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Angespannte Erwartungshaltung vor der Veröffentlichung des EU-Berichts

von Dr. Andreas von Below

Flut von Skandalen mit EU-Mitteln sorgt für Turbulenzen

Bulgarien und Rumänien werden auch nach dem EU-Beitritt einem Monitoring-Prozess unterzogen, wobei sich die Europäische Kommission die Verhängung von Strafmaßnahmen vorbehält. Hauptkritikpunkte sind dabei die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität. Der nächste EU-Bericht über Bulgarien soll offiziell am 23. Juli erscheinen, sein mutmaßlicher Inhalt sorgt im Vorfeld für große Aufregung in Sofia.

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Angespannte Erwartungshaltung vor der Veröffentlichung des EU-Berichts

Flut von Skandalen mit EU-Mitteln sorgt für Turbulenzen

Bulgarien und Rumänien werden auch nach dem EU-Beitritt einem Monitoring-Prozess unterzogen, wobei sich die Europäische Kommission die Verhängung von Strafmaßnahmen vorbehält. Hauptkritikpunkte sind dabei die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität. Der nächste EU-Bericht über Bulgarien soll offiziell am 23. Juli erscheinen, sein mutmaßlicher Inhalt sorgt im Vorfeld für große Aufregung in Sofia. Nach letzten Meldungen soll Ministerpräsident Sergej Stanischev das Dokument bereits erhalten haben. Auch Medien sind im Besitz des Papiers und haben mittlerweile Passagen daraus veröffentlicht. Daraus wird ersichtlich, daß die EU-Kommission scharfe Kritik an Bulgarien übt, auf extreme Maßnahmen wie die Einsetzung von sogenannten „Schutzklauseln“ wird indessen allem Anschein nach verzichtet. Oppositionspolitiker bezeichneten den Inhalt des Berichts als "tödlich" für das Land.

Seit einigen Monaten wird Bulgarien von einer Welle von Skandalen in Zusammenhang mit europäischen Mitteln erschüttert. Jeder Tag bringt neue Enthüllungen über Veruntreuungen und Vetternwirtschaft bei der

Aufnahme von EU-Mitteln. Inzwischen hat Brüssel die Zahlungen aus mehreren Fonds an Bulgarien blockiert. Im März wurden zunächst die Zahlungen in Höhe von 100 Mio. Euro aus dem SAPARD-Programm gestoppt. Ende Juni wurden weitere 90 Mio. Euro gesperrt. Damit sind rund 1/3 der Mittel der Gelder aus dem SAPARD-Programm für Bulgarien auf Eis gelegt. Die SAPARD-Machenschaften wurden 2006 vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung OLAF aufgedeckt. Laut OLAF haben bulgarische Firmen gebrauchte Maschinen und Ausrüstungen aus Deutschland eingeführt und sie in Bulgarien zum 100-fachen Preis als neu verkauft. Treibende Kraft hinter diesen Manipulationen soll der Unternehmer Ljudmil Stojkov gewesen sein. Stojkov war einer der größten Geldgeber für die Wahlkampagne des Staatspräsidenten Georgi Parwanov im Jahre 2006. Obwohl die bulgarischen Strafverfolgungsbehörden nach dem Signal von OLAF zunächst einige Verhaftungen vornahmen, endete die Affäre ohne Verurteilte.

Laut manchen Quellen gehören rund 40% der aus SAPARD finanzierten Projekte ein- und demselben Kreis aus miteinander verbundenen juristischen und natürlichen Personen, wobei die Schmiergelder 40-50% der Subventionen erreichen sollen.

Eine andere große Affäre betrifft die europäischen Mittel für den Bau und die Instandsetzung von Straßen. Im Januar wurden die Zahlungen aus dem ISPA-Programm eingestellt, nachdem zwei Beamte des Fonds „Nationales Straßennetz“ der Annahme von Schmiergeldern überführt wurden. Im Februar war der Chef des Fonds gezwungen zurückzutreten, nachdem eine Zeitung aufgedeckt hatte, daß er die Firma seines Bruders mit staatlichen Aufträgen in Höhe von 60 Mio. Euro versorgt hatte.

Im Juni hat eine Rechnungsprüfung im Fonds „Nationales Straßennetz“ der Gesellschaft KPMG eine Reihe von Fällen von Interessenkonflikten entdeckt. Der Bericht ist geheim, es ist aber Information durchgesickert, daß demnach hochrangige Beamte und möglicherweise sogar Minister an Korruptionspraktiken beteiligt sein sollen.

Wiederum im Juni hat die bulgarische Regierung offenbar wegen festgestellter grober Verstöße beschlossen, die Finanzierung von 10 Projekten aus dem PHARE-Programm einzustellen.

Im Juni hat Brüssel ein Computerprogramm für das Monitoring der europäischen Gelder in allen bulgarischen Ministerien eingeführt. Damit soll die Kontrolle bei der Ausgabe der Mittel verbessert werden.

Schließlich schlug vor einigen Tagen ein weiterer Bericht sowie ein offizieller Brief des Generaldirektors des OLAF-Amtes, Franz-Hermann Brüner, an die neueingesetzte Ministerin für Eurofonds, Meglena Plugtschieva, fast wie eine Bombe ein. Das eigentlich vertrauliche Papier wurde der Presse zugespielt und veröffentlicht. „OLAF glaubt, daß es einflußreiche Kräfte in der bulgarischen Regierung und/oder den bulgarischen staatlichen Behörden gibt, die kein Interesse daran haben, daß irgendeine Person aus der Gruppe „Nikolov-Stojkov“ bestraft wird“, heißt es darin.

Bei der besagten Gruppe „Nikolov-Stojkov“ handelt es sich um die Unternehmer Mario Nikolov und Ljudmil Stojkov, gegen die die bulgarischen Behörden seit anderthalb Jahren auf Signal von OLAF wegen der Veruntreuung von 7,5 Mio. Euro aus dem SAPARD-Programm ermittelt wird (s.o.). Sie sowie die anderen vier bulgarischen Mittäter wurden schnell nach ihrer Verhaftung freigelassen, die Ermittlungen dauern formell an, es ist aber noch zu keiner Anklage gekommen.

Laut OLAF ist die Gruppe „Stojkov-Nikolov“ „ein kriminelles Netzwerk aus Gesellschaften, das mehr als 50 bulgarische, europäische und Offshore-Firmen umfaßt.“ OLAF untersuche derzeit weitere 17 dubiose SAPARD-Projekte im Gesamtwert von 18 Mio. Euro, die mit der Gruppe „Stojkov-Nikolov“ verbunden sein sollen.

Im Bericht werden weitere Probleme im SAPARD-Programm aufgelistet.

Die Opposition nutzte den OLAF-Bericht für scharfe Angriffe gegen die Regierung und den Staatspräsidenten. Sie forderte eine Erklärung vom Staatspräsidenten über seine Verbindungen zu „kriminellen Netzwerken“. Der Staatspräsident verwahrte sich in einer schriftlichen offiziellen Erklärung gegen die seines Erachtens „politische These“ von OLAF, es gebe einflußreiche Kreise in Bulgarien, die die Ermittlungen gegen bestimmte Personen behinderten. Das „bulgarische FBI“ – DANS (Staatliche Agentur für nationale Sicherheit“) – sollte seiner Meinung nach im Gegenzug prüfen, ob diese These von OLAF berechtigt sei. Was die Finanzierung seiner Kampagne betreffe, so sei alles völlig transparent und legal.

Der Sprecher von OLAF widersprach Parwanov und sagte, daß sein Amt zu dem Bericht stünde und dieser kein politisches Dokument darstelle.

Die Opposition erwägt inzwischen die Einleitung eines Amtsenthebunsverfahrens gegen das Staatsoberhaupt. Darüber hinaus soll am 24. Juli ein Mißtrauensantrag gegen die Regierung eingebracht werden.

Die Medien berichten, daß Brüssel eine finanzielle Sanktion gegen Bulgarien vorbereite – zwei Agenturen für Mittel aus dem PHARE-Programm soll die Lizenz entzogen werden. Damit könnte das Land bis zu 610 Mio. Euro allein an PHARE-Mitteln verlieren.

Der Eindruck eines fehlenden Fortschritts bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption festigt sich durch weitere Begebenheiten der letzten Zeit. So ist es bei kommunalen Nachwahlen in mehreren Städten offenbar zu massiven Stimmenkäufen durch dunkle wirtschaftlich-politische Kreise gekommen. Darüber hinaus wurde der ehemalige Chef eines bedeutenden Fußballklubs entführt, eine Polizeiaktion bei der Lösegeldübergabe scheiterte und die Frau des Entführten wurde ihrerseits von den Gangstern gekidnappt.

Dessen ungeachtet verfügt das Kabinett Stanischev noch immer über eine komfortable Parlamentsmehrheit. Es gibt vorerst keine Hinweise darauf, daß einer oder mehr der drei Partner in der Regierungskoalition bei der Abstimmung über den Mißtrauensantrag geschlossen ausscheren und so das Ende dieses Kabinetts 11 Monate vor Ablauf der Legislatur auf diesem Wege herbeiführen könnte. Oppositionelle Parteien wie Ataka und GERB rufen inzwischen die gesamte Opposition zum Parlamentsboykott auf. Die Partei „Demokraten für ein starkes Bulgarien“ (DSB) meint, daß die Repräsentanten der Opposition geschlossen auch die kommunalen Vertretungen verlassen müßten, um sich so von der Regierung abzugrenzen.

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