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Aufgaben der Stadtentwicklung in den Mega-Städten der Entwicklungsländer

Formulierte Grundsätze auf der Konferenz Megacities I

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Im Interesse eines geordneten Verstädterungsprozesses in den Entwicklungsländern im allgemeinen und der Weiterentwicklung der Mega-Städte im besonderen ist ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf die umfassende Dezentralisierung und Förderung der kommunalen Selbstverwaltung zu legen. Beides stellt die Basis für eine sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung (Lokale Agenda 21) dar und leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Demokratisierung der Partnerländer.

Eine kommunale Selbstverwaltung mit eindeutigen und umfassenden Kompetenzen und umfassender Finanzausstattung kann erreichen,

  • die Chancen des Verstädterungsprozesses in den Entwicklungsländern einschließlich der Herausbildung von Mega-Städten für die Bevölkerung nutzbar zu machen, zumal auch die "Weltstädte" eine herausragende Rolle in der neuen globalisierten Wirtschaft spielen werden (z. B. durch Kapitalzufluss, Infrastrukturentwicklung, Transport- und Kommunikationsbedingungen als Wettbewerbsvorteile und Quellen für wirtschaftliches Wachstum);
  • die Risiken und negativen Begleiterscheinungen der Urbanisierung (u. a. ungeordnete Zuwanderung, menschenunwürdige Behausungen, negative gesundheitliche Folgen mangelnder Versorgung mit Trinkwasser und hygienisch einwandfreien Lebensmitteln, Armut und wachsende soziale Ausgrenzung, abnehmende innere Sicherheit, Umwelt- und Verkehrsprobleme, Krise des städtischen Managements, Benachteiligung des ländlichen Raumes) einzudämmen und im Sinne zunehmender Steuerbarkeit zu beeinflussen;
  • insbesondere durch Reformen der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Voraussetzungen für die erfolgreiche Bekämpfung der städtischen Armut zu schaffen;
  • im stadtplanerischen Bereich auf der Basis moderner und effizienter Verwaltungsstrukturen durch partizipative Entwicklungsplanung zur Sanierung von Slumvierteln, zur Verbesserung der Infrastruktur und der Wohn- und Wohnumfeldbedingungen beizutragen;
  • die Bemühungen um Lösung der für Groß- und Mega-Städte besonders schwierigen Umwelt-, Ver- und Entsorgungs- sowie Nahverkehrsprobleme durch bi- und multilaterale Pilotprojekte zu unterstützen bzw. durch Benchmarking (Lernen von den Besten) erfolgreicher Lösungsansätze den Partnerländern zu vermitteln;
  • den unumkehrbaren Verstädterungsprozess so zu gestalten, dass neben Groß- und Mega-Städten kleine und mittlere städtische Siedlungszentren als zentrale Maßnahmen zur Entwicklung ländlichen Raumes gefördert werden, um so auch den Migrationstrend in die großen Zentren zu verlangsamen und langfristig zu stoppen;
  • die Groß- und Mega-Städte durch konsequente Untergliederung in Bezirke wieder steuerbar zu machen;
  • die Groß- und Mega-Städte gezielt zu Stadtregionen zu entwickeln als Beitrag zur Dezentralisierung der dominanten Metropolen;
  • auch auf demographische Prozesse Einfluss zu nehmen, um durch bevölkerungspolitische Entwicklungsmaßnahmen (u. a. Familienplanung) eine Verlangsamung des Bevölkerungs- und damit des Städtewachstums zu erreichen;
  • die kommunale Entwicklungszusammenarbeit wegen der unstrittigen größeren Problemnähe in der öffentlichen Diskussion zu ermuntern und damit als ein erfolgreiches Instrument der Selbsthilfe und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu fördern.

In der Erkenntnis,

  • dass die zu bewältigenden Probleme nicht mit tradierten Instrumenten zu lösen sind,
  • dass mit den Globalisierungsprozessen nicht nur in ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Hinsicht Auswirkungen auf die Kommunen einschließlich der Mega-Städte verbunden sind, sondern die Globalisierungsprozesse auch Gegenbewegungen hervorrufen, die kommunale Selbstverwaltung in gleicher Weise beeinflussen und sie in vielleicht nicht erwartetem Masse stärken bzw. ihre Stärkung als Thema auf die internationale Tagesordnung setzen ("Lokalisierung"),
  • dass mit zunehmender Urbanisierung Mega-Städte und Stadtregionen auch zu einem Testfeld werden für die Frage nach der Angemessenheit der politischen Steuerungsinstrumente, der Performanz der lokalen Leitungsgremien und der Effektivität der Bemühungen, soziale Ausgrenzung zu vermeiden bzw. den Schutz der natürlichen Ressourcen oder die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung zu bewerkstelligen,
sind künftige Konzepte zur kommunalen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit so anzulegen, dass sie sich an den 6 strategischen Prinzipien von UNCHS/Habitat

  1. Dezentralisierung und Devolution
  2. Partnerschaft von Kommunen und Zivilgesellschaft
  3. Bürgerbeteiligung
  4. Kapazitätsentwicklung
  5. Netzwerkbildung (einschl. kommunaler Partnerschaften)
  6. Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik (Internet als "Dienstleister", E-Government, etc.)
orientieren.

Gerade weil die Aufgaben, vor denen auch die Groß- und Mega-Städte stehen, nur im weltweiten Verbund zu lösen sind, ist es nur folgerichtig, mit der angestrebten "Weltcharta der kommunalen Selbstverwaltung" die rechtlichen und politischen Voraussetzungen für ein solches Zusammenwirken zu schaffen.

Die Bundesregierung wird deshalb auch aufgefordert, alle Bemühungen um Verabschiedung und Umsetzung der Weltcharta der Kommunalen Selbstverwaltung aktiv zu unterstützen ebenso die Entwicklung von weltweiten Netzwerken als Hilfen zur Selbsthilfe.

Begründung:

Alle maßgeblichen internationalen Entwicklungsagenturen haben in den vergangenen Jahren verstärkt ihre Bemühungen darauf gerichtet, in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas Dezentralisierung und den Aufbau demokratischer Selbstverwaltungsstrukturen zu unterstützen und bisweilen auch zum Gradmesser für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu machen.

Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass nach dem Scheitern vieler Entwicklungskonzepte und nach den unbefriedigenden Ergebnissen des Setzens auf die zentralstaatliche Ebene als Entwicklungspromotor nunmehr der kommunalen Ebene - in konsequenter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips - mit ihrer größeren Bürgernähe zugetraut wird, ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln und vor Ort auftretende Probleme mit modernisierten Verwaltungen und auf Bürgerbeteiligung ausgerichteten, demokratischen Vertretungsorganen effizienter zu lösen.

In einer solchen Stärkung der kommunalen Ebene wird auch ein notwendiger Schritt zu größerer Akzeptanz kommunalen Handelns durch die Bürger gesehen, zur Festigung der Bürgergesellschaft also und damit zu Entwicklungsfortschritten.

Darüber hinaus hat der Weltentwicklungsbericht 1999/2000 nachdrücklich darauf hingewiesen, dass gerade in Zeiten der Globalisierung die lokale Ebene keineswegs an Bedeutung einbüßt, sondern eher noch wichtiger wird. Die Dramatisierung liegt dabei vor allem darin, dass die Art und Weise, wie die Staaten mit Globalisierung und "Lokalisierung" umgehen, über Entwicklungserfolge (bzw. -misserfolge) und damit über deren Zukunft entscheiden wird.

Dies wird in der politisch-programmatischen Diskussion häufig vernachlässigt, zumal spektakuläre Dinge - wie die Entwicklung der Mega-Städte - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die mit der Steuerung und Verwaltung verbundenen Managementprobleme - natürlich in besonderem Maße Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Dabei ist es kaum übertrieben, wenn von einer "urbanen Revolution" gesprochen wird. Nur wenige Zahlen sollen die wichtigsten Trends markieren und gleichzeitig auch die qualitativen Dimensionen der rapiden Urbanisierung in den letzten hundert Jahren kennzeichnen:

  • Anfang des 20. Jh. lebten 150 Mio. Einwohner in städtischen Siedlungen, d. h. weniger als 10%, 1970: 35% und im Jahre 2000: 50% der Weltbevölkerung (also ca. 3 Mrd.); in den Entwicklungsländern liegt der Prozentsatz schon bei 70%, in Lateinamerika 1997: 74%.
  • Prognosen für die Jahre 2010-2020 unterstellen einen bisher einmaligen Trend: dass nämlich mehr Menschen in Städten als in ländlichen Räumen leben werden.
  • Von 1980 - 2000 hat sich die Stadtbevölkerung der Dritten Welt verdoppelt: von 1 auf 2 Mrd.
  • Asien ist dabei mit weitem Abstand führend im Hinblick auf die Anzahl der Mega-Städte mit mehr als 5 Mio. Einwohnern: 23.

Städte haben also weltweit Konjunktur. Gerade die Globalisierungserfahrungen zeigen, dass trotz weltweiter Verknüpfung mit modernsten Informations- und Kommunikationstechnik zentrale Orte keineswegs überflüssig geworden sind, in denen Globalisierung auch "realisiert und verwaltet" wird.

Qualitativ bedeutet dies: Wir beobachten einen konstanten Kapitalfluss in die Welt-Städte, wo auch die entwickeltere Infrastruktur i.d.R. konzentriert ist und insofern das Ensemble von räumlicher Lage, Infrastruktur und günstigen Transport- und Kommunikationsbedingungen dazu beitragen, dass aus dadurch bewirkten Kostenersparnissen Wettbewerbsvorteile werden und damit eine weitere Quelle für wirtschaftliches Wachstum.

Insofern ist auch die Beobachtung kein Zufall, dass sich weltweit in den Metropolen ein wachsender Anteil am BSP konzentriert (z. B. Thailand: 20% der Bevölkerung in Bangkok, aber 70% des BSP).

  • Städte - insbesondere in der Mio.-Größenordnung - wachsen immer mehr zu Stadtregionen aus und können auch als gewollter Ansatz zur Dezentralisierung der dominanten Städte betrachtet werden.
  • Eine Konsequenz der globalen Einbindung liegt darin, dass sich viele darauf konzentrieren, sich bewusst zu "internationalisieren" durch massive Bereitstellung von Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur, aber auch - weiche Standortfaktoren! - durch Maßnahmen wie internationale Schulen oder Bildungsprogramme.
  • Eine weitere Konsequenz ist die Herausbildung von "Elitekorridoren", insbesondere in europäischen und asiatischen Städten mit abgegrenzten Wohn-, Handels- und Geschäfts-Communities: Korridore, die sich von der übrigen Städteumgebung deutliche abheben. Aber auch, wo solche Elitekorridore nicht existieren, gibt es zunehmend Segregation zwischen Arm und Reich.

Damit ist eine weitere Facette der Auswirkungen von Globalisierung benannt: nämlich die progressive Verlagerung von Armut auf die urbane Zentren:

  • 1970: 36% der Armen in Städten
  • 1980: 46%
  • 1990: 60%.

Armut wird zunehmend ein städtisches Phänomen, wobei die Tendenz sich einer zunehmenden Konzentration von Armut in den Innenstädten ("loser" von Globalisierung) verstärkt.

Die ökonomischen und sozialen Schwächen und Verwerfungen erzeugen u. a. auch abnehmende soziale Kohäsion mit all den bekannten Begleiterscheinungen wie Kriminalität, Drogenprobleme, Zusammenbruch tradierter Familien- und Gemeinschaftsstrukturen.

Die sich aus dieser Situationsbeschreibung ergebende Aufgabe,

  • das Bevölkerungswachstum der Groß- und Mega-Städte zu steuern,
  • die positiven Effekte der Urbanisierungsprozesse für Politik, Wirtschaft und Bürgerschaft im Sinne weiterer Entwicklungsfortschritte nutzbar zu machen,
  • die negativen Effekte durch Steigerung der Problemlösungsfähigkeit der Groß- und Mega-Städte zu reduzieren,
kann nicht durch punktuelle Insellösungen bewerkstelligt werden. Vielmehr sind ganzheitliche Konzepte gefragt, die insbesondere auf eine gerade unter Globalisierungsbedingungen immer dringlichere Dezentralisierung abstellen bei konsequenter Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

Bei vergleichbaren Problemlagen im Hinblick auf das ungleichgewichtige Wachstum vor allem der Groß- und Mega-Städte in den Entwicklungsländern können "best practices" helfen, Ansätze für eigene Krisenbewältigungsstrategien zu finden.

Dabei kommt es neben der Kapazitätssteigerung des kommunalen Managements vor allem darauf an, auf lokaler Ebene eine Vielzahl weiterer Akteure zu mobilisieren für die Mitwirkung an der Lösung kommunaler Probleme (neue Formen der Bürgerbeteiligung, "public-private-partnership", interkommunale Netzwerke, kommunale Partnerschaften u. a. m.). Immer wichtiger wird gerade bei Groß- und Mega-Städten auch der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik.

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