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Der G20-Gipfel in Korea - Reaktionen aus Brasilien

von Kathrin Zeller
„Der Währungskrieg geht weiter“. So titelte eine der auflagenstärksten Tageszeitungen Brasiliens, der Globo, am Tag nach dem Treffen der G20.

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Bereits im September hatte der Finanzminister Brasiliens, Guido Mantega, als erster von einem drohenden Währungskrieg gesprochen. Seither erschien der Begriff auf zahlreichen Titelseiten weltweit und wurde bereits im Vorfeld des Gipfels ausführlich diskutiert. Für Brasilien hat das Thema höchste Priorität, da das Land mit der am stärksten überbewerteten Währung, dem brasilianischen Real, zum Gipfel fuhr.

Erwartungen im Vorfeld

Der Real befindet sich bereits seit Monaten im Höhenflug. Lag der Wechselkurs Ende 2008 noch bei rund 0,45 US-Dollar befindet er sich heute bereits auf einem Stand von knapp 0,60 US-Dollar. Spekulationen und ein hoher Zufluss von ausländischem Kapital werden mit für den Anstieg des Real verantwortlich gemacht – zum Ärger der Exportsektoren des Landes. Brasilien hat in diesem Jahr bereits ein Außenhandelsdefizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit eine Steigerung um 190 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Durch den starken Real wurden nicht nur Investitionen aus dem Ausland angelockt, sondern auch ein Trend zu mehr Konsum der Brasilianer im Ausland ausgelöst. Als Maßnahme hatte die Regierung bereits den Satz der IOF (Imposto sobre Operações de Crédito), einer Steuer auf Finanzoperationen, die auf Kurs-, Kredit-, Versicherungs- und Wertpapiergeschäfte anfällt, zuerst Anfang Oktober von 2 auf 4 Prozent, und kurz darauf auf 6 Prozent angehoben. Doch bis auf eine leichte Abschwächung hat sich an der Tendenz zur Aufwertung bisher nichts verändert.

Doppelte Besetzung beim Gipfel

Das Treffen in Seoul wurde darüber hinaus für die frisch gewählte Präsidentin Dilma Rouseff zum ersten Auftritt auf internationaler Bühne. Sie wird ab 1. Januar 2011 das Amt übernehmen. Sie begleitete den aktuellen Präsidenten Lula zum Gipfel und wurde in der Runde der Staatschefs der G20 vorgestellt. Dilma nahm zwar noch nicht an den offiziellen Sitzungen teil, kündigte jedoch bereits öffentlich während des Gipfels an, bei den Maßnahmen der aktuellen Regierung zu bleiben. Als Reaktion auf die Bekanntgabe einer erneuten Geldmengenausweitung von 600 Milliarden US-Dollar in den Vereinigten Staaten und der damit einhergehenden Abwertung des Dollars erklärte sie, dass andere Länder die Rechnung Amerikas bezahlen müssten. Die forcierte Abwertung einer Währung bezeichnete sie als verdeckten Protektionismus. Angesichts der Situation werde Brasilien Maßnahmen ergreifen müssen, die sie jedoch noch nicht weiter konkretisieren wollte.

Der scheidende Präsident Lula war mit der Ankündigung zu seinem letzten G20-Gipfel angereist er sei „zu alt zum Streiten“. Mehrfach appellierte er an den Geist von Solidarität unter den Mitgliedsländern, der bisher innerhalb der G20 geherrscht habe. Spekulationen, die G20 sei als Gremium bereits gescheitert, widersprach er vehement. Vielmehr verwies er auf die Fähigkeit der Länder zur Diskussion und konterte mit der Aussage, dass sich selbst die Schwellenländer – in ihrer Rolle als Opfer der letzten großen Krise – innerhalb des Gremiums zur Debatte und Lösungsfindung bereit gezeigt hätten. Der Real habe sich um 80 Prozent gegenüber den Währungen der größten Handelspartner Brasiliens aufgewertet. Spekulationen bedrohten vor allem die Schwellenländer, welche flexible Wechselkursregime bräuchten, die die Wirtschaft der Länder wiedergäben. In seiner Rede nutze er die Gelegenheit, eine Bilanz seiner 8-jährigen Regierungszeit zu ziehen und hob die Erfolge der letzten Jahre hervor. Besonders erwähnte er Brasiliens Erfolg bei der Bewältigung der Weltwirtschaftskrise, die dank der Regierungsentscheidung zu einer Politik der Stärkung des Konsums im Inland innerhalb von nur sechs Monaten überstanden gewesen sei. Bezüglich der Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums erwähnte er zusätzlich, dass Brasilien die Milleniumsziele erreichen würde.

Mantega vs. Geithner

Brasiliens Finanzminister Guido Mantega fiel innerhalb der Konferenz als einer der Wortführer der Anschuldigungen gegen die Geldpolitik der USA, repräsentiert durch den Finanzminister der Vereinigten Staaten Timothy Geithner, auf und zweifelte damit direkt an der Aussage des US-amerikanischen Präsidenten Obama. Dieser hatte betont, dass was gut für die USA auch gut für die Welt sei, und betonte damit die Rolle der Vereinigten Staaten als Zugpferd der Weltwirtschaft. Obama hatte damit die Flutung der Märkte mit 600 Milliarden US-Dollar zu rechtfertigen versucht. Mantega führte hingegen an, die jüngsten geldpolitischen Eingriffe hätten negative Auswirkungen auf den Rest der Welt, vor allem durch die Aufwertung der Währungen der Schwellenländer. Die USA erfüllten mit der Abwertung des Dollar nicht ihre Verantwortung für eine Währung, die weltweit als Reservewährung genutzt werde. Letztlich zeigte er sich jedoch zufrieden, dass mit der Diskussion innerhalb des G20-Forums und der Brandmarkung des „Währungsdumpings“ moralische Sanktionen gegen die Länder mit künstlich niedrig gehaltenem Wechselkurs verhängt würden. Auf die Frage, was sich durch den Gipfel in der Praxis geändert habe, anwortete Mantega: „Länder, die bis zum nächsten Gipfel 2011 nichts getan haben, werden erklären müssen, warum“. Dies wertete er als großen Erfolg des Gipfels. Zudem zeigte er sich zufrieden mit der schnellen Unterzeichnung von Basel III innerhalb von nur zwei Jahren im Gegensatz zur Verabschiedung von Basel II, welche zehn Jahre bis zur Implementierung gedauert habe. Basel III erhöht die Mindesteinlagen von Eigenkapital für Banken von 8 auf 13 Prozent und soll so das staatliche bailing-out, also das Einspringen der Regierung im Falle einer Bankenkrise, verhindern.

Neustrukturierung des IWF

Die Einigung des Gremiums auf eine Neustrukturierung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zugunsten der Schwellenländer, darunter Brasilien, China und Indien, war bereits im Vorfeld bekannt geworden. Mit diesem Schritt soll die Struktur des IWF künftig auch die wirtschaftliche Bedeutung der aufstrebenden Staaten widerspiegeln. Brasilien wird zukünftig als zehntstärkste Macht innerhalb der IWF auftreten und zusammen mit den anderen so genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) über 15 Prozent der Stimmen sowie über ein Veto-Recht verfügen. Marco Aurélio Garcia, Berater des Präsidenten Lula, sieht in dem Organ bereits eine Art Finanzministerium der G20. Die Entscheidungen des IWF würden nach der Umstrukturierung von Finanzministern und Zentralbankchefs weltweit beobachtet werden und in deren Entscheidungen mit einfließen.

Die Resonanz zu Hause

In Brasilien selbst wurde der Gipfel vor allem in Hinblick auf die Ergebnisse zur Währungspolitik beobachtet. Während weitgehendes Einvernehmen darüber herrscht, dass die starke Überbewertung des Real abgebaut werden muss, sind sich nicht alle über die Mittel einig. Kritiker führen an, dass Brasilien keineswegs einer der Hauptleittragenden der US-amerikanischen Geldpolitik sei. Auch wenn durch die Entscheidung der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve eine Steigerung von Kapitalströmen nach Brasilien durchaus möglich ist, sei die Überbewertung vielmehr hausgemacht. Brasilien hält mit einem Leitzins von 10,75 Prozent einen Rekordwert und damit auch die Teuerung der Währung aufrecht. Dazu kämen andere Faktoren, wie die hohe Steuerlast, die zur Preissteigerung der Produktion und damit zu sinkender Wettbewerbsfähigkeit der brasilianischen Exportgüter auf dem Weltmarkt führten.

Negative Resonanz fand die Abwesenheit des Präsidenten beim letzten G20-Gipfel in Toronto. Dies habe beim Treffen in Seoul dazu geführt, dass Brasilien Teile seiner starken Position innerhalb des Gremiums habe einbüßen müssen. Der Präsident hatte seine Abwesenheit mit der Überschwemmung weiter Teile des Nordostens Brasiliens durch starke Regenfälle begründet, bei deren Hilfsmaßnahmen er hatte anwesend sein wollen. Allerdings hatten auch der Finanzminister Mantega sowie der Chef der Zentralbank, Henrique Meirelles, beim vorhergehenden Treffen der Minister in Gyeongju durch Abwesenheit geglänzt. Die Teilnahme, so wurde hinterher vermeldet, sei wegen des Endspurts der Präsidentschaftswahl sowie der Notwendigkeit der persönlichen Begleitung von nicht näher spezifizierten Maßnahmen zur Besteuerung von ausländischen Investitionen nicht möglich gewesen. Es handle sich dabei jedoch keinesfalls um einen Boykott, wie mancherorts vermutet wurde; vielmehr hätten innenpolitische Themen zu diesem Zeitpunkt Priorität gehabt. Die fehlende brasilianische Präsenz fiel vor allem deshalb ins Gewicht, weil diese bisher als Initiatoren und ambitionierte, aktive Teilnehmer gegolten hatten.

Die Aussicht auf 2011

Als „Viel Rhetorik, wenig konkrete Ergebnisse“ fasste die Zeitung o Globo letztlich den Gipfel zusammen. Damit bezieht sie sich in erster Linie auf den Umgang mit der Währungspolitik, für welche bisher keine verbindlichen Abmachungen getroffen wurden. Das Abschlusspapier, der so genannte „Seoul Action Plan“, beinhaltet hierzu zwar Absichtserklärungen, nennt jedoch keine konkreten Ziele oder Sanktionen für die Nichteinhaltung. Konkrete Schritte, auch zur Beobachtung der Länder auf ihre Krisenanfälligkeit hin oder Risikofaktoren innerhalb der Weltwirtschaft anhand verschiedener Indikatoren, wurden auf das nächste Treffen in Frankreich im kommenden Jahr verschoben.

Trotz allem brachte der Gipfel die Erkennung und Benennung von Problemen innerhalb der Teilnehmerländer als ersten Schritt zu deren Lösung. Hierzu gehört auch die Festlegung der Gruppe auf einen Wechselkurs, der vom Markt geleitet werden soll. Auch das Ziel, unilaterale Verhandlungen zu Handelsabschlüssen aufrecht zu erhalten, ist ein positives Signal für Brasilien, das vergleichsweise wenige bilaterale Handelsbeziehungen pflegt. Auch die Neustrukturierung des IWF liegt im Interesse Brasiliens. Die Umverteilung der Stimmrechte zugunsten der Schwellenländer spiegelt deren Potenz als Wirtschaftsmächte wieder und wird mit der Neupositionierung des Organs zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Nun bleibt abzuwarten, ob die Ankündigungen konkreter Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden oder ob es bei bloßen Lippenbekenntnissen bleibt. Dies wird sich jedoch erst 2011 in Frankreich zeigen – dann mit Dilma Rouseff als neuer Präsidentin.

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