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Länderberichte

Brasilien in den BRICS 2014

von Friedrich Christian Matthäus

Zum VI. BRICS-Gipfel in Fortaleza

Brasiliens internationale politische wie wirtschaftliche Kontakte haben sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts stetig diversifiziert – sowohl auf dem lateinamerikanischen Kontinent als auch weltweit. Die wohl prominenteste Gruppierung, der das Land angehört, ist der Zusammenschluss der größten aufstrebenden Schwellenländer, welche bis 2050 die Volkswirtschaften der etablierten westlichen Industriemächte überholt haben sollen – den BRICS. Welche Rolle nimmt Brasilien innerhalb der Gruppe ein und welche Agenda verfolgen deren Mitglieder wirtschaftlich und politisch?

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Nachdem Brasilien bereits den II. BRIC-Gipfel 2010 in Brasília abhielt, war das Land nun in Fortaleza und Brasília kurz nach dem Ende der Fußball-Weltmeisterschaft erneut Gastgeber des jährlichen Treffens der Regierungschefs. Bereits auf dem V. Gipfel wurde beschlossen, eine gemeinsame Entwicklungsbank als Alternative zu den „von den westlichen Industriestaaten“ dominierten Weltfinanzinstitutionen des Bretton-Woods-Systems, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), zu etablieren. Schon lange vor Gründung der BRICS lamentierten die aufstrebenden Schwellen-und Entwicklungsländer über die Dominanz der Amerikaner und Europäer in den höchsten Ämtern dieser Institutionen, deren Kunden jedoch zumeist eben jene Entwicklungsländer sind. Die Tradition, nach der der Weltbankspräsident stets ein US-Amerikaner und der Geschäftsführende Direktor des IWF stets ein Europäer ist, gilt bis heute fort. Die Idee einer BRICS-eigenen Bank ist daher vor allem als Alternative zur Finanzierung interner Entwicklungsprogramme außerhalb der festen Regeln des Weltfinanzsystems zu sehen. Insbesondere unter Präsident Lula formulierte Brasilien scharfe Kritik an dieser „nördlichen Dominanz“.

Die Gründung der „Neuen Entwicklungsbank“ in Brasilien ist daher durchaus auch als Erfolg der brasilianischen BRICS-Diplomatie zu werten, da lauten rhetorischen Forderungen nun ein konkretes Projekt folgt. Wie sieht diese Bank genau aus und was sind ihre Aufgaben? Die Bank befindet sich im Aufbau und wird ihren Sitz in Schanghai nehmen, ein erster Hinweis auf die Dominanz Chinas auch innerhalb der BRICS-Länder. Jedes Land ist mit einer Stimme ohne Veto-Recht vertreten, sodass sich zumindest äußerlich der Gleichheitsgrundsatz durchgesetzt hat. Brasilien wird den Vorstandsvorsitzenden der Bank stellen und somit personell auch in den Anfangstagen eine lenkende Funktion innehaben. Insgesamt bringt jedes Land 10 Milliarden Dollar Startkapital ein, wobei sich das Bankkapital sukzessive auf bis zu 100 Milliarden Dollar wird erhöhen können. Interessant ist, dass zunächst nur die BRICS-Staaten selbst die Bank mit Kapital ausstatten – um eben eigene, nationale Entwicklungsprojekte durchsetzen zu können. Ab welchem Zeitpunkt andere Staaten am Kapitalfluss und an den Einlagen teilhaben dürfen, bleibt noch ungeklärt. Die BRICS-Bank ist also – ganz im Sinne Brasiliens – eine Entwicklungsbank von den BRICS für die BRICS mit der ausdrücklichen Perspektive, die Bank des Südens für den Süden zu werden.

Weniger öffentlichkeitswirksam, aber nicht minder unbedeutend ist die Initiierung des ab 2016 seine Aufgaben wahrnehmenden Contingent Reserve Arrangements, dem Fonds über Kapitalreserven. In seiner Funktion dem IWF nachempfunden, soll das System BRICS-Ländern in wirtschaftlich schwieriger Lage Währungsreserven über sogenannte Swaps bereitzustellen, um somit kurz-und mittelfristig die Liquidität eines Landes sicherzustellen. Das innerhalb der Neuen Entwicklungsbank geltende Gleichheitsprinzip kommt hier nicht mehr zur Geltung: Während Brasilien, Russland und Indien mit jeweils 18 Milliarden Dollar dem Fonds Kapital zur Verfügung stellen, trägt Südafrika lediglich fünf Milliarden und China ganze 41 Milliarden Dollar bei. Hieran lässt sich innerhalb der BRICS bereits die wirtschaftliche Relevanz erkennen: China dominiert das Bündnis wirtschaftlich bei weitem und erwirtschaftet ein Bruttoinlandsprodukt, das die aller anderen Partner zusammen genommen noch übersteigt: China ist heute die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, Brasilien und Russland folgen auf den Rängen sieben und acht, während Indien an zehnter Stelle rangiert. Weit abgeschlagen folgt Südafrika als bedeutendste Ökonomie Afrikas auf Platz 33 – die Erweiterung um Südafrika ist also keineswegs ökonomisch je begründbar gewesen, vielmehr brauchte die Gruppe die Legitimation, einen afrikanischen Staat ihr Mitglied nennen zu können. Auch die brasilianische Süd-Süd-Rhetorik sowie die immer wiederkehrenden Verweise der gemeinsamen geschichtlichen Verbundenheit mit Afrika fügen sich in dieses Bild.

Doch wie stark sind die BRICS untereinander wirtschaftlich verbunden? Der Blick auf die Statistik ist entlarvend: Lediglich China schafft es, mit allen anderen vier Partnern intensive und rege Handelstätigkeiten zu unterhalten. China ist spätestens seit 2013 für jeweils Brasilien, Russland, Indien und Südafrika der wichtigste Außenhandelspartner und ein nicht zu unterschätzender Investor, von dem je nach Land tausende nationale Arbeitsplätze abhängen. Umgekehrt jedoch ist der Handel zwischen allen anderen untereinander gering bis bedeutungslos, trotzdem steigt auch dieser rapide an. Die BRICS müssen also, um als tatsächliche wirtschaftliche Gestaltungsgruppe auftreten zu können, ihre Handelswege untereinander weiter diversifizieren. Die mit dem Geld der Entwicklungsbank zu finanzierenden Projekte können dabei als Hilfe zur Selbsthilfe sicherlich zu diversifizierteren internen Handelsströmen beitragen und die Dominanz Chinas zumindest etwas reduzieren.

Und wo stehen die BRICS politisch? Hier sind sie besonders im Zuge der aktuellen Konflikt-und Brandherde einflussreicher als es scheint. Brasilien hat zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland geschwiegen, um nun Profiteur des russischen Embargos gegen europäische, nordamerikanische, japanische und australische Agrarprodukte zu sein: Brasilien erhöht seine Exporte nach Russland um ein Vielfaches und geht somit als größter Rindfleischexporteur der Welt einen wirtschaftlich-pragmatischen Weg. Dass vom Embargo Brasiliens traditionelle Fleischerzeugerkonkurrenten Kanada und Australien betroffen sind, gibt Brasilien so auch bei der Preisbestimmung einen größeren Spielraum. Die einflussreiche brasilianische Agrarindustrie profitiert nun in ganz besonderer Weise vom BRICS-Pragmatismus.

Die BRICS sind also wirtschaftlich auf dem Weg, sich untereinander mit und trotz der Dominanz Chinas kontinuierlich weiter zu vernetzen. Mit neuen Instrumenten sind sie im Stande, eine Alternative zum westlich dominierten Finanzsystem aufzubauen und dies auch glaubhaft - wennschon zunächst nur für BRICS-interne Entwicklung - zu implementieren. Politisch geht von ihnen ein Pragmatismus aus, der westliche Politik teils aushebelt und Alternativwege aufzeigt. Brasiliens, unter der Ägide Lulas begonnene, Süd-Süd-Rhetorik nimmt mit den BRICS auf diese Weise immer deutlichere Konturen an.

Der Artikel erschien auch in der Zeitschrift Tópicos 3/2014 der Deutsch-Brasilianischen Gesellschaft e.V.

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