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Länderberichte

Berlusconi ante portas

von Livio Caputo

Parlamentswahlen in Italien

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Alle Wahlen sind wichtig, aber für die bürgerlichen Parteien in Europa sind die Wahlen in Italien am 13. Mai dieses Jahres vielleicht wichtiger als andere. In einer Europäischen Union, in der überwiegend die Sozialisten an der Regierung sind, könnte sich für eines ihrer fünf wichtigsten Länder mit großer Wahrscheinlichkeit eine neue Chance eröffnen und die Macht übergehen auf eine Mitte-Rechts-Koalition, geführt vom "jüngsten" Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), der "Forza Italia", die in den kurzen sieben Jahren ihres Bestehens zur stärksten politischen Formation des Landes geworden ist. Ihre Unterstützung in der Bevölkerung erreicht immerhin zwischen 30 und 35 Prozent. Die Ergebnisse der Umfragen sagen nahezu übereinstimmend voraus, dass Silvio Berlusconi, der Gründer und Präsident von "Forza Italia", sechs Jahre und fünf Monate nach dem Sturz seiner ersten, kurzlebigen Regierung erneut das Amt des Ministerpräsidenten erringen wird.

Wie konnte es zu diesem Wiederaufstieg kommen? Die Ursachen, die dem großen Comeback von Berlusconi zugrunde liegen, sind vielfältig:

  • Diesmal ist der Politiker reifer geworden, während er vor sieben Jahren noch ein Neuling in der Politik war und dazu neigte, in die Fallen zu tappen, die ihm seine Gegner stellten; seine Partei ist innerlich gewachsen und eingetreten in die große Familie der europäischen Volksparteien;

  • das Wahlbündnis ist fester und geschlossener als dasjenige von 1994, das nur im letzten Augenblick überhastet zustande gekommen war, um einen Sieg der Post-Kommunisten zu verhindern;

  • Fähigkeiten zur (politischen) Führung, die entschieden über das in Italien Übliche hinausgehen;

  • Verabschiedung eines liberalen Wirtschaftsprogramms, das in allen sozialen Schichten Zustimmung findet;

  • Bekenntnis zu einer weit angelegten, vollkommen mit der Linie der Europäischen Volkspartei abgestimmten Europapolitik;

  • eine Hand dafür, besser als die Gegner die Hebel der politischen Propaganda zu nützen;

  • ein Sinn für Verantwortung, wenn es um die übergeordneten Interessen des Landes geht, wie sich deutlich zeigte, als die Teilnahme Italiens am Kosovo-Feldzug zur Abstimmung stand.

Aber zum Aufstieg der "Casa delle Libertà", zu dem außer Forza Italia noch die Alleanza Nazionale, die Lega Nord, CCD/CDU und einige kleinere Parteien zählen, haben sicher auch die Fehler der Gegner aus dem Mitte-Links-Lager beigetragen, die nach der erfolgreichen Einbringung Italiens in die Euro-Zone langsam die Richtung verloren: Zuerst wurde Romano Prodi auf die Seite geschoben und durch den früheren Kommunisten D'Alema ersetzt, dann wollte man auch ihn loswerden, um die Regierungsgeschäfte dem "Groß-Handlungsgehilfen" (grand commis) Giuliano Amato anzuvertrauen. Schließlich haben sie auch diesen übergangen zugunsten des jungen, sympathischen, aber etwas unbedarften bisherigen Bürgermeisters von Rom, Francesco Rutelli.

Die wahren Gründe für den Abstieg von Mitte-Links liegen allerdings im Fehlschlagen der Reformpolitik, wie Giuliano Amato selbst in einem ungeschminkten Interview in der Financial Times eingeräumt hat. Als Gefangene der unentbehrlichen kommunistischen Verbündeten und vor allem ihres Gewerkschaftsflügels hat die derzeitige Mehrheit nicht den Mut aufgebracht, weder die Rentenreform, noch die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, noch die Strukturreform des Staatsapparats, noch die Einschnitte in die öffentlichen Ausgaben in Angriff zu nehmen, die unabdingbar sind, wenn die Steuerlast sinken soll, die zu den höchsten Europas zählt. Sie hat also keine der Empfehlungen befolgt, die nicht nur von der Europäischen Kommission und dem Weltwährungsfonds, sondern auch vom Gouverneur der Banca d'Italia, Antonio Fazio, ständig an die Adresse Italiens gerichtet werden, wobei letzterer voll auf der Linie des Wirtschaftsprogramms der Casa delle Libertà liegt.

Ergebnis dieser Trägheit ist, dass Italien trotz seines enormen Potentials und der Kraft seiner kleinen und mittleren Unternehmen gegenwärtig andauernd Marktanteile verliert und sich im europäischen Vergleich auf den hinteren Plätzen befindet bei Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftlicher Freiheit und allen anderen Gradmessern, die für die Zukunft eines Landes von Bedeutung sind. Die Menschen haben die Langsamkeit des Behördenapparates satt, ebenso wie die viel zu vielen, komplizierten und oft schikanösen Gesetze, wie die mehr von ideologischen Erfordernissen als von Wirksamkeitskriterien bestimmten Reformen - man denke an die Schulreform und jene des Gesundheitswesens. Wie selbst Amato im bereits erwähnten Interview zugegeben hat, "sehnen sich die Italiener nach größerer Freiheit". Die Mehrheit der Bürger ist außerdem der Ansicht, dass die Regierung zu wenig getan hat, um die illegale Einwanderung zu stoppen, und dass sie - vor allem in den großen Städten - eine alarmierende Zunahme der Kriminalität zu verantworten hat.

Hinzu kommt ein zunehmendes Missbehagen über die systematische Besetzung aller einflussreichen Posten durch Anhänger der Linken, wobei ausgerechnet am Vorabend der Auflösung der Parlamentskammern eine große Zahl hoher Staatsbeamter aus den Reihen der getreuesten Gefolgsleute der gegenwärtigen Regierung ernannt worden ist. Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist der Mitte-Links-Koalition in so unverschämter Weise unterwürfig gemacht worden, dass man darüber fast vergessen könnte, dass Berlusconi nach wie vor drei private Fernsehkanäle besitzt.

Francesco Rutelli und die anderen Führer des Mitte-Links-Lagers wissen, dass sie in der Programmatik und auch bei der Popularität keine großen Möglichkeiten haben, mit Silvio Berlusconi und der Casa delle Libertà zu konkurrieren. Beim Versuch, aus dem Tief wieder herauszukommen, pochen sie deshalb auf drei Punkte: der Interessenkonflikt Berlusconis, die angeblich "Haider-ähnlichen" Züge bei der Lega Nord und die Gefahr, dass die Steuerreformen einer Mitte-Rechts-Regierung unverträglich sein könnten mit dem Stabilitätspakt für den Euro.

Diese Argumente werden auch auf internationaler Ebene vorgebracht, um so zu versuchen, einer möglichen Regierung Berlusconi in den Augen der Verbündeten die Legitimation zu nehmen. Aber es ist bisher noch niemandem gelungen, das Vertrauen der Italiener in die Casa delle Libertà zu mindern.

Niemand wird natürlich abstreiten, dass es einen Interessenkonflikt geben kann, wenn jemand drei Fernsehkanäle besitzt und obendrein Mehrheitsaktionär eines großen Verlagshauses und einer bedeutenden Versicherungsgesellschaft ist - und dann auch noch Ministerpräsident wird. Das weiß Berlusconi selbst so genau, dass er schon zu Beginn der letzten Legislaturperiode für einen Gesetzentwurf zur Regelung dieses Problems grünes Licht gegeben hat, der die Abtretung der Verfügungsrechte an einen Treuhänder vorsah und der vom Abgeordnetenhaus einstimmig angenommen wurde.

Aber die Mitte-Links-Mehrheit hat dieses Gesetz drei Jahre liegen gelassen, bevor es dem Senat zur Ratifizierung zugeleitet wurde, und hat es dann mit einer Reihe von Abänderungen vollkommen entstellt, die alle gegen Berlusconi höchstpersönlich gerichtet waren. Jedenfalls hat es aus Termingründen keine Rechtskraft erlangt, und es wird Aufgabe der neuen Regierung sein, den Sachverhalt ohne Diskriminierung zu regeln.

Das Mitte-Links-Lager führt auch gegen das Bündnis von Forza Italia mit der Lega Nord heftige Angriffe, weil dadurch nach seiner Ansicht eine mögliche Regierung der Casa delle Libertà in einer Reihe von Punkten keine Gewähr der Zuverlässigkeit bieten würde. Dabei wird aber vergessen, dass seinerzeit, als die erste Regierung Berlusconi gestürzt werden sollte, der damalige Parteichef der Linksdemokraten, Massimo D'Alema, die Partei Umberto Bossis nachdrücklich umworben und sie geradezu ein "Lendenstück von der linken Seite" genannt hatte. Es bleibt dabei auch unerwähnt, dass die Lega eigentlich nur wegen des Pakts mit Berlusconi auf ihre Ziel verzichtet hat, den Norden abzutrennen, und sich jetzt mit einer weitgehenden Bundesstaatlichkeit nach deutschem Muster begnügen würde.

Bleibt also das Problem der Verträglichkeit des Wirtschaftsprogramms der Casa delle Libertà mit den Verpflichtungen, die Italien auf internationaler Ebene eingegangen ist: aber das ist ein künstliches Problem, weil aus den Erfahrungen vieler Länder, und zuerst der Vereinigten Staaten, klar wird, dass die Formel "Weniger Steuern, mehr wirtschaftliche Entwicklung" sehr wohl gelingen kann, ohne die Staatsfinanzen zu gefährden.

Der italienische Wahlkampf wird also hart werden und nicht frei von Tiefschlägen sein, auch solchen gerichtlicher Art, wie sie die Linke mit ihren vielen Freunden in der Richterschaft schon mehrfach - erfolglos - gegen Berlusconi führen wollte. Diese Wahlen werden jedenfalls blitzartig den Unterschied zwischen den entwickelteren Regionen des Nordens zeigen, wo die Casa delle Libertà in 90% der Wahlkreise siegen dürfte, den roten Regionen Mittelitaliens, wo das Mitte-Links-Lager ähnlich erfolgreich dürfte, und einem Süden, wo noch ein beträchtliches Durcheinander herrscht und neue Kleinparteien wie die von Antonio Di Pietro und die des ehemaligen Gewerkschafters Sergio D'Antoni, die das Zweiparteiensystem ablehnen, sich wahrscheinlich mit Erfolg eine Scheibe vom Kuchen der Wählerstimmen werden abschneiden können.

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