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50. Jahrestags des Mauerbaus am 13. August 2011

dari Dr. Hans-Gert Pöttering
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Wohl jeder kennt diesen Satz, der am 15. Juni 1961 in Berlin (Ost) fällt. Zwei Monate später erweist er sich als zynische Lüge – für mich eine der größten Lügen des vergangenen Jahrhunderts.

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Die Abriegelung der West-Sektoren Berlins in der Nacht zum 13. August 1961, das Errichten von Zäunen, das Zumauern von Hauseingängen und Fenstern: Unfassbares geschieht für die Deutschen in Ost und West. Tragödien ereignen sich, weil Freunde, Verwandte, Familien auseinandergerissen werden. Dramen spielen sich ab, weil so mancher versucht, noch in den Westen zu gelangen. Viele verfolgen sprachlos, fassungslos, regungslos oder mit Tränen in den Augen, wie die vermeintlich endgültige Teilung vollzogen wird.

28 Jahre beeinflusst die Mauer das Leben der Deutschen – das der Ostdeutschen dabei fraglos um ein Vielfaches mehr und extremer als das der Westdeutschen –, und fast jeder entsprechenden Alters in unserem Land wird von einer persönlichen Begebenheit zu erzählen wissen, die Bezug hat zu Mauer und Teilung.

Ich war 16 Jahre, als ich im März 1962 das erste Mal nach Berlin (West) kam. Im Angesicht der Mauer am Reichstag, mit Blick auf die befestigten Anlagen und auf die Volkspolizisten mit Maschinengewehren, unter dem Eindruck, auf ein großes Gefängnis zu schauen, fasste ich den Entschluss, mich politisch zu engagieren. Im Schöneberger Rathaus habe ich erstmals gewagt, in einem größeren Kreis zu diskutieren. Aufgeregt wie nie zuvor, sprach ich mich für die Freiheit Berlins und die Überwindung der Teilung aus. Es folgten mein Eintritt in die Junge Union und der Beginn meines politischen Engagements.

Als Vorsitzender der Jungen Union im Landkreis Osnabrück war ich 1976 Teilnehmer eines Sternmarsches der Jungen Union Deutschlands zum Gedenken an den 15. Jahrestag des Mauerbaus. Etwa 40 bis 50 Busse aus dem Bundesgebiet sollten nach Berlin (West) fahren, doch nur zwei wurden von den DDR-Grenzern durchgelassen, darunter jener, in dem ich saß. Wir warteten lange am Grenzübergang Helmstedt-Marienborn, wurden aber nicht zurückgewiesen, weil eine amerikanische Journalistin und ein britischer Schüler mit uns fuhren. Die DDR-Behörden fürchteten offenbar Auseinandersetzungen mit den USA und Großbritannien als Unterzeichnerstaaten des Viermächteabkommens, hätten sie unseren Bus aufgehalten. Obwohl bzw. gerade weil nur zwei Busse das freie Berlin erreichten, war der Sternmarsch für mich ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit, Mauer und Teilung zu überwinden.

Die Mauer teilte Berlin, die innerdeutsche Grenze unser Vaterland, der Eiserne Vorhang Europa und die Welt. Fast drei Jahrzehnte währte der Albtraum der Teilung. Mancher hatte die Hoffnung, sie zu überwinden, längst aufgegeben. Ich, wie viele andere auch, hatte immer daran geglaubt! Aber dass eine friedliche Revolution der mutigen Männer und Frauen in der DDR die Mauer zum Einsturz bringt, die Unfreiheit überwindet und Sozialismus und Kommunismus aus Europa vertreibt, das hatte ich mir so nicht vorstellen können.

Der Freiheitswillen der Menschen war trotz jahrzehntelanger Unterdrückung ungebrochen. Erneut geschieht Unfassbares: In der Nacht des 9. November 1989 fällt die Mauer, dank der mutigen Menschen, die auf die Straße gingen. Über Nacht verliert das verhasste Symbol der Unterdrückung seinen Schrecken. So groß wie der Schock angesichts des Mauerbaus 1961 war, ist die Freude über den Mauerfall. Grenzenlose Freude!

Dabei dürfen wir Deutsche niemals vergessen, dass die anderen Völker in der Mitte und im Osten Europas den gleichen Weg der Freiheit gegangen sind. Ohne Solidarność z. B. und die geistig-moralische Kraft des polnischen Papstes Johannes Paul II. – „Habt keine Angst!“ – wäre die friedliche Revolution auch in Deutschland kaum möglich gewesen.

Für mich als Mitglied des Europäischen Parlaments seit seiner ersten Direktwahl im Jahre 1979 gehört es zu den schönsten Erfahrungen, dass das Europäische Parlament – im Gegensatz zu manchen Politikern in Europas Hauptstädten – sich immer für das Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen und die Einheit Europas eingesetzt hat.

Was auf den Tag genau vor 50 Jahren eine entfernte Utopie war, ist heute Realität: Wir sind in Deutschland und in der Europäischen Union zu unserem Glück vereint!

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penerbit

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

erscheinungsort

Berlin Deutschland