Stützel, Wolfgang
Stützel, Wolfgang
geb. am 23.01.1925, gest. am 01.03.1987
Wolfgang Stützel war einer der kreativsten, vielseitigsten und vielleicht auch einer der umstrittensten deutschen Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Sein Forschungsspektrum reichte von juristischen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen über die Mikroökonomie bis hin zur Makroökonomie geschlossener und offener Volkswirtschaften.
Stützel war ein kompromissloser Verfechter
marktwirtschaftlicher Grundsätze,
ohne einer Schule anzugehören.
Viele seiner wissenschaftlichen
Erkenntnisse trafen zuerst auf Widerstand,
setzten sich dann aber in der
Wirtschaftspolitik durch, weil sie auf
einem klaren ordnungspolitischen
Fundament aufbauten, das Stützel mit
großer Konsequenz weiterentwickelte.
Seine Weitsicht und seine Bereitschaft
zum Widerspruch belebten die
wissenschaftliche Diskussion und befruchteten
die Gestaltung der Wirtschaftsordnung
in der Bundesrepublik
Deutschland.
Stützel hat sich in seiner Dissertation
(1952) vor allem mit dem Phänomen
der Macht im Wirtschaftsleben
auseinandergesetzt, die er auf das
Verhältnis zwischen dem Wert und
Preis eines Gutes zurückführte. Eine
seiner einfachsten und eindrücklichsten
Botschaften war der Satz: „Wer
Marktpreise bezahlt oder Marktpreise
erhält, der sichert seine Freiheit und
seine Würde“. In seiner Habilitationsschrift
(1958) behandelte er die „Saldenmechanik“
makroökonomischer Zusammenhänge. Ein wichtiges Ergebnis
seiner Analyse war, dass für
die Zahlungsfähigkeit von Volkswirtschaften
freie Kreditkonditionen,
d. h. ein vollständiges liberalisiertes
Bankensystem entscheidend sind. In
einem Gutachten über die Bankenregulierung
in Deutschland („Bankenpolitik
– heute und morgen“, 1964)
setzte sich Stützel konsequenterweise
für eine vollständige Beseitigung der
Anfang der sechziger Jahre noch bestehenden
staatlichen Regulierungen
für Soll- und Habenzinsen ein. Ein
wichtiges Ergebnis dieser Arbeit war
die „Maximalbelastungstheorie“, die
als ein Vorläufer der „value at risk“-
Modelle angesehen werden kann.
Durch seine Mitgliedschaft beim
Sachverständigenrat zur Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
(1966-68) geriet Stützel in
den Mittelpunkt der damals sehr
kontrovers geführten Debatte über
die deutsche Wechselkurspolitik. Im
Gegensatz zur Mehrheit des Rates
setzte sich Stützel für ein striktes Festhalten
am damaligen Festkurssystem
von Bretton Woods ein. Stützel
schied vorzeitig aus dem Rat aus, da
er sich durch die Ratsmehrheit in seinen
Rechten beschnitten sah.
Es ist Stützels großer wissenschaftlicher
Verdienst, dass er schon in den
sechziger Jahren erkannte, wie instabil
sich ein System flexibler Wechselkurse
verhalten würde. In diesem Zusammenhang
wies er darauf hin, dass
es vor allem für kleinere Länder
kaum möglich sei, durch den Übergang
zu flexiblen Kursen ein höheres
Maß an geldpolitischer Autonomie zu
erlangen. In den siebziger Jahren
konzentrierte sich Stützel auf die Ursachenanalyse
der nach der Rezession
der Jahre 1974/ 75 stark angestiegenen
Arbeitslosigkeit. Frühzeitig
erkannte er, dass es sich dabei weniger
um ein konjunkturelles als um
ein strukturelles Problem handelte. Er
plädierte daher für eine Reduzierung
der Sozialhilfe (Soziale Grundsicherung)
des Kündigungsschutzes
und für eine allgemeine Neugestaltung
des Systems der sozialen Sicherung
in Deutschland. Einen Überblick
über diese Vorstellungen gibt Stützel
in seinem Buch „Marktpreis und
Menschenwürde“ (1981).
Ebenso innovativ sind seine bankbetrieblichen
Beiträge z. B. zur Entwicklung
von Insiderregeln und sein
Engagement für die Stückaktie
(„nennwertlose Aktie“), für die Bilanzierungspflicht
stiller Reserven und
für ein Anrechnungssystem („Teilhabersteuer“)
in der Körperschaftssteuer.
Viele wurden vom Gesetzgeber
verwirklicht, allerdings wurde das
Anrechnungsverfahren mit der Steuerreform
2001 wieder abgeschafft.
Wissenschaftlicher Werdegang
Promotion 1952; Habilitation 1957; 1958-1987 Professor an der Universität Saarbrücken.
Literaturhinweise:
- STÜTZEL, W. (1978), Volkswirtschaftliche Saldenmechanik, 2. Aufl., Tübingen;
- DERS. (1981), Marktpreis und Menschenwürde, Stuttgart;
- SCHMIDT, H./ KETZEL, E./ PRIGGE, S. (Hrsg.) (2001), Wolfgang Stüzel – Moderne Konzepte für Finanzmärkte, Beschäftigung und Wirtschaftsverfassung, Tübingen.