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Gemeinsam oder entzweit?

von Katja Christina Plate, Silke Schmitt

Die unklare Zukunft der Berlusconi-Partei

Tauben, Alfaniani, Dissidenten, Verräter oder „Spalter“ – die italienischen Medien wissen noch nicht, wie sie die Parteigruppierung nennen sollen, die sich hinter PDL-Generalsekretär Angelino Alfano und gegen Silvio Berlusconi stellt. Alles Taktik oder historischer Neuanfang? Auch dies bleibt noch unklar.

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„Wir werden Berlusconi stets verteidigen“, betonten verschiedene Politiker aus den Reihen des „Popolo della Libertà“ (PDL, dt. „Volk der Freiheit“), die sich am späten Mittwochabend (2. Oktober) nach ihrem Treffen mit Generalsekretär Angelino Alfano der Presse stellten. Auch der ehemalige Präsident der Region Lombardei, Roberto Formigoni, benutzte ähnliche Worte. Es schien, als habe man sich auf eine Sprachenregelung geeinigt. Er habe vorgeschlagen, eine autonome Gruppe im Senat zubilden und dieser Vorschlag werde nun parteiintern geprüft, so Roberto Formigoni. Er hatte auch schon einen möglichen Namen für die neue PDL-Formation parat: „I Popolari“ (dt. „Die Volksnahen“).

Keine zwölf Stunden später ist dieses Projekt vorerst auf Eis gelegt. Aber die Umstrukturierung der Partei offensichtlich nicht. Im Interview mit der Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“ wiederholte Roberto Formigoni die drei wichtigsten Maßnahmen der „neuen PDL“: Unterstützung der Letta-Regierung, Aufbau einer demokratischen Parteistruktur – von unten nach oben – und eine klare Ausrichtung an den Werten der Europäischen Volkspartei (EVP).

Die Anti-Europa-Stimmungsmache, die in den letzten Monaten durch Silvio Berlusconi selbst, aber auch etliche andere Exponenten seiner „Falken“ in regelrechten Medienkampagnen betrieben wurde, war offensichtlich einer der programmatischen Beweggründe, die die Spaltung des Berlusconi-Lagers vorantrieben. Generalsekretär Angelino Alfano hatte sich bereits im Juni klar pro-europäisch positioniert, als er den Vorsitz der christdemokratischen „Fondazione De Gasperi“ übernommen hatte. Damals wurde noch spekuliert, Angelino Alfano wäre von Silvio Berlusconi als Garant für die europapolitische Linie der PDL vorgeschickt worden, um taktisch den Verbleib der Partei in der EVP zu sichern. Schnell wurde jedoch klar, dass Angelino Alfano offensichtlich ein ehrliches Interesse daran hat, einen pro-europäischen Kurs einzuschlagen. Und mit ihm viele andere Politiker aus dem Mitte-Rechts-Lager.

PDL oder „Forza Italia“?

Zurück zum politischen Projekt „I Populari“. Laut Roberto Formigoni wurde die Gründung einer neuen Gruppe nur deshalb verschoben, weil man einen „dialogbereiten Berlusconi“ vorgefunden habe. Von der „Forza Italia“ (FI, dt „Vorwärts Italien“) sprach jedoch niemand mehr. Dabei hatte Silvio Berlusoni seit Wochen deren Wiedergründung aus der PDL heraus betrieben und bereits eine neue Parteizentrale eingerichtet an der das „Forza Italia“-Emblem prangt. Dieses Emblem jedoch ist bereits von zahlreichen Facebook- und Twitter-Accounts verschiedener Mitte-Rechts-Politiker verschwunden, die es in den letzten Wochen noch gehorsam verwendet hatten.

Am Mittwochabend (2. Oktober) harrten nun die italienischen Journalisten vor der römischen Residenz Silvio Berlusconis aus und zählten die Getreuen, die dem ehemaligen italienischen Premierminister in den schweren Stunden nach seiner herben Niederlage im Senat zur Seite standen: Gianni Letta, der ihn während seiner Zeit als Ministerpräsident stets als ranghöchster Staatssekretär beraten hat; Die PDL-Abgeordnete Daniela Santachè, die sich für Berlusconi in fast allen TV-Shows leidenschaftlich einsetzt; Und Roberto Brunetta, der PDL-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus und Sprachrohr der „Falken“. Später sollen zwar noch einige weitere Politiker hinzugekommen sein, bei der zeitgleich stattfindenden Gegenveranstaltung der sogenannten „Tauben“ trafen sich nach Angaben von Roberto Formigoni rund 70 Sympathisanten der Parteilinie, die von Angelino Alfano vorangetrieben wird. Während die „Alfaniani“ also berieten und eine neues Profil diskutierten, standen auch hier die Journalisten, die in einer Art Feldanalyse zu verstehen versuchten, was da gerade auf der politischen Bühne Italiens passierte. Und vor allem: Was Silvio Berlusconi zu seiner dramatischen Kehrtwende im Senat bewogen haben könnte.

Verschiedene Versionen, unklare Perspektiven

In den italienischen Zeitungen kursierte am Tag nach dem Abstimmungs-Debakel Silvio Berlusconis das Bild des PDL-Koordinators Denis Verdini. Als „Falke“ hatte er in den letzten Wochen die Spaltung zwischen der PDL und der Letta-Regierung vorangetrieben, nun musste Dennis Verdini dem offensichtlich verzweifelten Silvio Berlusconi am Mittwochmittag im Senat nahelegen, den Kurs kurzfristig zu ändern und seine Partei dazu aufzurufen, der Regierung Letta das Vertrauen auszusprechen.

Nach Angaben von „La Stampa“ hat Silvio Berlusconi dann Angelino Alfano anrufen lassen, um ihm mitzuteilen, er werde persönlich in der Senatsaula aufstehen und sagen, dass die ganze Partei der Regierung ihr Vertrauen aussprechen solle. Angelino Alfano habe jedoch im Gegenzug versprechen müssen, die Partei nicht zu spalten. „Il Foglio“ hingegen spricht von einem Pakt: Die „Falken“, also Berlusconis treueste Anhänger wie Renato Brunetta und Daniela Santanchè, bekommen die Forza Italia. Die „Tauben“ um Angelino Alfano und Staatsminister Gaetano Quagliariello übernehmen die PDL. Beide Parteien würden forthin unter der „geistigen Führung“ des „edlen Vaters“, Silvio Berlusconi agieren. Welche Version nun richtig ist, kann kein Beobachter gegenwärtig sagen.

Am heutigen Freitag (4. Oktober) steht die letzte Sitzung des Immunitätsausschusses des italienischen Senats an. In den darauf folgenden Tagen muss dann das Plenum des Senats über die Frage abstimmen, ob Silvio Berlusconi sein Mandat als Senator weiter ausüben darf, oder nicht. Manche Beobachter glauben, dass Silvio Berlusconi die Letta-Regierung nun dennoch weiter unter Druck setzen wird, um seine Immunität zu behalten. Die gewonnene Vertrauensfrage sei im Grunde nur ein „Gefallen“ gewesen und Silvio Berlusconi erwarte nun ein „Gegengeschenk“.

Ob Premierminister Letta, der den Mittwoch als „historischen Tag“ bezeichnete, zum Austausch von „Geschenken“ bereit ist, ist fraglich. „Berlusconi gehört der Vergangenheit an“, so Enrico Letta, denn „die Zukunft der PDL liegt in den Händen von Alfano“. Es bleibt also weiter spannend in Italien. „Nun werden die Hemdsärmel hochgekrempelt und weiter geht es bis 2015“, erklärte Enrico Letta seine Prioritäten. Italien wäre es zu wünschen.

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4. Oktober 2013
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