Asset-Herausgeber

Länderberichte

10 neue Ideen für Europas Umgang mit Donald Trump

von Nico Lange

Für einen vernünftigen politischen Umgang mit den Vereinigten Staaten von Amerika

Ein halbes Jahr nach der Inauguration ist Donald Trump noch immer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Die beispiellose weltweite Hysterie der vergangenen Monate hat daran nichts geändert. Donald Trump ist seinem persönlichen Stil treu geblieben. Bei seinen Anhängern ist er weiterhin beliebt. Die Welt ist nicht untergegangen.

Asset-Herausgeber

Trotz unbestritten ernsthafter Irritationen im In- und Ausland gibt es bisher nur wenige konkrete Auswirkungen von Trumps Präsidentschaft. Entgegen vieler Unkenrufe und verbreiteter Autosuggestion in Trumps Gegnerschaft ist es sehr wahrscheinlich, dass Donald Trump weiterhin Präsident der USA bleiben wird. Für einen vernünftigen politischen Umgang mit den Vereinigten Staaten von Amerika im europäischen Interesse lassen sich vor diesem Hintergrund zehn Ratschläge an die politisch Handelnden in der Europäischen Union formulieren:

1. Souverän und gelassen bleiben.

Trump sells. Das war einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren seiner Kampagne, in der ihm ständige Eskapaden kostenlose Medienberichterstattung im Wert von Milliarden von Dollar sicherten. Das gilt auch für die bisherige Amtszeit, in der sich Medienbeiträge, Titelbilder und Artikel über Trump bestens verkaufen, geklickt werden und Einschaltquoten garantieren. Die ständige Reproduktion des Bilds des unfähigen, rüpelhaften Präsidenten stößt dabei auf der einen Seite ebenso auf fast unbegrenzte Nachfrage, wie der Hass auf das "Establishment" und populistische Vereinfachungen auf der anderen Seite. Viele Redaktionen auf beiden Seiten haben offenbar keine Anreize für eine Differenzierung. Das gilt nicht nur für die USA.

Die ökonomische Logik der Trump-Berichterstattung ist leicht zu verstehen. In den politischen Bewertungen sollte man sich davon nicht leiten lassen. Das gilt vor allem für die einseitige Medienberichterstattung in Deutschland, die überwiegend die Auffassungen des linksliberalen Teils der US-amerikanischen Leitmedien reproduziert und fast ausschließlich O-Töne und Stellungnahmen der Opposition in den USA in die Berichterstattung aufnimmt. Das ist in etwa so, als ließe man jeden politischen Schritt Angela Merkels medial ausschließlich durch Jakob Augstein und Ralf Stegner bewerten.

Für den politischen Umgang mit den USA ist es in dieser Phase besonders entscheidend, durch die Geräusche von Trumps Provokationen und die mediale Hysterie hindurch zu den Sachfragen durchzudringen und den Fokus darauf zu bewahren. Tweets sollte man genauso ignorieren wie die ständigen Übertreibungen, die das Ende der Welt oder den Untergang des Westens herbeireden.

Souveränität und Gelassenheit ist auch deshalb jetzt besonders wichtig, weil Trumps Verhandlungstaktik beinhaltet, Verhandlungspartner schon vor Beginn der Gespräche ins Unrecht zu setzen, Extrempositionen einzunehmen und Maximalforderungen aufzustellen, um später für seine Seite möglichst viel herauszuholen. Die Hysterie hilft Trump.

2. Donald Trump als Präsidenten der USA akzeptieren.

Donald Trump wurde durch die Amerikaner in einer fairen und demokratischen Wahl gewählt. Er ist legitimer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Trotz anhaltender Diskussionen und Untersuchungen möglicher russischer Einflussnahme ist ein Impeachment sehr unwahrscheinlich. Donald Trump wird nicht freiwillig zurücktreten.

Trump ist nicht Präsident Deutschlands oder Europas. Ob er im Amt bleibt, wiedergewählt wird oder seine Amtsführung ändern muss, hängt ausschließlich von den Amerikanern ab. In den vergangenen Monaten haben Verfassung und politisches System der USA sich als robust erwiesen. Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz, unabhängige und freie Medien sind in den USA garantiert. Es lassen sich auch unter Trump keine Einschränkungen der Demokratie erkennen. Die Zivilgesellschaft ist sehr lebendig.

In Deutschland und der EU ist es vor diesem Hintergrund wenig sinnvoll, permanent gegen Trump zu demonstrieren oder gar Ratschläge für die amerikanische Demokratie oder zur Absetzung Trumps zu erteilen. Weitaus besser ist es, mit Trump als politischer Realität vernünftig umzugehen.

3. Mit Trumps Persönlichkeit leben.

Auf der ganzen Welt fühlen sich viele Menschen dabei wohl, jeden Tag darüber zu reden, „wie dumm Trump heute wieder war“. Seine Persönlichkeit bietet viel Angriffsfläche, um sich über ihn lustig zu machen, sich überlegen zu fühlen oder sich abfällig zu äußern. Allerdings ist es kein politisches Konzept, sich fortwährend mit Stilfragen und Twitter-Eskapaden auseinanderzusetzen.

Donald Trump wurde auch wegen seiner Persönlichkeit zum Präsidenten gewählt. Er wird gerade für diesen unorthodoxen Stil von vielen Anhängern verehrt. Er ist über 70 Jahre alt und steht seit 35 Jahren permanent in der amerikanischen Öffentlichkeit. Sein persönlicher Stil wird sich nicht ändern.

Viele Amerikaner haben Wege gefunden, mit Trumps Persönlichkeit zu leben. In republikanischen Kreisen hört man sehr oft: „I don’t like 70% of what he says but I like 70% of what he does.“ Von dieser Haltung kann man lernen.

4. Versuchungen des Anti-Trump-Populismus und des Anti-Amerikanismus widerstehen.

Donald Trump macht es den Partnern der Vereinigten Staaten von Amerika nicht leicht. Viele seiner fragwürdigen Aktionen machen ihn zu einer leichten Zielscheibe. Für Anti-Trump-Positionen bekommen Politiker in vielen Ländern der Europäischen Union innenpolitischen Beifall. Daraus entwickelte sich in den vergangenen Monaten ein ganz eigener Anti-Trump-Populismus, der während der Zeit von Wahlkampagnen in Europa besonders spürbar ist. Trump wirkt dabei wie ein Katalysator für latenten Anti-Amerikanismus. Für die strategische Partnerschaft zwischen der EU und den USA ist das gefährlich. Es ist nicht im Interesse Deutschlands und der Europäischen Union, eine Spaltung des transatlantischen Verhältnisses voranzutreiben.

Zu den Elementen des Anti-Trump-Populismus gehört es in Deutschland mittlerweile auch, Trump, Putin und Erdogan fortwährend in einem Zusammenhang zu erwähnen. So schwierig Donald Trump als Präsident der USA für die Europäer auch sein mag – er ist kein autoritärer Herrscher. Die Gleichstellung des US-Präsidenten mit Diktatoren wird in den USA auch von Trump-Gegnern als beleidigend empfunden. Die Vereinigten Staaten sind auch mit Präsident Trump eine lebendige Demokratie mit funktionierender Gewaltenteilung, aktiver Opposition, freien Medien und offener Zivilgesellschaft. Putins Russland und Erdogans Türkei sind das nicht. Die Gleichsetzung relativiert die anti-westlichen und antidemokratischen Regime in Russland und der Türkei und schadet der westlichen Wertegemeinschaft.

5. Das politische System der USA nutzen.

Das politische System der USA besteht nicht nur aus dem Präsidenten. Seit Trumps Amtsübernahme ist für ihn selbst und alle Beobachter deutlich geworden, dass er nicht durchregieren kann. In allen wichtigen Fragen braucht der Präsident Unterstützung aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Damit ergeben sich dort sehr wichtige Bezugspunkte für den Dialog mit der EU und den EU-Mitgliedstaaten. In den letzten Monaten ist für Russlandpolitik, Gesundheitspolitik, Steuerpolitik und viele andere Fragen deutlich geworden, dass Trump seine Positionen anpassen muss, um Kompromisse mit den republikanischen Abgeordneten und Senatoren und dem Kongress insgesamt zu erreichen.

Der enge Dialog mit Abgeordneten und Senatoren sowie deren Mitarbeitern ist außerdem ein wichtiger Weg, um Verständnis dafür zu entwickeln, welche von Trumps inhaltlichen Punkten in der amerikanischen Gesellschaft und bei den Republikanern Unterstützung finden und mit welchen Ideen er tatsächlich allein steht. Einige der politischen Positionen Trumps sind zumindest in Teilen der amerikanischen Gesellschaft fest verwurzelt. Es wäre ein Fehler, sie allein an seiner Person festzumachen.

Der Föderalismus ist in den USA sehr ausgeprägt. Viele Amerikaner sehen sich von Trump nur bedingt betroffen, da wesentliche Entscheidungen, die ihr Leben beeinflussen, in Kommunen und Bundesstaaten getroffen werden. Der Dialog europäischer Entscheidungsträger mit Akteuren außerhalb von Washington D.C., New York City und dem Silicon Valley ist bisher unterbelichtet. Für das transatlantische Verhältnis in der Trump-Regierungszeit könnte sich als sehr hilfreich erweisen, wenn Politik und Wirtschaft aus den EU-Mitgliedstaaten gezielt Dialoge mit Regionen, Gouverneuren, Bürgermeistern sowie Abgeordneten und Senatoren in ihren Wahlkreisen führen.

6. In berechtigten Punkten auf die USA zugehen.

Viele Punkte, die Donald Trump politisch anspricht, sind weder neu noch unberechtigt. Die Forderung nach mehr europäischen Beiträgen zur eigenen Verteidigung ist dafür ein prominentes Beispiel. Das Thema wird seit Jahrzenten von den jeweiligen US-Regierungen angemahnt. Trumps drastischer Stil in dieser Frage ist sicher inakzeptabel. Das ändert aber nichts daran, dass die Forderung in der Sache berechtigt ist und parteiübergreifend sowie in der amerikanischen Gesellschaft breit unterstützt wird.

Während der Obama-Regierungszeit haben sich die europäischen NATO-Partner eine Selbstverpflichtung für höhere Verteidigungsbeiträge auferlegt. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass sich mit der Annexion der Krim, der russischen Intervention in der Ostukraine, dem Krieg in Syrien, der Flüchtlingsentwicklung, Cyberkrieg und der terroristischen Bedrohung die Sicherheitslage in Europa seitdem signifikant verändert hat. Es wäre ein politischer Fehler, die Forderung nach höheren europäischen Verteidigungsbeiträgen jetzt allein mit der Person Donald Trumps in Verbindung zu bringen. Es würde die Argumentation der europäischen Partner im transatlantischen Verhältnis insgesamt stärken, wenn sie den USA in dieser Frage entgegenkommen. In dieser Hinsicht war der NATO-Gipfel von Brüssel auf beiden Seiten eine verpasste Gelegenheit.

7. In Konfliktfragen klare Gegenpositionen aufbauen.

Einige von Trump bezogene Positionen stehen im krassen Gegensatz zu Grundsätzen der Politik der Europäischen Union. Das Feld der Handelspolitik gehört dazu. Trumps Verhandlungstaktik mit scharfen und maximalistischen Ausgangspositionen irritiert außerdem viele Partner in der EU, wo man leises Verhandeln, das Vermeiden öffentlicher Positionierungen und die ständige Suche nach Kompromissen über Jahrzehnte eingeübt hat.

Als selbsternannter „Dealmaker“ hat Donald Trump keine Probleme mit harten Gegenpositionen. Das ist der Modus, den er versteht. Der Weg zu einer Einigung mit Trump und seiner Regierung in Konfliktfragen führt für die EU über den Aufbau und die Kommunikation klarer Gegenpositionen.

8. Als Europäische Union geschlossen auftreten.

Präsident Trump und sein engeres Umfeld äußerten mehrfach die Auffassung, dass es für die USA besser sei, künftig nicht mit der EU sondern mit den Mitgliedstaaten der EU einzeln zu verhandeln. Dahinter steht die Idee, dass auf diese Weise die USA in allen Verhandlungen der stärkere Partner sein könne und mehr der eigenen Forderungen durchsetzen würde. Ob diese Logik zum Tragen kommt, hängt allerdings nicht von der Trump-Administration ab sondern von den Mitgliedstaaten der EU. Wenn sie in Konfliktfragen geschlossen auftreten, wird die von Trump angestrebte Logik nicht greifen.

Zur Geschlossenheit der EU-Mitgliedstaaten wird gehören müssen, dass sie sich untereinander über ihre Kontakte mit der US-Administration ständig austauschen und sich vor wichtigen Treffen eng abstimmen. Sinnvoll wäre es auch, wenn künftig Vertreter von EU-Mitgliedstaaten zu bestimmten Themen gemeinsam nach Washington D.C. reisen würden.

9. Den eigenen Werten verpflichtet bleiben.

Zu den irritierenden außenpolitischen Haltungen Trumps gehört es, keine Unterschiede zwischen traditionellen und neuen Partnern der USA mehr machen zu wollen. Der programmatische Aufsatz von Sicherheitsberater McMaster und Wirtschaftsberater Cohn im Wall Street Journal Ende Mai brachte diese Haltung prominent zum Ausdruck. Es scheint, die US-Administration sei bemüht, die besondere Stellung von Wertepartnerschaften zugunsten einer rein transaktionalen Politik aufgeben zu wollen.

In Reaktion darauf sollte die EU jedoch nicht den gleichen Fehler machen. Für die EU gelten die westlichen Werte weiter. Das wird im Gegensatz zu Trump auch von sehr vielen republikanischen Mitgliedern des Repräsentantenhauses und Senatoren klar so gesehen. In der EU und ihren Mitgliedstaaten sollte man aus dem Ansatz Trumps nicht den Schluss ziehen, dass anstelle der Vereinigten Staaten von Amerika jetzt China oder Russland unsere neuen Partner wären. Deren rhetorische Avancen sind letztlich gegen den Zusammenhalt und die Stärke des Westens gerichtet.

Die besondere Partnerschaft der Gemeinschaft der Demokratien der westlichen Welt bleibt von hoher Bedeutung, unabhängig davon, wer gerade regiert. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund immer aggressiver auftretender autoritärer Regime in vielen Teilen der Welt.

10. Stärkere öffentliche Wirkung in den USA suchen.

Die Europäische Union, die aktuellen Entwicklungen der EU auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die flüchtlings- und entwicklungspolitischen Ansätze der EU und die Entwicklungen in den Mitgliedstaaten sind in den USA zu wenig bekannt. Für viele jüngere Amerikaner und US-Bürger außerhalb der Eliten sind enge Beziehungen nach Europa und die Bedeutung des transatlantischen Verhältnisses nicht mehr selbstverständlich. Natürlich ist das eine ständige Aufgabe zwischen Partnern, aber gerade in einer angespannten Situation wie jetzt fällt auf, dass der gesellschaftliche Dialog und der menschliche Austausch zwischen der EU und den USA neuer Impulse bedürfen. Dazu gehört auch, dass die EU sich selbstbewusst mit ihren politischen Angeboten in den Bundestaaten der USA präsentieren sollte, die mediale Präsenz in Nordamerika gezielt ausbauen muss und sich verstärkt in den USA in laufende Debatten einbringen sollte. Die transatlantische Verbindung erfordert jetzt mehr Engagement.

*

Europäische Einigung und ein festes transatlantisches Bündnis auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Interessen sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Garanten für Freiheit, Frieden und Wohlstand in Europa. Daran hat auch die Wahl Donald Trumps nichts geändert. Es ist im europäischen Interesse, auch mit Donald Trump erfolgreich gemeinsame Politik mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu machen. Wirklich einfach war es zwischen der EU und den USA auch in der Vergangenheit nur selten.

Asset-Herausgeber

Kontakt

Paul Linnarz

Paul Linnarz bild

Leiter des Auslandsbüros in Washington, D.C.

paul.linnarz@kas.de + 1 202 464 5840
EU und USA Flaggen KAS USA

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber

Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist in rund 110 Ländern auf fünf Kontinenten mit einem eigenen Büro vertreten. Die Auslandsmitarbeiter vor Ort können aus erster Hand über aktuelle Ereignisse und langfristige Entwicklungen in ihrem Einsatzland berichten. In den "Länderberichten" bieten sie den Nutzern der Webseite der Konrad-Adenauer-Stiftung exklusiv Analysen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen.

Bestellinformationen

erscheinungsort

USA USA