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Corona-Krise in der Mongolei

dari Johann C. Fuhrmann, Max Duckstein

Wirtschaft, Wahlen und Perspektiven

Der COVID-19-Virus bestimmt zurzeit das globale Geschehen. Während im Rest der Welt Verdoppelungsraten und verschärfte Ausgehrestriktionen den Alltag prägen, scheint sich die Lebensrealität vieler Mongolen vorerst zu normalisieren. Die Mongolei hat einen Umgang mit der weltweiten Pan-demie gefunden, der sich konträr zu den Entwicklungen in Europa darstellt. Wesentlich früher als andere Staaten hatte der asiatische Binnenstaat die Grenzen zu China geschlossen und Flüge in Länder mit hohen Infektionsra-ten eingestellt. Bereits im Januar 2020 wurden Masken in Regierungsge-bäuden zur Pflicht, der Schul- und Universitätsbetrieb geschlossen sowie Notfallpläne im Gesundheitsministerium erarbeitet. In der Bevölkerung wurde diesem strikten Vorgehen mit Verständnis begegnet. Masken be-stimmen seither wie in vielen asiatischen Ländern das Straßenbild.

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Der erste und einzige Fall

 

Lange schienen die beschlossenen Maßnahmen das großflächige Land tatsächlich abzuschirmen. Doch Anfang März verkündete die Regierung auf einer Pressekonferenz den ersten Infektionsfall, ein französischer Staatsbürger war in der Mongolei positiv auf COVID-19 getestet worden. In den Sozialen Netzwerken entstand eine Eigendynamik, die von Hasskommentaren bis hin zu Morddrohungen führte und sich erst drei Tage später, nach einem vermeintlichen Entschuldigungsbrief des Franzosen, verlief. Zur Entspannung trug sicher auch die fehlende Übertragung des Virus bei, denn es kam in der Folge nicht zu einem Ausbruch innerhalb der Mongolei. Nach Bekanntwerden des Vorfalls entschied die Regierung innerhalb weniger Tage, die Grenzen des Binnenstaats zu schließen und vorerst alle Flugverbindungen ins Ausland zu kappen. In den folgenden Wochen wurden Sonderflüge zur Repatriierung mongolischer Staatsbürger in die Mongolei und ausländischer Staatsbürger in ihre Heimatländer zugelassen. Alle Ankommenden mussten sich jedoch einer zweiwöchigen Quarantäne unterziehen.

 

Die Mongolei, eine Exportnation

 

Die strikte Abriegelung der Außengrenzen resultierte nicht nur in persönlichen Einschränkungen für die Mongolen. Wirtschaftlich hängt die Mongolei vom Export seiner Bergbauprodukte nach China ab. Über 80 Prozent der mongolischen Exporte bestehen aus Bergbauprodukten wie Kupfer, Kohle und seltenen Erden. Mehr als 90 Prozent der gesamten Ausfuhren richten sich an China. Die Produkte erreichen die Volksrepublik per Lastwagen über einen von insgesamt 13 Grenzposten. Gerade Kohleprodukte, die etwa 40 Prozent der mongolischen Ausfuhren nach China ausmachen, bilden ein Rückgrat der mongolischen Wirtschaft, obwohl sie nur einen Bruchteil des dortigen Kohlebedarfs ausmachen. Bereits im Februar waren bis auf zwei Ausnahmen alle Grenzübergänge geschlossen. Die komplette Abriegelung Anfang März führte zu langen Schlangen der nun festsitzenden LKWs.

Knapp zwei Wochen später wurde der Grenzverkehr für die Lastwagen wieder geöffnet, nun durch zwei neu konstruierte Desinfektionsstationen. Doch verringern nicht nur diese beiden Flaschenhälse die Handelskapazitäten, auch droht die chinesische Nachfrage nach Kupfer und Kohle inmitten der COVID-19-Krise zu sinken. Die energiereiche mongolische Kokskohle, besonders für die chinesische Stahlindustrie interessant, und Kupfer wären von einer gesunkenen chinesischen Nachfrage infolge der weltweiten Rezension besonders betroffen. Im ersten Quartal 2020 sind die mongolischen Exporte bereits um 40 Prozent eingebrochen. Die COVID-19-Pandemie offenbart damit die tieferliegende strukturelle Abhängigkeit der mongolischen Wirtschaft vom „ewigen Nachbarn“ und seiner Fähigkeit und Willen zum Import der Bergbauprodukte. Mit diesem Titel hatte der mongolische Präsident Khaltmaa Battulga das Verhältnis zur Volksrepublik China bezeichnet: Im Rahmen der Aktion „Hilfe von Herzen für unseren ewigen Nachbarn“ hatte Battulga zu Beginn der Pandemie im Namen des mongolischen Volkes 10.000 Schafe an seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping überreicht. Bereits vor sieben Jahren hatte eine verringerte chinesische Nachfrage das Wachstum des mongolischen „Wolfs“ erheblich gedämpft. In der Folge war das Land drei Jahre später in eine Finanzkrise geraten, die nur durch einen Kredit des Internationalen Währungsfonds aufgefangen werden konnte.

Die strukturelle Einseitigkeit der mongolischen Exportbilanz spiegelt sich jedoch nur zu Teilen im wirtschaftlichen Alltag der Bevölkerung wider. Zwar ist der Bergbausektor für über 20 Prozent des BIP verantwortlich und steht damit direkt an zweiter Stelle hinter dem Dienstleistungssektor, es arbeiten jedoch nur fünf Prozent der Beschäftigten in diesem Bereich. Auch wenn der Bergbau gemeinhin als Grundlage des wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten 20 Jahre gilt, treibt viele die Sorge um ihren Arbeitsplatz und die Sicherheit ihrer eigenen Familien um. Gerade kleine, inhabergeführte Unternehmen und einfache Angestellte sind zunehmend von den finanziellen Auswirkungen der Pandemie betroffen.

 

Die ersten Maßnahmen der Regierung

 

Die mongolische Regierung hatte zur Linderung der ökonomischen Auswirkungen bereits kurzfristig eine sechsmonatige Erhöhung des Kindergeldes von 20.000 auf 30.000 Tugrik, umgerechnet von knapp sieben auf zehn Euro, beschlossen. Doch den eigentlichen Kern der Maßnahmen bildet ein noch nicht beschlossenes Hilfspaket mit einem geplanten Umfang von 5,1 Billionen Tugrik (ungefähr 1,7 Milliarden Euro). Der Fokus liegt auf Steuerentlastungen für Individuen und Unternehmen. Bis September 2020 sollen etwa 99 Prozent der Unternehmen und Steuerzahler von den Sozialabgaben befreit werden. Weiterhin soll die überwiegende Mehrzahl der Angestellten, Beamten und Selbstständigen für den gleichen Zeitraum keine Einkommenssteuer zahlen. Ausgenommen von diesen Regelungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine kleine Anzahl hochprofitabler Unternehmen, die beispielsweise im Goldabbau tätig sind. Unternehmen, deren Umsatz geringer als 1,5 Milliarden Tugrik (knapp 500.000 Euro) ist, die seit Beginn der Krise mehr als die Hälfte ihres Umsatzes eingebüßt haben und trotzdem keine Angestellten entlassen, sollen zusätzlich komplett von der Zahlung der Gewerbesteuer befreit werden. Die durch die weggebrochenen Aufträge prozentual höheren Fixkosten dieser Firmen sollen durch Lohnzuzahlungen, ähnlich dem deutschen Kurzarbeitergeld, ausgeglichen werden.

Jedoch ist dieses weitreichende Maßnahmenpaket noch nicht beschlossen. Als der Premierminister Ukhnaagiin Khurelsukh die Steuererleichterungen Mitte April ankündigte, schränkte der Finanzminister Chimed Khurelbaatar die umfassenden Versprechen kurze Zeit darauf wieder ein. Nachdem sich dieses öffentliche Wechselspiel noch ein weiteres Mal wiederholte, liegt es nun beim Parlament, konkrete Anordnungen zu beschließen. Die Nachjustierungen des Finanzministers erscheinen verständlich: Die Staatseinnahmen sind bereits in den ersten zwei Monaten des Jahres um mehr als zehn Prozent gesunken, das heißt um 170 Milliarden Tugrik (ungefähr 56 Millionen Euro). Neben dem geplanten Wirtschaftspaket sind die Ausgaben zur Gesundheitsprävention gestiegen. Die Regierung hat bereits 17 Milliarden Tugrik (5,7 Millionen Euro) aus dem Staatlichen Reservefunds zur Finanzierung der Extraausgaben abgezogen. Die Extrakosten ergeben sich dabei nicht nur aus der Schließung der Grenzen und der Einrichtung von Quarantänequartieren, die durch die Isolierten nun selbst finanziert werden sollen. Weitere Maßnahmen fallen ins Gewicht: Die Stadt Ulan Bator desinfiziert täglich öffentliche Plätze und Straßen, Masken sowie Desinfektionsmittel wurden gekauft, Sonderabteilungen in den Krankenhäusern wurden eingerichtet. Zwar helfen auch tausende Freiwillige bei der Überwachung der abendlichen Restaurant-Sperrstunde, die zuvor genannten Sachkosten der COVID-19-Prävention können so trotzdem kaum gemindert werden.

Die Notwendigkeit einer entschiedenen Prävention, wie sie die Mongolische Nationale Katastrophenmanagement Agentur organisiert hat, wird in der Mongolei bisher kaum bestritten. Trotz umfangreicher Präventionsmaßnahmen ist das mongolische Gesundheitssystem nicht auf einen massenhaften Ausbruch des neuartigen Virus ausgerichtet. So gibt es zurzeit nur 70 Beatmungsgeräte für die rund drei Millionen Einwohner. Auch wenn das Land Testkits aus China und Japan erhalten sowie selbst erworben hat, sind die Testraten noch relativ gering. Zurzeit wird nur stichprobenhaft oder auf einen konkreten Verdacht hin getestet. Weltweit gilt eine hohe Testrate als ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Kontrolle eines Ausbruchs. Besondere Sorge galt lange Zeit den Studierenden, die vor der Schließung der Grenzen heimgekehrt waren, insbesondere aus Russland. Bisher haben sich jedoch Befürchtungen vor einer unentdeckten Verbreitung des COVID-19-Virus nicht bestätigt.

Es herrscht jedoch nicht in jeder Hinsicht Einigkeit bezüglich der notwendigen Maßnahmen. So hatte Staatspräsident Battulga eine Machtbündelung gefordert, jedoch einschränkend hinzugefügt, dass diese nicht die Form einer Diktatur annehmen dürfe. Konkret forderte er eine größere Beteiligung des Nationalen Sicherheitsrates, um seine eigenen Einflussmöglichkeiten zu erhöhen. Der Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus dem Präsidenten, dem Premierminister und dem Parlamentssprecher zusammen und ist traditionell mit Fragen der nationalen Sicherheit befasst. Es liegt die Vermutung nahe, dass Battulga sich vor den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr als Manager in der Krise profilieren möchte. Battulga wurde 2017 als Kandidat der oppositionellen Demokratischen Partei (DP) direkt vom Volk gewählt und sieht sich seitdem einer Regierung der Mongolischen Volkspartei (MVP) gegenüber. Allerdings sorgten seine relativ unbestimmten Forderungen nach einer Stärkung des Präsidentenamtes vor allem für Verwirrung. Schon zuvor war sein Vorschlag, die im Juni anstehenden Parlamentswahlen zu verschieben, nicht ernsthaft von der MVP-Regierung aufgegriffen worden.

 

Es stehen Wahlen an

 

Noch profitiert die MVP-Regierung von ihrer strikten und frühzeitigen Präventionspolitik. Die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen stehen jedoch erst noch bevor. Bereits Ende März hatte eine Befragung von 1800 Unternehmern ergeben, dass in diesem Jahr nur mit einem Drittel des Gewinns des Vorjahres gerechnet wird. Ein Großteil der Befragten sind Kleinstunternehmer oder betreiben mittelgroße Firmen und haben kaum direkten Einfluss auf das BIP des Landes. Jedoch sind sie das Rückgrat des mongolischen Arbeitsmarktes. Gerade das unterste Drittel der mongolischen Gesellschaft, das noch immer zu großen Teilen unter der Armutsgrenze lebt, hat oftmals keine Möglichkeiten, auch nur leichte Verschlechterungen des Arbeitsmarkts oder bei den Energie- und Lebensmittelpreisen abzufangen. Auch deshalb fluktuiert der Bevölkerungsanteil, der unter der Armutsgrenze lebt, erheblich und steigt in Krisenzeiten in der Regel unmittelbar an.

Trotz der angekündigten Maßnahmenpakete wird dieser Bevölkerungsteil am stärksten von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie betroffen sein. Jeder Monat der strengen Restriktionen wird die schon begonnene Krise verstärken; ein Aufheben derselben würde jedoch die Mongolei dem Risiko einer gesundheitspolitischen Katastrophe aussetzen. Die Regierung ist damit in ihrer frühen und erfolgreichen Reaktion auf das Virus gefangen. Das Ziel ist immer noch, anders als in Europa, nicht das Flachhalten der Infektionskurve, sondern das Verhindern eines Ausbruchs. Eine Verschiebung der Wahlen liegt damit nicht im Interesse der Regierung, jeder zusätzliche Monat verstärkt dieses Dilemma. Auch für die oppositionelle DP kann ein Verschieben der Wahl letztlich nicht mehr wünschenswert sein: Die Aufstellung der Kandidaten soll bis zum 15. Mai erfolgt sein, das innerparteiliche Ringen um die 76 Kandidatenplätze hat längst begonnen. Nur schwer konnte das Policy-Komitee, das entscheidende Parteigremium, die eigenen Mitglieder in diesem Jahr davon überzeugen, die Zulassung als Kandidat mit einer einmaligen Zahlung von gut 30.000 Euro in die Wahlkampfkasse zu verbinden. Eine Verschiebung der Wahl würde diesen Konflikt mit großer Wahrscheinlichkeit erneut aufbrechen lassen.

Somit hat in der Mongolei längst der Wahlkampf in Corona-Zeiten begonnen. In diesem gibt es keine öffentlichen Veranstaltungen und Wahlkampfauftritte vor großem Publikum. Stattdessen rücken Soziale Medien, das Fernsehen und Regierungserklärungen in den Mittelpunkt. Die oppositionelle DP wendet sich noch nicht öffentlich gegen die Maßnahmen. Zu groß ist die Sorge als risikobereiter Befürworter einer Öffnung dazustehen, der die eigene Bevölkerung für wirtschaftspolitische Ziele gefährdet. So konzentriert sich die DP bisher vor allem auf den wirtschaftlichen Umgang mit den Folgen der Restriktionen. Im Zentrum steht dabei die Forderung, das Staatsbudget umzustrukturieren und alle nicht zwingend notwendigen Ausgaben in diesem Jahr in Hilfen für die Wirtschaft umzuwandeln.

Währenddessen hat das Parlament, indem die regierende MVP über 64 von 76 Sitzen verfügt, die Regierung zu Verhandlungen mit der Asian Development Bank autorisiert. Das Ziel der Abgeordneten ist die Erlangung eines Kredits über 300 Millionen US-Dollar, der die fehlenden Staatseinnahmen in diesem Jahr teilweise ausgleichen soll. Doch unabhängig davon, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen, sieht sich die mongolische Wirtschaft mit Problemen konfrontiert, die über die jetzige Krise hinausgehen.

 

Ausblick

 

Das frühe und aktive Agieren der Regierung hat in dieser globalen Krise bisher das Land vor gesundheitspolitisch Schlimmerem bewahrt. Ein Beibehalten der Restriktionen wird jedoch die wirtschaftliche Krise verstärken, die gerade den ärmsten Teil der Bevölkerung trifft. Umgekehrt würde eine Aufhebung der Restriktionen die Mongolei dem Risiko einer gesundheitlichen Katastrophe aussetzen. Durch ihr frühzeitiges und konsequentes Handeln steckt die MVP-Regierung jedoch nun in einem Dilemma, dessen Ausgang nicht vorherzusagen ist.

Die große Abhängigkeit von Bergbauexporten nach China und der relativ große Anteil der Bevölkerung, der knapp über oder unter der Armutsgrenze lebt, resultieren in einer strukturellen Krisenanfälligkeit der Mongolei, die zukünftig zu noch größeren Herausforderungen führen wird. Gegenwärtig ist kaum abzuschätzen, welchen Einfluss die aktuelle COVID-19-Krise auf die kommenden Parlamentswahlen hat. Bisher ist davon auszugehen, dass die Abstimmungen wie geplant Ende Juni stattfinden werden.

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Johann C. Fuhrmann

Johann C

Leiter des Auslandsbüros China - Peking

johann.fuhrmann@kas.de +86 10 6462-2207; 2208 +86 10 6462-2209

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