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Alte Koalition, neue Regierung

von Dr. Martin Sieg, Andrei Avram

Kabinett Tudose aus PSD und ALDE in Rumänien vereidigt

Am Abend des 29. Juni wurde die neue rumänische Regierung des sozialdemokratischen Premierministers Mihai Tudose im Präsidialpalast Cotroceni vereidigt. Das von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und der Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) gestellte Kabinett hatte am Nachmittag mit 275 Ja-Stimmen das Vertrauen der zwei Parlamentskammern erhalten.

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Hierdurch endete eine politische Krise in Rumänien, die aufgrund eines eskalierten Konfliktes zwischen dem PSD-Vorsitzenden und Präsidenten der Abgeordnetenkammer Liviu Dragnea und dem scheidenden Premierminister Sorin Grindeanu (ebenfalls PSD) zum Sturz der Regierung von letzterem durch die eigene Parlamentsmehrheit am 21. Juni geführt hatte.

Die Ernennung von Mihai Tudose durch Präsident Klaus Iohannis erfolgte am vergangenen Montag nach den verfassungsmäßig vorgesehenen Konsultationen mit allen im Parlament vertretenen Parteien. Neben Tudose war noch der Europaabgeordnete Siegfried Mureșan durch die Partei der Volksbewegung (PMP) vorgeschlagen worden, der dafür aber nur seine Zustimmung gab, um zu demonstrieren, dass es programmatisch und normativ klare Alternativen zu den von Kontroversen um Korruption und durch politische Krisen belasteten Koalitionsparteien von PSD und ALDE gebe. Im Ergebnis der Konsultationen stellte der Präsident fest, dass PSD und ALDE immer noch über eine Mehrheit in der Legislative verfügen und mahnte zugleich eine schnellen Regierungsbildung zugunsten wirtschaftlicher und politischer Stabilität an.

Neben den Koalitionsparteien stimmte auch der Demokratische Verband der Ungarn (UDMR) für die neue Exekutive und verlieh der Koalition damit eine sichere Mehrheit bei der Vertrauensabstimmung. Zuvor hatte der Senat Gesetzentwürfe verabschiedet, die u.a. zu einer Vereinfachung der rumänischen Sprachprüfung bei Schulexamen für Angehörige von Minderheiten führen würden. Die UDMR gehört der Regierung weiterhin nicht an, es bestand aber bereits zuvor schon eine parlamentarische Kooperationsvereinbarung mit der Koalition.

Mihai Tudose war im Kabinett Grindeanu Wirtschaftsminister und ist seit dem Jahr 2000 Abgeordneter der PSD-Fraktion im Parlament. Seine Ernennung wurde u.a. überschattet von Plagiatsvorwürfen in Bezug auf seine Doktorarbeit – ein in Rumänien sehr heikles Thema, seitdem der ehemalige Premierminister Victor Ponta wegen ähnlicher Anschuldigungen in die Kritik geraten war. Innerhalb der PSD war die Nominierung von Tudose nicht völlig unumstritten – bei der entsprechenden Vorstandssitzung enthielten sich vier wichtige Mitglieder der Führungsriege, darunter der geschäftsführende Vorsitzende Niculae Bãdãlãu und der geschäftsführende Sekretär Codrin Ștefãnescu ihrer Stimme. Ohnehin scheint Dragnea darauf bedacht zu sein, der Öffentlichkeit zu signalisieren, dass er in Bezug auf das Kabinett das Sagen hat. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Ministerliste kündigte er die Namen der künftigen Kabinettsmitglieder an, während Tudose auf Anfrage eines Journalisten sogar seine Bereitschaft beteuerte, von seinem Amt zurückzutreten, falls die Ernennung von Dragnea zum Premierminister möglich werden sollte. Nach gegenwärtiger Rechtslage kann der PSD-Vorsitzende keinen Kabinettsposten erhalten, weil er vorbestraft ist.

Dem Kabinett Tudose gehören zehn neue Minister an, während 15 Mitglieder der Regierung Grindeanu weiterhin im Amt geblieben sind. U.a. wurden die Ressorts Finanzen, Wirtschaft, Verteidigung, Bildung und europäische Angelegenheiten neu besetzt. Auch wurde ein neuer Vizepremierminister ohne Portfolio ernannt, der für die Koordinierung von ressortübergreifenden Aufgaben zuständig sein soll. Zu den neuen Ministern gehören Mihai Fifor (Wirtschaft), bis dato PSD-Fraktionsvorsitzender im Senat, Adrian Tutuianu (Verteidigung), Vorsitzender des Ausschusses der zwei Parlamentskammern zur Kontrolle des Inlandsgeheimdienstes SRI, und Marcel Ciolacu, der seit Februar 2017 Fraktionsvorsitzender in der Abgeordnetenkammer war und nun als Vizepremierminister ohne Portfolio fungieren wird. Ciolacu gilt als einer der engsten Vertrauten von Dragnea – ebenso wie die zweite von der PSD gestellte Vizepremierministerin und Ministerin für regionale Entwicklung Sevil Shhaideh. Justizminister bleibt der parteilose Tudorel Toader, ehemaliger Richter des rumänischen Verfassungsgerichts. Inwieweit die neue Regierung Gesetzgebungsvorhaben zur Milderung des Strafrechts bei Korruptionsvergehen verfolgen wird, ist auch deshalb unklar. Neben einer zunehmenden Verselbstständigung des Ministerpräsidenten, der ihn zu einem potentiellen Rivalen für Dragnea machte, wurden als Grund für das Misstrauensvotum gegen Grindeanu in der rumänischen Öffentlichkeit besonders Differenzen um eine solche Änderung des Strafrechts gesehen; denn diese könnte auch Dragnea betreffen, gegen den ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs läuft. Toader hat gegenüber solchen Vorstößen bislang jedoch eine zurückhaltende Position eingenommen. Anlässlich seiner Anhörung im Vorfeld der Abstimmung im Parlament sagte er, dass er der Vorbeugung von Korruption größeres Gewicht geben wolle.

Vor allem in finanz- und wirtschaftspolitischer Hinsicht zeichnen sich Unterschiede zum Vorgängerkabinett ab. Die Regierung Grindeanu hatte ein kostenträchtiges Programm von Steuersenkungen bei gleichzeitiger Steigerung von Sozialleistungen zur Erfüllung von Wahlversprechen der PSD verfolgt, deren finanzielle Umsetzbarkeit zweifelhaft erschien. Anscheinend geht die Regierung Tudose von einer realistischeren Vision der wirtschaftlichen und finanziellen Lage aus. Nun sollen u.a. eine Solidaritätssteuer für Reiche und eine Verschiebung der vorgesehenen Senkung der Mehrwertsteuer um ein Jahr für mehr Geld in der Staatskasse sorgen, auch wenn die Regierung an der Reduzierung der Einkommenssteuer von 16 auf 10 Prozent festhält. Besonders problematisch erscheint die Absicht, die bestehende Gewinnsteuer für Unternehmen durch eine Steuer auf den Umsatz zu ersetzen, wodurch die Steuerlast für eine beträchtliche Zahl von Firmen steigen würde. Inwieweit diese Punkte tatsächlich umgesetzt werden, bleibt freilich abzuwarten.

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23. Juni 2017
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