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„Ein Streiflicht, aber kein Leuchtturm“ – Medien als Instrument der Konfliktparteien im Jemen

von Dr. Gidon Windecker, Peter Sendrowicz

INTERNATIONALER JOURNALISTENWORKSHOP AM TOTEN MEER

In nationalen und internationalen Konflikten verfügen Medien über große manipulative Macht. Auch im Jemen nutzen die unterschiedlichen Konfliktparteien gezielt Presse, Rundfunk und Fernsehen, um ihr Vorgehen zu legitimieren. Vor diesem Hintergrund hat das Regionalbüro Golf-Staaten Journalisten und Experten aus dem Jemen, anderen arabischen Staaten, Europa und den USA zusammengebracht, um die Instrumentalisierung lokaler, regionaler und internationaler Medien und ihren Einfluss auf den Konflikt zu analysieren.

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Die Ergebnisse des Workshops wurden im Rahmen zweier Publikationsreihen in Zusammenarbeit mit dem Online-Magazin Muftah veröffentlicht und können unter folgenden Links abgerufen werden:

http://muftah.org/category/war-and-the-media-in-yemen-part-1/

http://muftah.org/category/war-and-the-media-in-yemen-part-2/

Seit dem Scheitern des friedlichen Transformationsprozesses mussten viele Journalisten aus dem Jemen fliehen und leben im Exil. Diejenigen, die im Land geblieben sind, stehen zunehmend unter Druck, sich an der Verbreitung der von den verschiedenen Parteien propagierten Konfliktnarrativen zu beteiligen. In den Medien Irans und Saudi-Arabiens werden diese konträren Diskurslinien aufgegriffen und mit nationalideologischen Elementen angereichert. Internationale Journalisten haben durch die Polarisierung der Berichterstattung in der Region erschwerten Zugang zu neutralen Informationen, was zu einer verzerrten Darstellung des Konfliktes in der weltweiten Presse führt. Vom 17.-19. Mai sind Journalisten und Experten aus dem Jemen, anderen arabischen Staaten, Europa und den USA auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zu einem zweitägigen Workshop in Jordanien zusammengekommen. Journalisten, deren Ausreise aus dem Jemen aus Sicherheitsgründen nicht möglich war, wurden aus Sana‘a und Aden per Videokonferenz zugeschaltet. Ziel war es, die verschiedenen Konfliktnarrative, die sich in der lokalen, regionalen und internationalen Berichterstattung wiederfinden, kritisch aufzuarbeiten und in den Kontext der Interessen der verschiedenen Konfliktparteien zu setzen.

In seiner Eröffnungsrede gab der inter-nationale Medienexperte und ehemalige Kriegsreporter Jan Keulen einen Überblick über die vielfältigen Herausforderungen der Berichterstattung über den Jemen. Aufbauend auf den Erkenntnissen des Medienforschers Gadi Wolfsfeld analysierte er, dass journalistische Darstellungen von Konflikten anhand dreier Kernfragen strukturiert werden:

 

 

 

 

  • Wie wurde in der Vergangenheit über den Konflikt berichtet?
  • Welcher Teil des Konfliktes hat den höchsten Nachrichtenwert?
  • Wer sind die „Guten“?
Im Fall des Jemenkonfliktes ließe sich keine dieser Fragen eindeutig beantworten; eine objektive Wahrheit gebe es nicht. Stattdessen würden die Medien von den politischen Akteuren als Streif-licht verwandt, das willkürlich auf einzel-ne Aspekte des Konfliktes gerichtet wer-de. Die eigentliche Rolle der Medien sei jedoch die eines Leuchtturms, der Orientierung und Interpretationshilfe für ein internes und externes Publikum biete. Wenn die Medien so genutzt würden, bestehe großes Potential, sie als Werk-zeug des Friedens einzusetzen. Keulen zitierte den ermordeten jemenitischen Journalisten Abdelkarim Al Khaiwani: „Wenn wir eine bessere Zukunft brauchen, müssen wir sie selbst in die Hand nehmen und mit unseren Mitteln als Journalisten mitgestalten. Der Preis dafür mag hoch sein, aber die Medien können ein Instrument der Veränderung sein. Ich bin davon überzeugt, dass eine Nation, die auf den Ideen ihrer Bürger aufbaut, immer besser ist, als eine Nation, die von ihren Machthabern durch Zwang erschaffen wird.“

Nach diesen einführenden Worten vollzog der erste Teil des Workshops die Entwicklung der medialen Landschaft im Jemen nach. Nur wenige Jahre vor der Eskalation des Konfliktes genoss die jemenitische Bevölkerung größere Meinungsfreiheit als viele andere Staaten in der arabischen Welt. Zwar sahen sich Journalisten in ihrer alltäglichen Arbeit bereits zu diesem Zeitpunkt mit großen Herausforderungen konfrontiert, dennoch existierte eine pluralistische Berichterstattung, die geprägt war von dem Willen, einen positiven Beitrag zum Auf-bau des Landes zu leisten. Mit der Machtübernahme der Houthi-Rebellen im Herbst 2014 jedoch wurde das ehemalige Staatsfernsehen ebenso wie die staatliche Nachrichtenagentur unter die Aufsicht des neuen Regimes gestellt. Unter-dessen versucht die abgesetzte jemenitische Regierung aus dem Exil in Saudi-Arabien eigene Medienagenturen aufzubauen. Zusätzlich erschaffen terroristische Vereinigungen wie Al Qaida und der sogenannte „Islamische Staat“ ihre eigenen Narrative, die sie in den medialen Diskurs einflechten. Lokale Journalisten folgen in ihrer Berichterstattung einer der zahlreichen Diskurslinien und tragen dadurch zur Legitimierung der Akteure bei. So wird der Krieg im Jemen nicht nur mit Waffen am Boden und in der Luft ausgetragen, sondern auch in den Medien.

Die Debatte zwischen pro-Houthi und pro-Hadi Kräften bleibt nicht auf traditionelle Kommunikationsmittel begrenzt, sondern hat über die sozialen Medien längst die breitere Zivilgesellschaft er-griffen. Die saudi-arabische Intervention 2015 führte zur Bildung digitaler Solidaritätsgemeinschaften auf Twitter, die auf religiöser, politischer oder kultureller Identifikation mit der einen Konfliktpartei bei gleichzeitiger Diffamierung des Gegners basierten. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie analoge und digitale mediale Propaganda im Jemen den öffentlichen Diskurs dominiert und zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft beiträgt. Ihrem ursprünglichen Mandat, die Bevölkerung unabhängig und objektiv über politische Ereignisse zu informieren, werden jemenitische Journalisten dabei nicht mehr gerecht, das erste Opfer eines Krieges sei die Wahrheit, wie Jan Keulen betonte.

Im zweiten Teil des Workshops diskutierten die Teilnehmer die regionale Berichterstattung über den jemenitischen Konflikt. Iranische Medien stellen die schiitische Minderheit im Jemen als Opfer der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition dar. Das militärische Engagement Irans wird als humanitäre Intervention verstanden und iranische Bodentruppen als Beschützer der unterdrückten Glaubensbrüder glorifiziert. Saudi-arabische Medien legitimieren das militärische Vorgehen des Königshauses mit politischen und religiösen Argumenten: Zum einen wird die Intervention als notwendiges Mittel zum Schutz saudischer Staatsinteressen angesehen, zum anderen als religiöse Pflicht zur Verteidigung des sunnitischen Islam gegenüber den schiitischen Abtrünnigen. Beide Staaten instrumentalisieren zudem ausländische Medien für ihre nationale Propaganda: Bereits vor der Eskalation des Konflikts im Jemen hatten Iran und Saudi-Arabien ihre konträren Interessen im Syrienkrieg in libanesischen Medien artikuliert. Seit der Militärintervention Saudi-Arabiens nutzt die Hisbollah noch stärker als zuvor libanesische Zeitungen, um scharfe Kritik an der saudischen Koalition zu üben. Somit muss die regionale Berichterstattung im akuten Fall des Jemen vor dem Hintergrund der andauern-den Konflikte in der Region verstanden werden.

Unter der Überschrift Lost in Translation analysierte der dritte Teil des Workshops die internationale Berichterstattung über den Konflikt. Im Verhältnis zu anderen gewaltsamen Auseinandersetzungen, wie z.B. in Syrien, ist das internationale mediale Interesse am Jemen bedeutend geringer ausgeprägt. Ein möglicher Grund könnte in der Komplexität der Auseinandersetzungen liegen, die einer außenstehenden Leserschaft nur schwer vermittelbar sind. Simplifizierte Darstellungen des Konflikts zwischen Rebellen und Regierung als Stellvertreterkrieg zwischen Iran und Saudi-Arabien sollten kritisch hinterfragt werden. Bei dem Konflikt im Jemen handelt es sich primär um einen lokalen Konflikt, der von den Nachbarstaaten Iran und Saudi-Arabien instrumentalisiert wurde. Iran verfügt jedoch über bedeutend weniger Einfluss auf die Houthi-Rebellen als auf andere Gruppierungen in der Region, wie z.B. die Hisbollah im Libanon.

Abschließend tauschte sich eine Vertreterin des UNESCO Communication and Information Sector Office Gulf Cluster mit den Workshop-Teilnehmern darüber aus, wie qualitativ hochwertige journalistische Arbeit trotz der erschwerten politischen Rahmenbedingungen im Jemen möglich ist. Als Teil der Programmlinie „Supporting Yemeni Media in Promoting Peace and Dialogue“ hatte die UNESCO bereits im Februar eine Konferenz über die praktischen Herausforderungen der Berichterstattung aus jemenitischen Krisengebieten organisiert, deren Ergebnisse nun vorgestellt und mit den Workshop-Teilnehmern diskutiert wurden. Insbesondere die hohen Sicherheitsrisiken im Jemen wurden als Belastung für den persönlichen Alltag und die professionelle Arbeit der Journalisten angesehen. Zudem gebe es kaum Finanzierungsmöglichkeiten für unabhängige Berichterstattung. Organisationen wie der Konrad-Adenauer-Stiftung komme daher eine wichtige Rolle zu, um transnationale Netzwerke der Unterstützung zwischen Journalisten unterschiedlicher Medienagenturen zu schaffen.

Dies war bereits die dritte Veranstaltung in einer Reihe von Events zum Themenschwerpunkt Medien und Konflikt im Jemen, die von der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgerichtet wurde.

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Kontakt

Philipp Dienstbier

Philipp Dienstbier

Leiter des Regionalprogramms Golf-Staaten

philipp.dienstbier@kas.de +962 6 59 24 150

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Über diese Reihe

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