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Rede Konrad Adenauers vor dem Deutschen Bundestag zu den Ereignissen des 17. Juni.

1. Wahlperiode, 278. Sitzung, Mittwoch, den 1. Juli 1953

Der Aufstand der deutschen Bevölkerung in Ost-Berlin und der sowjetisch besetzten Zone gegen Unfreiheit und Unterdrückung hat die Spaltung Deutschlands wieder in den Brennpunkt der außenpolitischen Auseinandersetzungen gerückt. Was hat sich in Ost-Berlin und der Ostzone ereignet? Nach jahrelanger Unterdrückung, nach Ausbeutung und Terror haben sich die arbeitenden Menschen gegen den sowjetischen Machthaber erhoben und die Wiederherstellung der Menschenrechte gefordert. ...

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Ausgehend von dem Protestmarsch der Bauarbeiter in der Frankfurter Allee, überspringend auf den Ostsektor Berlins und von da aus wie ein Lauffeuer sich ausbreitend über das ganze mitteldeutsche Gebiet, sich immer neu entflammend in Magdeburg, in Jena, in Erfurt, in Leipzig und vielen anderen Städten und kleineren Orten, entwickelte sich der Aufstand für Freiheit und Recht, gegen Terror und Unterdrückung, gegen Panzer und Maschinengewehre.

Die Sowjets sind durch diesen Ausbruch überrascht worden. Nur mit äußersten Zwangsmaßnahmen ist es ihnen gelungen, der Situation wieder Herr zu werden.

Über die Zahl der Toten und der Verletzten liegen bis heute authentische Nachrichten noch nicht vor. Sowjetzonale Stellen haben lediglich zugegeben, daß bei dem Juni-Aufstand 25 Personen getötet und 388 Personen verletzt worden seien. Wir haben Grund zu der Annahme, daß nach den Unruhen 62 Todesurteile vollstreckt worden sind.

Darüber hinaus sind bisher rund 25 000 Personen verhaftet worden.

Diese Toten werden eingehen in die Geschichte des deutschen Volkes.

Den Gefangenen versichern wir, daß wir alles in unsern Kräften Stehende tun werden, um sie so rasch wie möglich aus ihrer schweren Lage zu befreien.

Meine Damen und Herren! Millionen Deutsche haben die Welt aufgerufen, damit die Wiedervereinigung in Freiheit Tatsache werde und damit Brüder und Brüder und Schwestern und Schwestern nach Jahren der Trennung wieder zusammenkommen und das deutsche Haus gemeinsam bauen können.

Wir haben den Ruf gehört. Die Bundesregierung hat in eindringlichen Botschaften an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, den britischen Premierminister und den französischen Ministerpräsidenten den Appell gerichtet, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, daß dem deutschen Volk die Einheit und die Freiheit wiedergegeben werden. Unser Appell hat starken Widerhall gefunden. Alle drei Staatsmänner haben sich in voller Übereinstimmung zur Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit bekannt und erklärt, daß sie den Grundlinien der an die Sowjets gerichteten Note vom 23. September 1952 folgen werden, die die Wiedervereinigung Deutschlands und die Stellung einer freien gesamtdeutschen Regierung näher umschreiben. Diese Grundlinien stimmen vollständig mit der Entschließung des Bundestages vom 10. Juni dieses Jahres überein, deren Hauptpunkte lauten: Abhaltung freier Wahlen in ganz Deutschland, Bildung einer freien Regierung für ganz Deutschland, Abschluß eines mit dieser Regierung frei vereinbarten Friedensvertrages, Regelung aller noch offenen territorialen Fragen in diesem Friedensvertrag, die Sicherung der Handlungsfreiheit für ein gesamtdeutsches Parlament und eine gesamtdeutsche Regierung im Rahmen der Grundsätze und der Ziele der Vereinigten Nationen.

Die Bundesrepublik steht also mit diesen Forderungen nicht allein. Sie ist in dieser Frage eng verbunden mit den Westmächten, die sich erneut zu den Verpflichtungen in den großen Vertragswerken bekennen, in deren Präambel es heißt, daß die Wiederherstellung eines völlig freien und vereinigten Deutschlands auf friedlichem Wege und die Herbeiführung einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung ein grundlegendes gemeinsames Ziel der vertragschließenden Mächte sind. Wir befinden uns in dieser für Europa und für Deutschland so entscheidenden Frage in voller Harmonie mit den drei Mächten. Das ist nicht zuletzt ein Ergebnis der konsequenten Politik der Bundesregierung in den letzten vier Jahren.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus Anlaß des Aufstandes in Ostberlin und der Ostzone über unsere Außenpolitik Rechenschaft geben, unseren Standpunkt im gegenwärtigen Augenblick erhöhter außenpolitischer Aktivität präzisieren und die Ziele zeigen, die uns in der Zukunft für die deutsche Außenpolitik als richtungweisend erscheinen.

Nach der Katastrophe des Jahres 1945 mußte es für jede deutsche Regierung die erste Aufgabe sein, Deutschland wieder einen angesehenen Platz in der Gemeinschaft der Völker zu erringen. Das konnte nur dadurch geschehen, daß alles darangesetzt wurde, Deutschland aus Besatzung und Besatzungsrecht herauszulösen, es aus dem Objekt fremden Willens zum Subjekt eigener politischer Entscheidungen zu machen. Der Weg, meine Damen und Herren, war hart und dornenvoll. Er ist heute infolge der Tatsache, daß die großen Verträge noch nicht in Kraft getreten sind, noch nicht abgeschlossen. Wir dürfen aber, wenn wir den Weg seit Amtsübernahme der Bundesregierung im September 1949 bis heute überschauen, mit Befriedigung feststellen, daß sich unendlich vieles zum Besseren gewendet hat.

Die Bundesrepublik ist heute schon auf den meisten Gebieten der inneren und äußeren Politik tatsächlich Herrin ihrer eigenen Entscheidungen. Das konnte nur erreicht werden, weil wir in zähem Bemühen, Schritt für Schritt, in Geduld und Beharrlichkeit das zerstörte Vertrauen und den verlorenen politischen Kredit durch Leistung - und nur durch Leistung - zurückgewonnen haben.

Geholfen und genutzt hat uns auf diesem Wege, daß wir uns vom ersten Tage an entschieden und entschlossen zu der auch aus anderen Gründen zwingend notwendigen europäischen Integration bekannt haben.

Hier handelt es sich darum, in freier Zusammenarbeit mit den anderen europäischen Völkern den falschen und übertriebenen Nationalismus, der Ursache und Anlaß so vieler blutiger Kriege in der Vergangenheit gewesen ist, durch Zusammenschluß und Zusammenarbeit an praktischen Aufgaben zu überwinden.

Die Meilensteine auf diesem Wege sind der Eintritt der Bundesrepublik in den Europarat, der Abschluß des Vertrags über die Montanunion, der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und nicht zuletzt die Arbeit an der Entwicklung einer europäischen politischen Gemeinschaft, der Krönung der beiden anderen großen Zusammenschlüsse.

Auch dieser Weg ist mühsam und schwer.

Auf diesen Wegen, die wir einschlugen, um aus Deutschland einen gleichberechtigten und gleichverpflichteten Partner der freien Welt zu machen und ein neues, wirtschaftlich und politisch starkes Europa zu schaffen, ist uns leider die Opposition nicht gefolgt. Ohne uns je zu sagen, wie man es anders oder besser machen könnte, hat sie jeden Schritt, den die Bundesregierung und die Mehrheit des Bundestages getan haben, um Deutschland dem geschilderten Ziele näher zu bringen, mit negativer Kritik begleitet.

Ich brauche nur an die Tage des Petersberger Abkommens zu erinnern, das die erste Etappe auf dem Wege zur Lösung der Besatzungsfesseln und zur Befreiung der deutschen Wirtschaft von Zerstörung durch Demontagen bedeutete.

Mit diesem Abkommen haben wir eine große Zahl bedeutender deutscher Industriewerke gerettet; mit diesem Abkommen sind auch die Fesseln gesprengt worden, die den deutschen Schiffbau zum Erliegen gebracht hatten.

Dieses Abkommen war der Ausgangspunkt für weitere zähe Verhandlungen der Bundesregierung um die Freigabe weiterer bedeutender Werke und ganzer Industriezweige. Wenn heute Watenstedt-Salzgitter, von dem direkt oder indirekt 80 000 Menschen leben, wieder arbeitet, so hat die Bundesregierung daran einen entscheidenden Anteil.

Trotz der Widerstände der Opposition haben wir uns nicht beirren lassen. Eine spätere Zeit wird erst voll würdigen können, daß die Bundesregierung sich in diesen schweren Jahren entschlossen von falschen Ressentiments freigemacht hat und den Weg des Maßhaltens und der Verständigung mit anderen Mächten gegangen ist.

Das Ergebnis dieser Politik ist, daß sich die Beziehungen der Bundesrepublik zu der ganzen freien Welt nicht nur normalisiert, sondern freundschaftlich gestaltet haben. Wir können damit rechnen, daß, wie Botschafter Conant gestern vor der Presse ausgeführt hat, die Beziehungen zu den drei Westmächten noch vor dem Inkrafttreten der Vertragswerke soweit wie möglich normalisiert werden.

An dieser Entwicklung haben die Hohen Kommissare dank ihrer Umsicht und Tatkraft ein großes Verdienst.

Der Zusammenschluß der freien Völker Westeuropas, zu dem die Bundesrepublik einen so wesentlichen Beitrag leistete, hat an Stelle des desorganisierten Europas nach 1945 eine kraftvolle Gemeinschaft ins Leben gerufen. Dieser Zusammenschluß ist - das ist meine feste Überzeugung - ein entscheidender Grund für die Taktik, die die sowjetische Politik seit dem Tode Stalins entwickelt hat.

Denn wenn es etwas gab, das den Sowjetrussen klarmachte, daß sie mit den Mitteln des Kalten Krieges die europäische Welt nicht unterminieren und von ihr Besitz ergreifen können, so war es der Zusammenschluß der europäischen Völker in den genannten Gemeinschaften.

Es ist also auch ein Erfolg unserer Außenpolitik, wenn wir heute die Möglichkeiten einer Viererkonferenz vor uns sehen, die die Lösung der Frage der deutschen Wiedervereinigung erbringen soll.

Es ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, wenn unrealistische Politiker heute fordern, daß die europäischen Zusammenschlüsse zurückgestellt oder gar aufgegeben werden.

Ganz und gar unrealistisch ist es - und den Interessen Deutschlands abträglich -, wenn sogar geäußert wird, die Verträge seien tot.

Glaubt man, daß man damit Deutschland bei den Verhandlungen mit den Sowjets nützt?

Gerade die Bevölkerung der Ostzone, die so tapfer den sowjetischen Machthabern die Stirn bot, hat uns in den letzten Tagen immer wieder sagen lassen, daß wir uns der starken Position nicht begeben möchten, die unsere Partnerschaft mit der freien Welt bedeutet und die allein auch für das Volk Ostberlins und der Ostzone schließlich die Wiedervereinigung zu gewährleisten vermöge.

Ich habe es bedauert, daß infolge der Erkrankung des britischen Premiers die Bermuda-Konferenz nicht hat zustande kommen können.

Wir wollen hoffen, daß der britische Premier bald wiederhergestellt ist, damit in den Verhandlungen mit den Regierungschefs der anderen Mächte eine einheitliche gemeinsame Linie für die Verhandlungen mit den Sowjets festgelegt werden kann.

Es ist mir eine große Beruhigung, daß die verantwortlichen Leiter der Außenpolitik der drei Westmächte schon bald zusammentreten, um die Entwicklung voranzutreiben.

Im Mittelpunkt unseres Programms für die Wiedervereinigung Deutschlands stehen freie Wahlen. Sie sind in der Tat die zentrale Frage. Wir werden in ganz Deutschland keine allgemeine und persönliche Freiheit erringen, solange nicht frei gewählte Vertretungen eine kontinuierliche demokratische Politik entwickeln und führen können. Die deutsche Politik soll auf dem Willen des Volkes beruhen und nicht auf Willkür und Launen totalitärer Machthaber.

Freie Wahlen können aber nur in geordneten freiheitlichen Verhältnissen abgehalten werden.

Die Bundesregierung wird sich bemühen, folgendes Sofortprogramm zu verwirklichen: Öffnung aller Zonenübergänge, Aufhebung des Sperrstreifens und der evakuierten Zone, Freizügigkeit aller Deutschen in ganz Deutschland, Presse- und Versammlungsfreiheit, Zulassung der Parteien, Schaffung demokratischer Rechtsformen zum Schutze des Menschen gegen Willkür und Terror.

Unsere Pläne für die Zeit nach der Wiedervereinigung sind fertiggestellt. Besondere Arbeitsausschüsse haben Sofortmaßnahmen für den Tag der Wiedervereinigung vorbereitet. Es sind Vorarbeiten geleistet für die Versorgung mit Lebensmitteln, Kohle, Eisen, Stahl und Energie. Ferner sind die notwendigen Maßnahmen auf den Gebieten des Arbeitsmarktes, der Währung, der sozialen Versorgung und des Verkehrs festgelegt worden.

Wie können wir in diesem entscheidenden Stadium auf den Rat und die Mitwirkung der Deutschen in Ostberlin und der sowjetisch besetzten Zone verzichten?

Es wäre zu begrüßen, wenn der neue Bundestag sich entschlösse, ihre berufenen Vertreter in dieses Haus aufzunehmen. Sie sollen und müssen teilnehmen an unserer Arbeit bis zu dem Tage, an dem ganz Deutschland frei eine Nationalversammlung wählt.

Man sagt uns, daß die Sowjets mit ihrer Politik der kleinen Zugeständnisse eine echte Entspannung einleiten wollen. Nun, meine Damen und Herren, es gibt etwas, das ihre Aufrichtigkeit beweisen könnte. Mögen sie zunächst alle jetzt Gefangenen, dann aber auch unsere Kriegsgefangenen, die Verschleppten und politischen Häftlinge freigeben, viele Hunderttausende, die seit Jahren in Sowjetrußland auf den Tag der Freiheit warten. als die normalen Voraussetzungen, die notwendig sind, um ein friedliches Zusammenleben innerhalb eines Volkes und zwischen den Völkern zu gewährleisten.

Wir wünschen dieses friedliche Zusammenleben mit allen unseren Nachbarn, auch mit der Sowjetunion. Wie unserem Volke, so wünschen wir auch dem russischen Volke Wohlfahrt und Sicherheit.

Wenn die sowjetrussische Regierung die Auffassung vertritt, daß durch die Bildung der Europäischen Gemeinschaft die Sicherheit Rußlands bedroht werde, so kann ich dazu nur folgendes erklären:

Die Europäische Gemeinschaft wie auch die anderen Zusammenschlüsse der freien Welt dienen ausschließlich der friedlichen Zusammenarbeit und tragen rein defensiven Charakter.

Die Tatsache, daß die militärischen Kräfte und die Rüstung beschränkt und kontrolliert bleiben, ist ein wesentliches Moment der Festigung und Erhaltung des Friedens in Europa. Ein solches System kann einen vernünftigen Ausgleich mit der Sowjetunion nur fördern.

Wenn ein System der Rüstungsbeschränkungen in weltweitem Maßstab verwirklicht werden, könnte, so würden damit, wie Präsident Eisenhower in seiner denkwürdigen Rede vom 16. April dieses Jahres ausgeführt hat, die Mittel frei, um auch den bedürftigen Völkern den Weg zu Wohlstand und zu einem besseren Leben zu öffnen.

Da die Teilung Deutschlands ein Ergebnis des Ost-West-Konflikts ist, setzt die Wiedervereinigung die Entspannung dieses Konflikts voraus. Wiedervereinigung und europäisches Zusammenleben sind notwendige Teile ein und derselben Politik.

Wenn die Bundesregierung und die Mehrheit des Bundestages in den letzten vier Jahren diese Politik verfolgt haben, so erfüllten sie damit den Auftrag, den das Grundgesetz gegeben hat, nämlich die nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.

Quelle: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode 1949, Bd. 17: Stenographische Berichte 1953, S. 13870-13873.

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Sankt Augustin Deutschland