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Über die Identität von Deutschtürken

Interview mit Dr. Ahmet Ünalan

Ein Gespräch mit Dr. Ahmet Ünalan von der Universität Duisburg-Essen über die Identität der Deutschtürken – und warum es für die Integration wichtig ist, auch einen unverkrampften deutschen Patriotismus zu leben.

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Dr. Ahmet Ünalan

Das Interview gibt nicht die Meinung der Konrad-Adenauer-Stiftung sondern die Meinung des Interviewpartners wieder.

Herr Ünalan, Sie warnen davor, dass sich die deutsche Gesellschaft nicht genügend um die Interessen der Deutschtürken kümmert. Was können wir anders machen, damit diese Bevölkerungsgruppe nicht von türkischen Politikern instrumentalisiert wird?

Es bedarf eines Paradigmenwechsels in unserer Integrations- und Identitätspolitik. Insbesondere die Identitätspolitik ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir Deutschen müssen unsere Identität neu verorten. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie wollen wir selbst unsere nationale deutsche Identität im Kontext der Globalisierung definieren? Die Idee einer nationalen Einheitsidentität ist meines Erachtens veraltet, wir müssen dieses Konstrukt erneuern. Die deutsche Identität sollte heutzutage mehr wie ein Schirm sein, der verschiedene Gruppen vereinen kann. Wenn wir einige Bevölkerungsgruppen nicht mit aufnehmen, laufen wir Gefahr, dass die Bedürfnisse dieser Menschen von anderer Seite instrumentalisiert werden. Das können beispielsweise ausländische Politiker sein, die auf die angeblichen „Heimatbindungen“ dieser Minderheiten anspielen.

Warum ist es so wichtig, dass gerade wir in Deutschland uns Gedanken über unsere eigene Identität machen? Patriotismus ist hier ein schwieriges Thema.

In Deutschland wollen wir Patriotismus am liebsten gar nicht thematisieren. Wir scheuen uns vor patriotischer Symbolik, die allerdings in europäischen Nachbarländern oder der USA zum guten Ton gehört und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt führt. Wir meinen, wir könnten nicht so offensiv und unverkrampft wie andere Nationen mit deutschem Patriotismus werben - und das wirkt sich auch auf die türkische Diaspora aus. Wenn ein Land selbst an der eigenen Identität hadert, dann fällt es auch Einwanderern schwer, sich „deutsch“ zu nennen.

Aber wenn wir im globalisierten 21. Jahrhundert ein attraktives Einwanderungsland für „schlaue Köpfe“ sein wollen und gleichzeitig die Orientierung der Deutschtürken, die bereits relativ lange hier sind, stärken wollen, dann müssen wir die Menschen mit einer positiven kollektiven deutschen Identität einladen. Das ist attraktiv - eine Nation, die nicht mit einem verkrampften Selbstbild auf sich guckt und nörgelt, sondern selbstbewusst auftritt.

Wie müsste eine solche deutsche Identität dann im 21. Jahrhundert aussehen und was bedeutet das für die türkeistämmige Minderheit in Deutschland?

Junge Generationen werden in multikulturellen Zusammenhängen groß. Sie erleben auch auf lokaler Ebene die Vielfältigkeit der Welt, haben deutsche, türkische und andere Freunde und entwickeln ein ganz anderes Selbstbewusstsein. Natürlich kann man die „deutsche Identität“ dann nicht mehr geschlossen – ethnozentriert definieren. Sie muss offen sein und vielfältige Anknüpfungspunkte zulassen, ohne anhand von Ethnie oder äußeren Merkmalen auszugrenzen.

Für die Türken in Deutschland bedeutet das, dass wir Interdependenzen schaffen müssen – wenn beispielsweise die türkische Sprache gestärkt wird, dann wächst auch das deutsche Sprachvermögen mit. Wenn die kulturelle Selbstsicherheit gestärkt wird, wächst auch die Integrations- und Identitätsbereitschaft. Wir müssen wegkommen von der Illusion, dass kulturelle oder religiöse Unterschiede zu Gunsten einer gemeinsamen Identität verneint werden können und eine „Mehrheitssprache oder Mehrheitskultur“ übergestülpt werden kann. Das Gegenteil ist der Fall. Deutschland ist nicht wie die USA ein „melting pot“, ein sogenannter Schmelztiegel, sondern sollte kulturelle Besonderheiten bewahren.

Das heißt, es muss eine starke deutsche Identität geben, die auch die Besonderheiten z.B. einer zusätzlichen „türkischen“ Identität zulässt?

Genau. Beides muss gefördert werden. Es kann eine sogenannte Patchwork-Identität entstehen. Das erste Mal haben wir das bei der WM im Jahr 2006 gesehen. Da haben die Deutschen zaghaft begonnen, ihre Fahnen herauszuholen und die türkischen Einwanderer sind dem Beispiel sofort gefolgt, mit deutschen und türkischen Fahnen. So funktioniert es, wenn wir es selbst vorleben und andere dann mitmachen können – nicht, wenn wir eigene Identitätsfragen vermeiden.

Dazu zählt dann aber natürlich auch, genauso wenig kritische Integrationsfragen zu vermeiden, beispielsweise die berechtigte Kritik am Umgang mancher kleiner muslimischer Kreise mit unserem demokratischen Wertesystem.

Das Interview führte Konstanze Nastarowitz. Sie ist Stipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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