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Eine Abfuhr für den Cavaliere

von Katja Christina Plate, Silke Schmitt

Zweite Runde der Provinz- und Kommunalwahlen in Italien

Bei den Stichwahlen am 29. und 30. Mai 2011 zu den italienischen Provinz- und Kommunalwahlen hat die Koalition von Ministerpräsident Berlusconi eine schwere Niederlage erlitten: Sieben von elf Großstädten werden ab sofort von der Opposition regiert, darunter die wichtigen Metropolen Mailand und Neapel.

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Wenige Tage vor der Stichwahl hatte Berlusconi auf der Internetseite seiner Partei „Popolo della Libertà“ (PDL, „Volk der Freiheit“) per Videobotschaft mitgeteilt, die Linke wolle aus Mailand das „Stalingrad Italiens“ machen; eine „islamische Stadt“ voller Zigeuner, belagert von „diesen Nicht EU-Bürgern“. Trotz - oder gerade wegen - Berlusconis Hetzparolen und Appellen an die „Vernunft“ der Mailänder, haben sich die Bürger der seit 18 Jahren Mitte-Rechts regierten Wirtschaftsmetropole für den Kandidaten des linken Lagers entschieden: Giuseppe Pisapia. Er setzte sich mit 55,1 Prozent der Stimmen klar gegen die Berlusconi-Kandidatin Letizia Moratti durch, die nur 44,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.

Italiens Jugend bestimmte die Wahl

Vor allem die jungen Wähler haben sich von den populistischen Parolen des Ministerpräsidenten nicht beeindrucken lassen: 54 Prozent der Wähler zwischen 18 und 24 Jahren stimmten nach Angaben der Wochenzeitung „L’Espresso“ in Mailand für den Links-Kandidaten Pisapia. Unter den 25- bis 34-Jährigen waren es sogar 65 Prozent der Wähler. Der Rechtsanwalt Pisapia, der u.a. von dem italienischen Schriftsteller Umberto Eco und dem Parteichef von „Sinistra, Ecologia e Libertà“ (SEL, „Linke, Ökologie und Freiheit“) unterstützt wurde, habe die „Generation Erasmus“ überzeugt, so das Wochenmagazin „L’Espresso“ weiter.

Auch in Neapel bestimmte die Jugend den Wahlausgang: Luigi de Magistris, der 44-jährige Kandidat der Partei „Italia dei Valori“ (IDV, „Italien der Werte“), konnte sogar 71 Prozent der Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren für sich gewinnen sowie 67 Prozent der 25- bis 34-Jährigen. Ingesamt erreichte der bislang relativ unbekannte Europaabgeordnete 65 Prozent der Stimmen und ließ damit den PDL-Kandidaten Giovanni Lettieri weit hinter sich.

In Cagliari auf Sardinien konnte sich der knapp 35-jährige Politik-Neuling Massimo Zedda von der Partei „Partito Democratico“ (PD, „Demokratische Partei“) durchsetzen. Gerade seine Unerfahrenheit im politischen Milieu hat vermutlich zum Erfolg geführt: Die Italiener haben genug von den immergleichen Gesichtern der italienischen Politik.

Die großen Parteien verlieren

Nicht nur Ministerpräsident Berlusconi hat verloren. Trotz des Erfolges von Cagliari auf Sardinien hat auch die PD Probleme: Gegen Pisapia und de Magistris waren ihre Wunschkandidaten chancenlos. Die Provinz- und Kommunalwahlen zeigen, dass die Wählerschaft einen Bruch mit dem „politischen Establishment“ der Vergangenheit gesucht und gefunden hat.

Die jungen Wähler sind enttäuscht von PDL und PD. Beide großen Parteien bieten keine glaubwürdigen Konzepte zur Lösung ihrer drängenden Fragen an: dramatisch schlechte Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt – insbesondere für Berufsanfänger; prekäre Arbeitsverhältnisse und Niedriglöhne; kurzum: fehlende Zukunftsperspektiven in Italien. Die Enttäuschung der jungen Wähler macht sich besonders im Mitte-Rechts Lager bemerkbar, da die Jungwähler 2005 mehrheitlich PDL-wählten. Aber auch die PD konnte diesmal eben nicht entscheidend profitieren, weil auch sie über kein überzeugendes Alternativkonzept insbesondere für die Probleme der jungen Italiener verfügt. Diese wählen daher lieber Protest.

Berlusconi nimmt Niederlage sportlich

„Wir haben uns ein Tor einfangen“, so Silvio Berlusconi nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Aber man habe noch „zwei Jahre Spielzeit“ vor sich.

Nach der Wahlniederlage kündigte Berlusconi zunächst eine Umstrukturierung seiner Partei PDL an: Der ehemaligen Kulturminister Sandro Bondi legte den Posten als PDL-Parteikoordinator freiwillig nieder, die beiden anderen Koordinatoren mussten anschließend ebenfalls ihren Hut nehmen. Nun soll Justizminister Angelino Alfano als alleiniger Koordinator der PDL die Sache richten. Es dürfte jedoch zu bezweifeln sein, ob diese Restrukturierung ausreicht, um die tiefer liegenden Ursachen der Niederlage bei den Provinz- und Kommunalwahlen wirksam anzugehen.

Auch das Verhältnis zur Lega Nord, dem Koalitionspartner der Regierung Berlusconi, ist nach der Wahlschlappe stark belastet. Bei den Wahlen verlor die Lega Nord alle ihre Hochburgen, außer Varese und Montebelluna. Umberto Bossi, Parteivorsitzender der Lega, hatte bereits nach dem ersten Wahlgang bemerkt, mit Berlusconi könne man nicht mehr gewinnen. Damit hängt ein großes Fragezeichen über der Regierungskoalition in Rom. Da sich jedoch kein anderer Koalitionspartner für die Lega abzeichnet und bei vorgezogenen Neuwahlen im Moment eher weitere Verluste drohen, muss man es weiter mit der PDL versuchen. In ersten Gesprächen konnten sich die Koalitionäre darauf verständigen, bis 2013 nun endlich eine überzeugende Steuerreform durchzusetzen. Nach Ansicht der Lega hat – neben den diversen Skandalen und Prozessen Berlusconis – vor allem das fehlende Steuerkonzept zum Wahldebakel geführt.

Richtungweisendes Referendum

Schon in wenigen Tagen geht Italien erneut an die Wahlurne: Für den 12. und 13. Juni 2011 ist ein Großreferendum angesetzt: Die Italiener haben über die Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung, den Atomausstieg und ein Gesetz abzustimmen, das es Regierungsmitgliedern erlaubt, Strafprozessen fernzubleiben, wenn sie „berechtigt verhindert“ sind. Ein weiteres maßgeschneidertes „Berlusconi“-Gesetz.

Nach Einschätzung des italienischen Soziologen Renato Mannheimer, würde eine Niederlage bei den Referenden die sich bereits andeutenden Brüche in der Regierungskoalition weiter verstärken. Die Opposition muss nun vor allem versuchen, mehr als 50 Prozent der Wähler zur Stimmabgabe zu mobilisieren – ansonsten bleibt das Referendum ungültig. Berlusconi hingegen bezeichnete das Referendum bereits im Vorfeld als „unnütz“. Die Regierungskoalition tut alles, um dem Referendum möglichst wenig Beachtung zukommen zu lassen. Man hofft damit auf das Scheitern der Abstimmung an der 50 Prozenthürde.

Bei dem Provinz- und Kommunalwahlen haben insbesondere die jungen Wähler Berlusconi eine klare Abfuhr erteilt. Ob daraus eine Richtungsentscheidung wird, könnte sich bereits bei den Referenden Mitte Juni herausstellen.

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23. Mai 2011
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