Staats- (und damit internationalen Kredit-)ausgaben und lässt auch die erhöhten Steuereinnahmen verpuffen. Solange sich die neue griechische Regierung nicht an die Reform des öffentlichen Sektors, seine Verschlankung und erhebliche Effizienzsteigerung herantraut, sind viele weitere Initiativen verlorene Mühe. Denn auch für die gesetzlich bereits beschlossenen Reformmaßnahmen erweist sich die Administration in der Umsetzung immer wieder als operativ unfähig – und somit als Nadelöhr für jedes weitere Fortkommen Griechenlands auf dem Weg zu strukturellen Veränderungen. Darüber hinaus sind nach wie vor Wachstumshemmnisse wie die geschlossenen Berufszugänge für Rechtsanwälte, Spediteure, Taxifahrer etc. nicht beseitigt sowie die dringend notwendigen Fortschritte in der Privatisierung nicht erreicht worden.

Herausforderungen sind gewachsen

Die Rahmenbedingungen, unter denen eine verantwortungsvoll handelnde griechische Regierung das Land auf einen wirksamen Reformkurs bringen kann, sind schwieriger geworden: eine parlamentarische Konstellation, die die populistischen Ränder des Parteienspektrums erheblich gestärkt sieht; sensible internationale Märkte, die – wie nicht zuletzt der Fall Spanien gezeigt hat – nur noch schwer mit Stabilisierungsmaßnahmen zu beruhigen sind; die wachsende Ungeduld bei den internationalen Kreditgebern; und eine unzufriedene Bevölkerung, die politisch tief frustriert ist: von 9,9 Millionen wahlberechtigten Griechen gingen, trotz der politisch zugespitzten Lage und der international großen Bedeutung der Wahl, erneut nur gut 62 Prozent an die Urnen.

Seit den Parlamentswahlen am 6. Mai und der anschließend gescheiterten Regierungsbildung verharrt Griechenland in einem völligen politischen Stillstand. Die Zeit wurde sogar genutzt, um Reformschritte, die bereits vollzogen wurden, wieder rückgängig zu machen. Noch mehr Bürger haben aufgehört, überhaupt Steuern zu zahlen. Das Ausmaß der Frustration ist groß. Dabei stehen Griechenland nach wie vor sehr schwierige Entscheidungen bevor, die der Bevölkerung weitere Einschnitte abverlangen werden. Das neu zu konstituierende Parlament in Athen muss bereits Ende Juni die nächsten Entscheidungen über Einsparungen in Höhe von knapp 11,5 Milliarden Euro fällen. Auch bei eventuellen Neuverhandlungen mit den Geldgebern auf der Zeitschiene wird dies grundsätzlich Voraussetzung für weitere Unterstützungen und die Zugehörigkeit Griechenlands in der Eurozone bleiben.

Das Wahlergebnis von Sonntag dokumentiert abermals das Ende des traditionellen griechischen Zweiparteiensystems. Das Land kommt aus den Wahlmonaten Mai und Juni mit einer völlig veränderten Parteienlandschaft heraus. Insbesondere die beiden vormals dominierenden Parteien Nea Dimokratia und PASOK werden darauf mit klareren inhaltlichen Akzenten sowie Veränderungen in den parteiinternen Strukturen reagieren müssen, um den Wähler auch in Zukunft überzeugen zu können. Sie haben ihren Regierungsauftrag von Sonntag wohl vor allem dem Wunsch der Griechen zu verdanken, im Euro zu bleiben. Es gilt nun für alle an einer neuen griechischen Regierung beteiligten Parteien, politisches Vertrauen im Land wie international von Grund auf neu aufzubauen – eine große und herausfordernde Aufgabe.

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Athen Griechenland