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Zweite Amtszeit für Giorgio Napolitano

Giorgio Napolitano wurde am 20. April 2013 im sechsten Wahlgang mit großer Mehrheit von der parlamentarischen Wahlversammlung für eine zweite Amtszeit als Präsident der Italienischen Republik wiedergewählt. Er übernimmt damit Verantwortung, wo die Parteien gescheitert sind.

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"Tutto cambia affinché nulla cambi" – “Alles ändert sich, bis sich am Ende nichts verändert” – dieser auf Sizilien gemünzte Satz aus dem Roman “Der Gepard” von Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1958) trifft den Kern der politischen Situation Italiens: Nach sechs Wahlgängen und dramatischen politischen Entwicklungen hat sich eine breite Mehrheit aus dem Mitte-Links und dem Mitte-Rechts Lager auf einen Kandidaten verständigt: Giorgio Napolitano. Zum ersten Mal in der Geschichte der italienischen Republik ist damit ein Staatspräsident für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden.

Im Juni feiert der bisherige und zugleich designierte neue Staatspräsident Giorgio Napolitano seinen 88. Geburtstag. Den Ruhestand hätte er sich eigentlich verdient gehabt. Doch 738 von 1007 Stimmberechtigten aus der “Partito Democratico” (PD, dt. „Demokratische Partei“), der Berlusconi-Bewegung “Popolo della Libertà” (PDL, dt. „Volk der Freiheit“), dem Bündnis “Scelta Civica”(dt. „Bürgerliche Wahl“) um Mario Monti und der rechtspopulistischen Partei “Lega Nord” (dt. „Liga Nord“) sahen in Napolitano den einzigen Kompromisskanditen in einer politische Krise, die von Wahlgang zu Wahlgang immer offensichtlicher wurde. Anderer Ansicht waren die Abgeordneten der Bewegung “MoVimento 5 Stelle” (M5S, dt. „5-Sterne-Bewegung“) von Beppe Grillo und der von Nichi Vendola geführten Partei “Sinistra, Ecologia, Libertà” (SEL, dt. „Linke, Ökologie, Freiheit“): Sie stimmten fast geschlossen für den knapp 80-jährigen Verfassungsjuristen Stefano Rodotà.

Dramatische Entwicklungen

Seit Wochen ist in Italien über mögliche Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten spekuliert worden. Das Mitte-Links Bündnis um Pier Luigi Bersani lag nur wenige Stimmen von einer absoluten Mehrheit entfernt und hätte – wenn es geschlossen abgestimmt hätte – den Staatspräsidenten ab dem vierten Wahlgang fast im Alleingang bestimmen können. Das Mitte-Rechts Bündnis um Silvio Berlusconi protestierte heftig und argumentierte, dass ein politisches Lager, das gerade einmal 30% der Stimmen bei der Parlamentswahl erhalten habe, nicht alle wichtigen Staatsämter besetzen dürfe. Die PDL forderte einen gemeinsamen Kandidaten, der die Einheit des Landes symbolisieren könne. M5S führte im Internet Vorwahlen durch, um zu einer Liste von Präsidentschaftskandidaten zu kommen.

Vielleicht hat sich der PD-Sekretär Pier Luigi Bersani von Silvio Berlusconis Argumenten überzeugen lassen. Vielleicht hatte er es aber auch auf die Unterstützung einer möglichen Minderheitenregierung unter seiner Führung durch die PDL abgesehen. Nachdem Bersani wochenlang jedes „inciucio“ (dt. „Techtelmechtel“) mit der zum Feindbild stilisierten PDL kategorisch abgelehnt hatte, wurde am Vorabend der Wahl plötzlich bekannt gegeben, er habe sich mit Berlusconi auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten geeinigt: Franco Marini, den 80-jährigen ehemaligen katholischen Gewerkschafter aus den Reihen der PD. Dieser fand auch die Unterstützung des Lagers um Mario Monti, handelt es sich bei Marini doch um ein ehemaliges Mitglied der Democrazia Cristiana.

Bersani hatte jedoch unterschätzt, wie sehr sein politischer Rückhalt – nach Wahlschlappe und bislang misslungener Regierungsbildung – geschrumpft war: Die SEL, Partner im Mitte-Links Bündnis, scherte aus und wählte den Kandidaten von M5S, Stefano Rodotà. Noch schlimmer: In der PD brachen die seit langem sichtbaren Spaltungen zwischen dem postkommunistischen, dem sozialdemokratischen und dem christsozialen Flügel auf. Im Ergebnis gaben etliche PD-Abgeordnete entweder leere Stimmzettel ab oder stimmten ebenfalls für Rodotà. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für Marini wurde deutlich verfehlt. Wütende PD-Mitglieder skandierten während der Abstimmung vor dem Parlament gegen das Bündnis mit Berlusconi: „Wir wählen Euch nie wieder“. Der parteiinterne Widersacher Bersanis, der junger Bürgermeister von Florenz Matteo Renzi, nutzte die Situation für sich und stellte sich offen gegen seinen Parteivorsitzenden.

In dieser Situation machte Bersani einen Rückzieher von seiner Absprache mit Berlusconi und brachte einen neuen Kandidaten ins Spiel. Der ehemalige italienische Ministerpräsident und ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi wurde als „Versöhnungskandidat“ der Linken für den vierten Wahlgang benannt. Ab dem vierten Wahlgang war nur noch die absolute Mehrheit der Stimmen zur Wahl des Präsidenten notwendig. Die PDL sah die Nominierung Prodis als „Verrat“ an und Berlusconi kündigte einen harten Kampf gegen jeden Mitte-Links Kandidaten an. Er hätte damit wenig ausrichten können, hätte das Mitte-Links Lager gehalten. Aber es war schon zu spät: Die SEL stimmte weiter mit M5S und auch etliche PD-Abgeordnete wählten Prodi nicht. Romano Prodi blieb fast 100 Stimmen unter dem theoretischen Stimmenpotenzial von Mitte-Links und zog anschließend seine Kandidatur zurück. Es wurde deutlich: Die PD ist gespalten.

PD-Präsidentin Rosy Bindi gab am Abend mit der Begründung ihr Amt ab, nicht in die Nominierungsentscheidungen einbezogen gewesen zu sein. Wenige Stunden später erklärte Pier Luigi Bersani, als Parteivorsitzender zurückzutreten, sobald die Präsidentenwahl abgeschlossen sei: „Einer von Vieren hat Verrat geübt“, begründete er seine Entscheidung.

Mitten im Wahlprozess befand sich also das Mehrheitslager in Auflösung – ohne Aussicht sich kurzfristig konsolidieren zu können. In dieser Situation hat sich schließlich nach morgendlichen Gesprächen mit den Spitzenpolitikern von Mitte-Links und Mitte-Rechts, der bisherige Staatspräsident Giorgio Napolitano am Mittag des 20. April zu einer zweiten Amtszeit bereit erklärt: „Mich bewegt in diesem Moment das Gefühl, dass ich mich einer Verantwortungsübernahme für die Nation nicht entziehen kann (...)“. Napolitano sagte weiter, er vertraue darauf, dass auch alle anderen ihre kollektive Verantwortung nun wahrnehmen würden. Er spielte damit auf eine gemeinsame Regierungsbildung von PD und PDL an - oder wie man in Italien sagt, ein „governissimo“.

Ein Symbol für die Einheit

Giorgio Napolitano genießt lagerübergreifend höchstes Ansehen. Unangefochten liegt er an der Spitze bei Umfragen zum beliebtesten Politiker seines Landes. In der politischen Krise Italiens wurde Napolitano stets als “Garant für Stabilität” bezeichnet.

In der Vergangenheit hatte Napolitano wiederholt erklärt, nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Begründet hatte er dies auch mit seinem hohen Alter. Schon sein Vorgänger, Carlo Azeglio Ciampi, hatte 2006 eine zweite Amtszeit abgelehnt: Die Fortsetzung des Mandates entspräche nicht dem Wesen der italienischen Verfassung, so Ciampi. Dabei hätten viele Italiener Ciampi gerne ein zweites Mal im höchsten Amt des Landes gesehen. “Wir wollen eine Verlängerung” oder “Ciampi bis” (dt. „Ciampi II“) hatten seine Anhänger vor sieben Jahren an die Hauswände geschrieben. Diesmal jedoch wünschte sich gut ein Viertel der Bevölkerung einen anderen Präsidenten: Stefano Rodotà. Der angesehene 80-jährige linksgerichtete Jurist und ehemalige Vizepräsident des Parlaments aus den Reihen der PD war der Wunschkandidat vor allem junger Italiener des linken Parteienspektrums.

Beppe Grillo hat noch während des sechsten Wahlganges – als schon klar war, dass Napolitano diesen gewinnen würde - auf seinem Blog zu Demonstrationen aufgerufen: „Alle nach Rom”, schrieb der Politaktivist. Am Abend kam es jedoch nur zu einer überschaubaren Demonstration. Auch ein angekündigter Auftritt Grillos auf dem Parlamentsvorplatz fiel aus. Mit ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass der von Grillo unterstützte Kandidat Rodotà sich gegen die Demonstration ausgesprochen hatte. Dennoch: Nicht alle Italiener stehen hinter Giorgio Napolitano.

Verantwortung für Italien

Italien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise und in einer mindestens ebenso tiefen Politik- und Parteienkrise. Dazu antwortete Giorgio Napolitano noch am 14. April der Zeitung „La Stampa“ auf die Frage, ob er zur Wiederwahl steht: „Das wäre eine Nicht-Lösung.“ Dass sich Napolitano trotz dieser Einsicht und seines Alters nun doch zu einer zweiten Amtszeit bereit erklärte, ist für den Moment ein konstruktiver und stabilisierender Schritt für Italien.

Giorgio Napolitano kennt die politische Realität seines tief gespaltenen, reformbedürftigen aber gleichzeitig veränderungsunwilligen Landes wie kaum ein Zweiter. Er weiß, dass jetzt seine bewährte Rolle als Politiker des Ausgleichs zwischen den Lagern dringend gefragt ist. Dem stellt er sich mit großem Verantwortungsgefühl. Von seinem Geschick wird mit abhängen, ob es zwei Monate nach den Parlamentswahlen nun gelingen kann, eine Regierung zu bilden und einen Ausweg aus der anhaltenden Krise zu finden. Giorgio Napolitano weiß, worauf er sich mit der zweiten Amtszeit als italienischer Staatspräsident eingelassen hat. In seiner ersten Erklärung nach der Wiederwahl wünscht er sich vor allem, nicht alleine gelassen zu werden: „Wir müssen alle – so wie ich es in diesen Stunden versucht habe zu tun - auf die schwierige Situation des Landes sehen, auf die Probleme Italiens und der Italiener, auf das Bild und die internationale Rolle unseres Landes.“

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