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Reportage sui paesi

Wollen die regionalen Mächte in Nordostasien die koreanische Wiedervereinigung?

di Dr. Norbert Eschborn, Xenia Günther

Ein Meinungsbild aus Wissenschaft und Politik

Deutschland begeht 2015 den 25. Jahrestag seiner Wiedervereinigung. Korea hingegen ist 2015 seit 70 Jahren geteilt, und eine baldige Wiedervereinigung scheint nicht in Sicht zu sein. Die innerkoreanische Diskussion um eine Wiedervereinigung Koreas ebbt nicht ab. Doch auch die regionalen Mächte wie China, Japan, die USA und im begrenzten Rahmen auch Russland verfolgen die Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel sehr genau.

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Zu groß sind die eigenen Interessen in der Region, als dass diese Mächte bereit wären, den Dingen freien Lauf zu lassen und somit zuzulassen, dass Korea sich entgegen ihrer nationalen Interessen entwickeln könnte. Doch wie stellen sich die regionalen Mächte die Zukunft auf der koreanischen Halbinsel vor? Zumindest auf der rhetorischen Ebene sprechen sich alle Beteiligten zugunsten einer Wiedervereinigung Koreas aus, solange diese unter friedlichen Bedingungen realisiert werden kann. Aber gibt es unter den regionalen Mächten tatsächlich eine treibende Kraft für eine Verwirklichung einer Wiedervereinigung oder sind es lediglich Worthülsen, um Sympathien zu sammeln?

Schaut man sich die jeweiligen Agenden der regionalen Mächte genauer an, wird schnell erkennbar, dass deren Positionen gegenüber einer koreanischen Wiedervereinigung weitaus ambivalenter sind, als ihre Rhetorik verlauten lässt; insbesondere wenn es um Nordkorea geht, scheiden sich oft die Geister.

Auch wenn die jeweiligen Sichtweisen der regionalen Mächte komplexsind, kann deren Priorität aus ihrer öffentlichen Rhetorik abgelesen werden. Wichtig dabei erscheint nicht so sehr die Zustimmung zu einer Wiedervereinigung, sondern sehr viel aussage-kräftiger ist die universale Betonung eines „friedvollen“ Wiedervereinigungsprozesses. Hinter dem Begriff „friedvoll“ verbirgt sich die größte Sorge der Mächte um die Stabilität der Halbinsel und der Region.

USA: „Safety first“

Die USA sehen den Weg zur Sicherung der Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel in der Denuklearisierung Nordkoreas. Das amerikanische Hauptziel ist es daher, soweit wie möglich alle Atomwaffen zu beseitigen und ihre Verbreitung zu verhindern.

Zurzeit verfolgen die USA dabei eine relativ reservierte Verteidigungsstrategie gegenüber Pjöngjang. Um der nuklearen Bedrohung Nordkoreas entgegen zu wirken, setzt Washington momentan auf die Diplomatie des Zwangs (coercive diplomacy) anstatt tatsächlich Streitkräfte zu mobilisieren. Vielmehr spielen die USA mit Einschüchterungsmitteln, beispielsweise Einsätzen amerikanischer See- und Luftstreitkräfte bei gemeinsamen militärischen Übungen mit Südkorea. Außerdem bedienen sie sich der Hilfe von Sanktionen, um das nordkoreanische Regime weiter zu isolieren und es somit zu einer Stilllegung seines Atomprogramms zu bewegen. Bei der direkten Umsetzung verlassen sich die USA dabei besonders auf wirtschaftliche Instrumente sowie internationale Einrichtungen.

Um ihre eigene internationale Wettbewerbsfähigkeit langfristig nicht zu gefährden, versuchen die USA, soweit wie möglich alle Belastungen ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf ihre Verbündete zu verlagern. Der Erfolg dieser Maßnahmen ist allerdings im eigenen Land umstritten. Wenn es nach den Hardlinern ginge, sollten die USA gegenüber militärischen Provokationen Nordkoreas härter durchgreifen, noch umfassendere Sanktionen verhängen und versuchen, das nordkoreanische Regime weiter zu isolieren. Auf der anderen Seite sind Befürworter einer gemäßigteren Vorgehensweise der Ansicht, dass die USA mehr auf den Dialog zwischen den beiden Ländern setzen und versuchen sollten, mit Nordkorea Kompromisse zu finden, indem Amerika Anreize zur Denuklearisierung schafft und humanitäre Hilfe bereitstellt. Darüber wie Denuklearisierung erreicht werden soll gibt es bis jetzt noch keinen Konsens.

China: Hohe Bedeutung von Stabilität

Denuklearisierung des Nordens ist auch ein wichtiges Thema für China. Wenn es auch nicht einen so hohen Stellenwert einnimmt wie für die USA, stellt Nordkoreas Atomprogramm aus Pekings Sicht dennoch eine Gefahr für die Stabilität Chinas und der Region Nordostasien dar und steht deshalb auf Chinas regionalpolitischer Agenda. Nordkoreas Atomprogramm und sein z.T. sehr provokativer Politikstil sorgen für immer mehr Irritationen in China. Pjöngjang bedroht damit nicht nur die regionale Stabilität, sondern gibt auch Japan und den USA plausible Vorwände, ihre Militärpräsenz in der Region systematisch zu erhöhen: dabei besteht für China die Gefahr, dass insbesondere US-amerikanische Raketenabwehrsysteme immer näher an die chinesische Grenze heranrücken.

Stabilität ist der Kernaspekt für die chinesische Regierung. Besonders angesichts der über 2.000 Kilometer langen gemeinsamen Land- und Seegrenze mit der koreanischen Halbinsel ist China darauf bedacht, es gar nicht erst im Ansatz zu Situationen in Nordkorea kommen zu lassen, welche Probleme in China hervorrufen könnten. Dazu gehört auch die Welle an nordkoreanischen Flüchtlingen, die jedes Jahr versuchen, über die chinesische Grenze aus ihrem Heimatland zu entkommen. Anstatt die Situation im Kontext der Menschenrechtskonventionen zu sehen, betrachtet China die Flüchtlinge eher im Rahmen seiner Sicherheitspolitik und stuft sie als Risikofaktor für die innere Sicherheit ein. Insbesondere im Falle eines Kollapses Nordkoreas oder eines nicht geregelten Wiedervereinigungsprozesses befürchtet die chinesische Regierung, dass es zu einem starken Andrang an nordkoreanischen Flüchtlingen und Ausschreitungen entlang ihrer Grenze kommen könnte.

Doch auch ein friedlicher Wiedervereinigungsprozess gewährleistet nicht, dass es zu keinen nachträglichen Auswirkungen auf Chinas nordöstliche Provinzen kommt. Anlass zur Sorge ergibt die Annahme, dass es bei einer Wiedervereinigung zu ausgeprägten nationalistischen Stimmungen in Korea kommen könnte, welche auch die in China lebende koreanische Minderheit mitreißen könnten. Immerhin keimen insbesondere in den letzten Jahren die Konflikte in Tibet und auch der muslimisch geprägten Region Xinjiang immer wieder auf. Hinzu kommen Diskrepanzen zwischen Peking und Taiwan sowie zuletzt auch Hong Kong. China steht vor der Aufgabe, die Einheit der Volksrepublik zu sichern und kann eine weitere Anfechtung seiner Autorität nicht gebrauchen.

Auch wenn China oft noch als wirtschaftliche Nabelschnur, die Nordkorea vor dem Kollaps bewahrt, angesehen wird, scheint seine Rolle als Verbündeter immer ambivalenter zu werden. Ob die Beziehungen zwischen China und Nordkorea derzeit wirklich noch so eng sind, wie einst von Mao beschrieben („eng wie Lippen und Zähne“), mag umstritten sein. Aber es ist sicher, dass seit der Öffnung Chinas und der Normalisierung seiner Beziehungen zu Südkorea im Jahre 1992 das Verhältnis zu Nordkorea allmählich abgekühlt ist. Nordkorea strapaziert nicht nur die Führung in Peking mit seinen militärischen Provokationen, sondern auch das Handelsvolumen zwischen den Ländern ist mittlerweile marginal, insbesondere im Gegensatz zu Südkorea, das 2012 Chinas zweitgrößtes Importland und viertgrößtes Exportziel war.

Peking: Zwiespalt gegenüber Nordkorea

Wie sieht die chinesische Führungselite ihren Nachbarn? Die Meinungen sind in diesem Punkt offenbar gespalten. Die Traditionalisten in der Kommunistischen Partei Chinas und der Volksbefreiungsarmee sehen Nordkorea immer noch als notwendigen Pufferstaat gegen Japan und die USA an und wollen ihn aus Gründen der Realpolitik weiter beibehalten Eine zentrale Sorge dabei ist, dass ein Wiedervereinigungsprozess auf der koreanischen Halbinsel nicht friedlich verlaufen und sich China plötzlich mit einer koreanisch-amerikanischen Allianz, unterstützt von Japan, konfrontiert sehen würde. Nordkorea lenkt somit nicht nur von Chinas Menschenrechtssituation ab, sondern stellt auch eine physische Barriere zu den demokratischen Werten Südkoreas dar.

Die Strategen auf der anderen Seite, welche Experten zufolge zumeist aus dem Außenministerium oder aus akademischen Kreisen kommen, drängen demnach auf eine eher distanzierte Beziehung Nordkoreas. Ihnen zufolge schadet die Verbindung zu Nordkorea der Imagebildung Chinas zunehmend. Des Weiteren sorge die Verbindung zwischen China und Nordkorea dafür, dass China in der internationalen Gemeinschaft an Glaubwürdigkeit als zuverlässiger Partner verliere.

Japan: Ablehnung eines nuklearen Gesamtkoreas

Auch Japan verfolgt das Ziel einer Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Besonders durch Japans geographische Nähe zu Korea sowie seiner schwierigen Beziehung nicht nur mit Nordkorea, sondern auch der eher unterkühlten Beziehung mit dem Süden ist es naheliegend, dass Tokio kein mit Atomwaffen ausgerüstetes Land vor seiner Haustür haben möchte - auch im Falle eines unter südkoreanischer Führung vereinten Gesamtkoreas. Auch wenn Japan und Südkorea als enge Verbündete der USA gelten und wichtige Handelsbeziehungen unterhalten, so wird ihre Beziehung noch immer von ungeklärten historischen Fragen und territorialen Streitigkeiten überschattet. Insbesondere das Thema der koreanischen Trostfrauen, welche im Zweiten Weltkrieg von den Japanern zwangsprostituiert wurden, belastet die bilateralen Beziehungen der beiden Staaten. So gab es seit dem Amtsantritt Präsidentin Park Geun-hyes im Jahr 2013 noch kein Gipfeltreffen mit Premierminister Shinzo Abe.

Ohne tiefgreifende geschichtliche Aufarbeitungsarbeit in beiden Ländern, insbesondere in Bezug auf die japanische Kolonialzeit sowie den Zweiten Weltkrieg, ist eine Annäherung Japans und Südkoreas nur schwer vorstellbar. Dies würde sich auch auf ein vereintes Korea übertragen. Um eine von Korea ausgehende Bedrohung zu vermeiden, muss Japan daher nicht nur an einer Denuklearisierung Koreas interessiert sein, sondern sich auch um eine Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte bemühen.

Vereintes Korea: zwischen allen Stühlen

Der Status quo auf der koreanischen Halbinsel hat noch eine weitere Bedeutung und zwar bezüglich des Gleichgewichts zwischen China und den USA. Die regionalen Mächte zeigen sich besorgt, dass durch eine Wiedervereinigung Koreas dieses Equilibrium aus der Balance gebracht werden könnte.

Chinas Sorge, zukünftig einem stark pro-amerikanischen vereinten Korea gegenüber-zustehen, lässt sich auch aus seiner politischen Rhetorik gegenüber einer koreanischen Wiedervereinigung ablesen. Seit Beginn der Park Geun-hye-Regierung betont der chinesische Präsident Xi Jinping hinsichtlich eines vereinten Koreas, dass China eine Wiedervereinigung durchaus unterstützen würde, sofern sie nicht nur friedlich, sondern auch unabhängig vonstatten gehen würde. Das Hervorheben des Aspekts der „Unabhängigkeit“ deutet auf Chinas Sorge hin, dass ein vereintes Korea sich pro-amerikanisch entwickeln und dies zu einer erhöhten US-Präsenz auf der koreanischen Halbinsel führen könnte. Dies ruft nicht nur Sicherheitsbedenken bei der chinesischen Führung hervor, sondern China hegt eben-falls die Befürchtung, durch engere wirtschaftliche Beziehungen zwischen Korea und den USA beim Wettlauf um die ökonomische Vorherrschaft in der Region ausgebootet zu werden.

Auf der anderen Seite sorgt der Aufstieg Chinas für Unbehagen in Japan und den USA und kompliziert somit deren Haltung gegenüber einem vereinten Korea. Chinas Politikgestaltung wirkt für die USA oft undurchsichtig. In diesem Sinne scheinen die USA unentschlossen zu sein, ob sie den Auf-stieg Chinas als latente Bedrohung interpretieren sollten oder ob sie daraus nicht doch auch gewisse Vorteile für sich ziehen können. Südkorea repräsentiert für die USA einen wertvollen Verbündeten bei der Aufrechterhaltung ihres geopolitischen Einflusses in Ostasien. Die Befürchtungen der USA gehen dahin, dass China, insbesondere bei einer Wiedervereinigung Koreas, versuchen wird, seine Vorherrschaft auf der Halbinsel zu etablieren und somit den Status der USA untergraben könnte.

Diese amerikanischen Befürchtungen begründen sich durch den Umstand, dass die US-Vormachtstellung in Südkorea nicht so fest ist, wie sie scheint. Auf der einen Seite gibt es seit der Normalisierung der Beziehungen zwischen China und Südkorea im Jahr 1992 ein kontinuierlich steigendes Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern, und China könnte sich dementsprechend zu einem ernsthaften Konkurrenten der USA entwickeln. Auf der anderen Seite haben die USA bis jetzt ihre Präsenz, besonders ihre militärische, in Südkorea mit der immer gegenwärtigen nordkoreanischen Bedrohung gerechtfertigt. Auch wenn Südkorea und die USA durchaus enge Verbündete sind - die Stärke des Bündnisses ist prinzipiell abhängig von der Unterstützung der südkoreanischen Bevölkerung.

Fiele die nordkoreanische Bedrohung weg und es käme zu einem vereinigtem Korea, könnte dies dazu führen, dass Korea den Abzug aller amerikanischen Truppen von der koreanischen Halbinsel verlangen könnte – nicht zuletzt als Preis für eine Zustimmung Pekings zu der Fusion. Eine Schwächung des amerikanisch-koreanischen Bündnisses würde durchaus einen harten Rückschlag für die USA bedeuten. Südkorea hat in den letzten Jahrzenten nicht nur immer mehr an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung für die USA gewonnen, sondern ist auch zu einem wichtigen Standort im Wettstreit mit China in Ostasien geworden. Auch wenn ein solches Szenario wie eine Annullierung des amerikanisch-südkoreanischen Bündnisses als unwahrscheinlich gilt, ist dennoch Vorsicht geboten: Es würde die Versuche der USA, Chinas steigenden Einfluss einzudämmen, unterbinden und die amerikanische Vormachtstellung der USA in Nordostasien existentiell bedrohen.

Ähnlich wie im Fall Südkoreas sind auch die japanischen Beziehungen zu China geschichtlich stark vorbelastet. Insbesondere die territorialen Streitigkeiten über die Senkaku/Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer überschatten die derzeitigen Beziehungen zwischen Peking und Tokio. Eine Annäherung Südkoreas und Chinas wird da-her in Japans politischer Führung mit Vor-behalten betrachtet.

Korea war schon immer ein integraler Bestandteil der japanischen Sicherheitspolitik. Auf der einen Seite verkörperte es historisch den entscheidenden Brückenkopf für die Japaner, um tiefer auf den ostasiatischen Kontinent vorzudringen. Auf der anderen Seite wirkt Korea für viele Japaner wie ein „chinesischer Dolch“, der auf Japan zeigt. Tokio scheint die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und Südkorea daher mit großer Vorsicht zu beäugen. Im Juli 2014 trafen sich Park Geun-hye und Xi Jinping zu einem Gipfeltreffen. Zur gleichen Zeit entschied sich Premierminister Abe, Gespräche mit Nordkorea aufzunehmen und verschiedene japanische Sanktionen gegen-über dem Land aufzuheben. Der japanischen Regierung zufolge wurden diese Entscheidungen getroffen, um bei der Aufklärung der Entführungsfälle von japanischen Staatsbürgern, die während des Kalten Krieges von nordkoreanischen Geheimagenten entführt worden waren, voranzukommen. Die südkoreanische Presse deutete die Handlung von Premierminister Abe jedoch anders. Sie sah es als japanische Gegenmaßnahme an, um die Vertiefung der Verbindung zwischen Seoul-Beijing zu unterlaufen.

< p>Kenner der Situation weisen darauf hin, dass insbesondere unter Japans konservativeren Politikern die Vorstellung, dass ein vereinigtes Korea sich weiter an China an-nähern könnte, tiefe Besorgnis hervorrufe. Dies macht sich u.a. an der Vision einer Dreieckskooperation zwischen Japan, Korea und den USA fest: Sie sehen eine solche künftige trilaterale Zusammenarbeit skeptisch, nicht nur wegen den unterkühlten Beziehungen zwischen Südkorea und Japan, sondern auch, weil ihrer Ansicht nach Tokios und Seouls Sicht auf China zu unterschiedlich sei. Von daher gibt es in dieser Gruppe offenbar Überlegungen, bezüglich der Dreieckskooperation Australien oder Indien an-statt Korea mit ins Boot zu nehmen.

Koreas Neutralität: aber zu welchem Preis?

Um dem Dilemma zu entkommen, entweder seinen engsten Verbündeten zu verlieren oder die Beziehungen mit seinem mächtigen Nachbarn China zu belasten, muss sich Korea im Falle einer Wiedervereinigung überlegen, ob und wie es den Balanceakt zwischen den regionalen Mächten halten will und kann. Die augenscheinlichste Lösung wäre ein vereintes, neutrales Korea. Doch würde dies bedeuten, dass es nicht mehr unter dem Schutz des amerikanischen Nuklearschirms stehen würde und es nicht auszuschließen wäre, dass Korea sich selbst Atomwaffen aneignet. Dies ist ein Szenario, welches die regionalen Mächte auf alle Fälle vermeiden möchten.

Die Angst vor einem nuklearen Korea ist gepaart mit der Befürchtung, dass ein vereinigtes Korea von einer plötzlichen Welle nationalistischer Gefühle erfasst werden könnte. Korea hat eine lange Besatzungsgeschichte durch externe Mächte, und dieses Gefühl der Fremdbestimmung ist bis heute in der koreanischen Gesellschaft verankert. Ein durch die Wiedervereinigung des koreanischen Volkes hervorgerufener Nationalstolz könnte daher durchaus auch in einer verstärkten Aufrüstung Koreas münden und eine nukleare Profilierung forcieren. Insbesondere vor dem Hintergrund der geschichtlichen sowie territorialen Streitigkeiten zwischen Japan, China und Korea könnte dies zu einem Aufrüstungsschub in der ganzen Region und im schlimmsten Falle zu ernsthaften Destabilisierungen in Nordostasien führen.

Ein vereinigtes Korea: „Goldgrube“ für alle regionalen Mächte?

In Anbetracht eines vereinigten Koreas scheint den regionalen Mächten Skepsis ins Gesicht geschrieben. Ein vereinigtes Korea hätte jedoch auch verschiedene Vorteile zu bieten, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich. Es wird in der Forschung davon aus-gegangen, dass es bei einer Wiedervereinigung Koreas langfristig zu einem wirtschaftlichen Aufschwung im Land kommen wird. Oder wie Park Geun-hye es nannte: Eine Wiedervereinigung wäre für Korea wie „ein Jackpot“.

Auch die USA könnten davon durchaus profitieren. Eine Wiedervereinigung würde implizieren, dass auch im Norden ein demokratischeres System sowie eine Marktwirtschaft eingeführt würden. Dies würde nicht nur eine Stärkung und Verbreitung von amerikanischen Grundwerten bedeuten, sondern auch mit aller Wahrscheinlichkeit engere Handelsbeziehungen zwischen den USA und Korea mit sich ziehen. Dadurch, dass die USA ein Drittel ihres Handels in der Region Fernost-Pazifik abwickeln, wäre ein weiterer Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit von großem Vorteil für Amerika. Dies würde den USA dabei helfen, freie Schifffahrt und sichere Seewege, welche Zugänge zu offenen Märkten in Ostasien erschließen, zu gewährleisten. Des Weiteren würden mit der Öffnung Nordkoreas auch eine Reihe wertvoller Rohstoffe sowie billige Arbeitskräfte verfügbar werden, was sich als Investitionsanreiz für die USA erweisen könnte. Darüber hinaus könnten noch engere Beziehungen zwischen Amerika und Korea dazu beitragen, Chinas steigenden Einfluss in der Region einzugrenzen. Eine Demokratisierung des Nordens könnte auch auf China Auswirkungen haben, indem die Verbreitung von demokratischen amerikanischen Werten einen Prozess politischer Liberalisierung in China anstoßen könnte. Dies wären alles Faktoren, die den USA dabei helfen könnten, ihre Vormachtstellung zu festigen.

Doch nicht nur die USA könnten wirtschaftliche Vorteile aus einem vereinten Korea ziehen. Durch eine Öffnung Nordkoreas würde insbesondere für Chinas nordöstliche Provinzen wie Heilongjiang, Jilin und Liaoning ein wirtschaftlicher Aufschwung wahrscheinlich werden. Dies würde sich mit Pekings langfristigem Plan, den Nordosten Chinas wirtschaftlich wiederzubeleben, decken. Auf der einen Seite würde die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und einem vereinten Korea bedeuten, dass Korea dann eine Verbindung zum eurasischen Territorium hätte und somit seine „Eurasien-Initiative“ forcieren könnte. Für Chinas nordöstliche Provinzen würde sich eine direkte Handelsroute zum Pazifik öffnen und somit die Entwicklung von Chinas „Silk Road Economic Belt“ fördern. Insgesamt ermöglichte dies China, seinen wirtschaftlichen Einfluss in Nordostasien auszuweiten und könnte sogar zu einer trilateralen Kooperation zwischen Korea, Russland und China führen.

Ein wirtschaftlicher Aufschwung auf der koreanischen Halbinsel hätte auch durchaus positive Auswirkungen auf die japanische Wirtschaft. Mit der Öffnung Nordkoreas und des Verschwindens der nordkoreanischen Bedrohung würde sich für Japan und Korea die Chance, ihren Handel weiter auszubauen und lang anvisierte Projekte zu verwirklichen, erhöhen. Dazu gehört das Korea-Japan-Tunnelprojekt, welches schon lange im Gespräch ist, aber erst durch den früheren südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-bak im Jahr 2008 wieder Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erlangt hat. Das Projekt sieht einen Unterwassertunnel vor, der Japan mit Korea verbinden würde. Dies würde nicht nur Logistikkosten reduzieren, sondern Japan könnte somit auch an das eurasische Eisenbahnnetz angeschlossen werden. Außerdem gibt es Überlegungen zum Bau eines gemeinsamen Elektrizitätsnetzes, welches für Japan eine Verbesserung der Energiesicherheit bedeuten würde. Japan erhofft sich des Weiteren, dass die jeweilige Allianz Japans und Koreas mit den USA sich positiv auf die japanische-koreanischen Beziehungen auswirken würde und eventuell zu dem Aufbau einer Wirtschaftsgemeinschaft mit den USA führen könnte.

Fazit

Es gibt starke Argumente, die aus der Sicht der regionalen Mächte für ein vereinigtes Korea sprechen würden. Sofern Südkorea allerdings keinen glaubwürdigen Plan vorlegen kann, welcher den regionalen Mächten Stabilität verspricht und gewährleistet, dass ein vereinigtes Korea ihre Staatsinteressen nicht verletzen wird, werden sie sich weiterhin zurückhaltend gegenüber einer Wiedervereinigung zeigen.

Momentan fährt Südkorea noch einen relativ sicheren Kurs mit seinen bilateralen Beziehungen zu den USA und China. Doch in Zukunft muss sich die südkoreanische Regierung ernsthafte Gedanken darüber machen, inwieweit sie sich zur Wahrung der nationalen Sicherheit in die Abhängigkeit Amerikas, und für ihr wirtschaftliches Überleben in diejenige Chinas begeben will. Doch Korea muss sich nicht nur damit beschäftigen, sondern sollte sich auch um eine grundlegende Aufarbeitung der Geschichte in Nordostasien bemühen, z.B. durch seine eigene Bereitschaft zur Versöhnung mit Japan, die derzeit nicht erkennbar ist. Nur wenn die historischen Animositäten beseitigt sind, kann ein stabiler Rahmen entstehen, in dem auch ein vereinigtes Korea seinen festen Platz finden könnte.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

stefan.samse@kas.de +65 6603 6171

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