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Länderberichte

Der neue ungarische Staatspräsident heißt Ferenc Mádl

von Josef Duchac
Frage: Was machen zwei Ungarn, wenn sie sich treffen?Antwort: Sie gründen drei Parteien.Diese Anekdote drängte sich dem auf, der am 05. und 06. Juni 2000 die Wahl zum ungarischen Staatspräsidenten verfolgte und dabei beobachten mußte, daß Ferenc Mádl – obwohl ohne Gegenkandidaten – drei Abstimmungesgänge zu seiner Wahl benötigte.

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Erinnern wir uns: Im Koalitionsvertrag war vereinbart, dass die Partei der Kleinlandwirte (FKgP) das Vorschlagsrecht zustand. Die Landesversammlung dieser Partei benannte am 29. April 2000 ihren Vorsitzenden Dr. József Torgyán, der aber die Kandidatur nicht annahm.

In Absprache mit dem Koalitionspartner FIDESZ-MPP wurde Prof. Dr. Ferenc Mádl als gemeinsamer Kandidat vorgeschlagen. Da auch der kleinste Koalitionspartner, das Ungarische Demokratische Forum (MDF), einverstanden war, schien die Einheit der Regierungskoalition gesichert. Auch breite Kreise der Opposition konnten sich vorstellen, Ferenc Mádl als ihren Staatspräsidenten zu sehen, so dass sie auf einen Gegenkandidaten verzichteten.

Die meisten Beobachter sahen die erforderlichen 258 Stimmen im ersten Wahlgang als gesichert an. Einige wenige erinnerten daran, dass die FKgP bei der Wahl 1995, als Ferenc Mádl Gegenkandidat zu Göncz war, sich der Stimme enthalten hatte. Dass eventuell noch Animositäten dasein könnten, wurde nicht sonderlich ernst genommen.

Tatsächlich aber fehlten dem Kandidaten im ersten Wahlgang sieben Stimmen. Opposition und Koalition beschuldigten sich gegenseitig und alle hofften, dass im zweiten Wahlgang am 06. Juni 2000 die Wahl erfolgen würde.

Das Ergebnis war enttäuschend, denn bei 14 ungültigen und 103 Nein - Stimmen reichten 238 Ja - Stimmen wiederum nicht. Erst im dritten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit der 386 Sitze ausreicht, wurde Ferenc Mádl mit 243 Stimmen gewählt.

Politiker und Journalisten, die ihre Enttäuschung über die Prozedur nicht verschweigen konnten, waren sich dennoch einig in der Beurteilung, dass trotz allem die Person Mádl beschädigt worden ist. Er wird ein würdiger Nachfolger von Àrpád Göncz sein.

Welchen Dienst dieser parlamentarische Prozess dem internationalen Ansehen Ungarns erwiesen hat, wird die Zukunft zeigen. Das Land ist auf dem Wege in die Europäische Union. In einigen Jahren werden Vertreter der ungarischen Parteien Mitglieder im Europäischen Parlament sein. Da ist die Frage erlaubt: Wie sicher sind die Koalitionsabsprachen? Die Wähler wollen, dass ihre Politiker in den Entscheidungen berechenbar sind.

Der am 06. Juni 2000 vereidigte Staatspräsident wird sie diesbezüglich nicht enttäuschen. Er war zwar nie Mitglied einer Partei, aber er hat immer gezeigt, wofür er steht. Deshalb berief ihn der erste Ministerpräsident nach der Wende im Jahr 1990 in seine Regierung. Bis 1993 wirkte er als Minister ohne Portefeuille, der sich mit Wirtschaftspolitik und Koordinierung der Regierungsarbeit befaßte. In dieser Eigenschaft war er am 06. Februar 1992 Mitunterzeichner des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa.

Ab 1991 war er darüber hinaus Regierungsbeauftragter für die Donaufrage (im Streit mit der Tschechoslowakei um die Kraftwerke). 1990-92 wirkte er weiterhin als Vorstandsvorsitzender der Staatlichen Vermögensagentur und überwachte daneben das Bankwesen. 1993-94 bekleidete er in der Antall – Regierung den Posten des Ministers für Kultur.

Der am 29.01.1931 geborene Professor und Lehrstuhlleiter für internationales Zivilrecht wurde nicht müde, sich für einen christlich-bürgerlichen Wertekanon zu engagieren und gründete den (Verband der bürgerlichen Zusammenarbeit).

Am 03. August 2000 wird er sein neues Amt antreten.

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Frank Spengler

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