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Länderberichte

Irritationen um NEPAD

Afrikas Marshallplan auf dem Prüfstand

Unerwartete und widersprüchliche Aussagen verschiedener Mitglieder der südafrikanischen Regierung über Art und Umfang des sogenannten African Peer Review Mechanism (APRM) erschütterten Diplomaten und Beobachter des NEPAD-Prozesses (New Partnership for Africas Development) wenige Tage vor dem wichtigen NEPAD-Gipfel in Abuja (Nigeria) am 03. November 2002.

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Am 28. Oktober überraschte zunächst Vize-Außenminister Aziz Pahad die Öffentlichkeit mit seinen Äußerungen zum APRM. Er sagte, der APRM als Teil von NEPAD werde nur eine Begutachtung auf wirtschaftlicher Ebene, nicht aber auf politischer Ebene umfassen. Die politische Seite solle von Organen der Afrikanischen Union (AU) wie dem Afrikanischen Parlament, dem Afrikanischen Gerichtshof oder dem Rat für Politik und Sicherheit abgedeckt werden und somit von NEPAD unabhängig sein. Diese Erklärung steht im Widerspruch zu Aussagen, die zuvor von Seiten der NEPAD und seiner Mitglieder getätigt wurden.

Die Überraschung war noch größer, als sich Präsident Thabo Mbeki hinter seinen Vize-Außenminister stellte und erklärte, NEPAD sei ein ausschließlich sozioökonomisches Programm und deshalb sollten sich die Begutachtungen (peer reviews) auf sozioökonomische Aspekte beschränken. Für Aspekte von Demokratie und Menschenrechten seien Organe der AU wie die Afrikanische Kommission für Völker- und Menschenrechte (African Commission for People's and Human Rights) und das Panafrikanische Parlament (Pan African Parliament) zuständig – diese Organe müssen sich allerdings erst noch konstituieren.

Zuvor hatte Wiseman Nkuhlu, Vorsitzender des NEPAD-Sekretariats und Mbekis Berater in Wirtschaftsfragen, versichert, dass die Begutachtung von Regierung und Politik auch weiterhin ein Teil des APRM seien, da dies von NEPAD so festgelegt worden sei und es keine gegenteiligen Beschlüsse gebe. Ähnlich äußerte sich auch Vize-Präsident Jacob Zuma, der offenbar nicht über die aktuelle Entwicklung informiert war und Stunden nach Mbekis Statement, in augenscheinlicher Unkenntnis der Aussagen seines Präsidenten, die politische Begutachtung als wesentlichen Teil des APRM bezeichnete und bei der Interpretation von Pahads Aussage von einem Missverständnis ausging.

Ziele und Strukturen von NEPAD/AU

Im Juli 2001, auf dem 37. Gipfel des Staats- und Regierungschefs der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU, seit eben diesem Gipfel: Afrikanische Union, AU) in Lusaka/Sambia wurde NEPAD ins Leben gerufen. NEPAD zielt darauf ab, durch mittel- und langfristige Maßnahmen in Politik und Wirtschaft, Afrika auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung weiter voranzubringen. Wesentliche Ziele sind makroökonomische Stabilität, ein transparenter Rahmen für Finanzmärkte, Bereitstellung öffentlicher Güter und Förderung des infra-afrikanischen Handels und Investitionen.

Dabei will man sich an der OECD orientieren. Zur Zeit gehören 15 Staaten der NEPAD an, eine Erweiterung ist geplant. NEPAD versucht, international auf sich aufmerksam zu machen und so die Unterstützung der Industrienationen, insbesondere der G-8, zu gewinnen, will aber selbst für die Ausgestaltung seiner Zukunft verantwortlich sein. Verbesserte demokratische, politische, ökonomische und gesellschaftliche Regierungspolitik und die Beendigung von Konflikten werden als wesentliche Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und damit für den Erfolg von NEPAD betrachtet.

Um diese Voraussetzungen zu fördern, wurde bereits auf dem ersten Treffen des NEPAD-Implementierungskommittees der Staats- und Regierungschefs (Heads of State and Government Implementation Committee, HSGIC) der grundsätzliche Beschluss gefasst, ein System der gegenseitigen Begutachtung (peer review) auf politischer und ökonomischer Ebene einzuführen.

Beim nächsten HSGIC-Treffen im März 2002 wurde der African Peer Review Mechanism (APRM) beschlossen und im Juni 2002, beim HSGIC-Treffen in Rom durch eine "Declaration on Democracy, Political, Economic and Corporate Governance" ergänzt. Der AU-Gipfel in Durban empfahl schliesslich allen AU-Mitgliedern, die "Declaration" anzunehmen und sich am APRM zu beteiligen. APRM ist also ein Teil von NEPAD, steht aber nicht nur den NEPAD-Mitgliedern, sondern allen AU-Mitgliedern offen. Beim 5. NEPAD HSGIC-Treffen am 3. November in Abuja/Nigeria unterzeichneten 12 Staaten eine Absichtserklärung bezüglich APRM - weitere sollen folgen.

Die ersten Reviews sollen im April 2003 beginnen. Achtzehn Monate, nachdem ein Land dem APRM beigetreten ist, soll ein Basis-Review durchgeführt werden. Danach folgen obligatorische Begutachtungen alle drei bis fünf Jahre. Die Reviews sollen beratende, nicht bestrafende Funktion haben. In allen bisherigen NEPAD- und APRM-Dokumenten wurde von einem umfassenden Review gesprochen: Es soll sowohl eine Begutachtung wirtschaftlicher Aspekte, als auch eine Begutachtung politischer Aspekte und der Regierung geben. Bezüglich der Reviews ist zu beachten, dass die APRM-Standards als Ziele und nicht als Voraussetzungen anzusehen sind. Mängel in Demokratie und Menschenrechten stellen also keine Hürde vor einer NEPAD-Mitgliedschaft dar, wohl aber kann ein Mangel an Veränderungsbereitschaft zu einem Problem für NEPAD werden.

Differenzen um Implementierung

Ein erster Plan wurde bei einem Implementierungsworkshop im August 2002 in Addis Abeba entworfen. Die UN Economic Commission for Africa (UNECA) und die African Development Bank (ADB) sollten anschließend Indikatoren und Maßstäbe für die Begutachtungen entwerfen.

Beim nächsten Workshop im Oktober 2002 in Kapstadt stellte sich jedoch heraus, dass diese Aufgabe viel komplexer war als erwartet und außerdem auf Seiten der UNECA ein Mangel an Expertise im Bereich Menschenrechte und Demokratie besteht. Aus diesem Grund wurde die endgültige Festlegung der Kriterien auf Februar 2003 verschoben. Die UNECA schlug außerdem eine Zwei-Wege-Lösung vor:

Das Panel of Eminent Persons soll Personen und Institutionen benennen, die die politische Begutachtung übernehmen. Das Panel soll aus Experten von Panafrikanischen Institutionen, wie z.B. dem Pan-African Parliament, der Commission on Human and Peoples' Rights und dem Economic, Cultural and Social Council (ECOSOC) bestehen. Allerdings befinden sich sowohl das Parlament als auch ECOSOC noch in der Planung und existieren also noch gar nicht. UNECA selbst will sich um die wirtschaftspolitischen Fragen kümmern und die ADB soll sich auf Banken und Finanzstandards konzentrieren. Die Organisation und Informationssammlung soll vom eigenen APRM-Sekretariat übernommen werden.

Bereits in diesem Plan kündigt sich die Trennung zwischen dem politischen und dem ökonomischen Review an. Allerdings war nie eine völlige Loslösung der politischen Begutachtung vom APRM-Prozess vorgesehen, wie sie nun von Pahad und Mbeki verkündet wurde.

Die derzeitige Verwirrung über die Ausgestaltung der Reviews gründet sich in Konflikten, die bereits seit Gründung des APRM bestehen. Südafrika hätte die UNECA gerne als Basis für den gesamten APRM gesehen. Nigeria widersprach dieser Position auf dem AU-Gipfel und gleichzeitigem HSGIC-Treffen in Durban und vertrat die Ansicht, die UNECA sei ungeeignet, da sie nicht afrikanisch sei und die Interessen der Industrienationen, der Weltbank und des Internationalem Währungsfonds vertrete.

Nigeria selbst hat bereits 1993 die Conference on Security, Stability, Development and Cooperation in Africa (CSSDCA) unter dem Dach der AU ins Leben gerufen, die ebenfalls einen Peer Review-Prozess vorsieht. Nigerias Bestrebungen gehen dahin, CSSDCA und APRM zu harmonisieren, indem die CSSDCA-Einheit der AU-Kommission den gesamten Peer Review-Prozess koordiniert. Der Konflikt wurde zum ersten Mal deutlich, als es um die Frage ging, ob das APRM-Sekretariat bei der UNECA (so beschlossen beim HSGIC-Treffen in Rom) oder bei der AU (so vorgesehen im anschließend veröffentlichten APRM-Dokument) angesiedelt sein sollte.

Überzogene Erwartungen

Die nun vom südafrikanischen Präsidenten und Vize-Außenminister vorgeschlagene Lösung ist als Kompromissvorschlag zu betrachten (eigener APRM-Review durch UNECA und ADB für die ökonomischen Aspekte, politischer Review unter dem Dach der AU) und zollt darüber hinaus den erheblichen praktischen Problemen Tribut, die beim Workshop in Kapstadt deutlich wurden.

In der Tat sind einige Experten der Ansicht, dass die Erwartungen der Weltöffentlichkeit, insbesondere der G-8, an den APRM zu hoch waren. Man hoffte auf umfassende Reviews mitsamt der Möglichkeit von Sanktionen gegen Länder, die die Standards nicht erfüllen. Die OECD nimmt zwar Peer Reviews vor, diese sind aber partnerschaftlich und basieren auf gegenseitigem Vertrauen und Verständnis.

Innerhalb der EU gibt es z.B. überhaupt keine solchen Begutachtungen. Man kann nach Ansicht der Experten deshalb kaum erwarten, dass ausgerechnet Afrika, wo Demokratie weniger etabliert ist, strengere Maßstäbe übernimmt. Der APRM an sich stellt schon einen großen Fortschritt dar, da durch ihn mit der alten Regel gebrochen wird, dass afrikanische Länder einander nicht öffentlich kritisieren. Es ist allerdings bislang auch noch nicht klar, wie stark der Druck sein wird, der durch den APRM ausgeübt werden soll bzw. wird.

Die Nachricht, dass der politische Review nun ganz aus dem APRM ausgeschlossen werden soll, hat starke Reaktionen hervorgerufen. Einerseits werden - wie bereits erwähnt - die politischen Aspekte als untrennbar mit den ökonomischen Aspekten verbunden angesehen und beide Seiten sind von entscheidender Bedeutung für NEPAD. Andererseits erwarten die geldgebenden Nationen, die NEPAD unterstützen, auch eine Verbesserung in Fragen der Demokratie und Menschenrechte auf dem afrikanischen Kontinent als Gegenleistung für die finanzielle Unterstützung.

Reaktionen und Befürchtungen

Besonders irritiert war die Öffentlichkeit über Mbekis Aussage, dass der APRM von vorneherein nur jene sozioökonomische Aspekte einschließen sollte, da ausschließlich solche Aspekte für NEPAD relevant seien. Es habe niemals einen Vorschlag gegeben, der vorsah, dass ein Peer Review-Prozess die Arbeit der Menschenrechtskommission übernehmen sollte.

Diese Aussage steht in eindeutigem Gegensatz zu z.B. dem NEPAD-Dokument vom Oktober 2001 (HSGIC-Treffen in Abuja), in dem es wörtlich heißt: Das Komitee "stimmte überein, dass Afrikanische Führer Parameter für Good Governance festlegen sollen, die ihre Aktivitäten sowohl auf politischer als auch auf ökonomischer Ebene lenken sollen. Mit Bezug darauf entschied es das Komitee, dass bei seinem nächsten Treffen über einen angemessenen Peer Review-Mechanismus und ein Prozedere beraten und entscheiden wird."

Ein späteres Dokument vom Juli 2002 sah als ersten Schritt für den APRM eine Untersuchung der politischen, volks- und betriebswirtschaftlichen Regierungspolitik sowie eine Begutachtung der Entwicklungsumgebung vor. Außerdem hatte Vize-Außenminister Pahad selbst noch im September vor dem US-Repräsentantenhaus über das Thema gesprochen und keinen Zweifel an einem politischen Review gelassen.

Insgesamt wird erwartet, dass das neue APRM-Konzept zu einer Verwässerung des gesamten NEPAD-Prozesses führen wird und schwere negative Auswirkungen auf die Unterstützung durch die G-8 haben wird, die den APRM zuvor als "ein innovative und potenziell entscheidendes Element bei der Erreichung der Ziele von NEPAD" bezeichnet hatten. Kritiker sagen, dies sei bereits der dritte Schritt zurück: Der erste war die Erklärung, APRM erfolge auf freiwilliger Basis, der zweite die Entscheidung, dass es keine Strafmaßnahmen aufgrund der Reviews geben wird.

Bezüglich der Organe der AU, die nun den politischen Review durchführen sollen, besteht die Befürchtung, dass sie nicht im gleichen Maße unabhängig, machtvoll und wirksam arbeiten können, wie es bei einem APRM-Review der Fall wäre. Ein solcher Review wird vermutlich auch weniger Druck ausüben. Außerdem muss beachtet werden, dass die meisten dieser Organe noch gar nicht existieren (s.o.).

Klare Stellungnahme Südafrikas

Nach dem HSGIC-Treffen in Abuja gab die südafrikanische Regierung am 6. November bekannt, dass der endgültige Beschluss über APRM wie folgt laute: Es wird eine politische Begutachtung auf freiwilliger Basis unter dem Dach von NEPAD geben, bis die AU-Organe soweit etabliert sind, dass sie diese Aufgabe übernehmen können. Danach sollen die Reviews durch die AU für alle Staaten obligatorisch sein. Am selben Tag schrieb Präsident Mbeki einen Brief an den kanadischen Premierminister und derzeitigen G-8-Vorsitzenden Jean Chretien. Zuvor hatte dieser seinerseits an Mbeki geschrieben und der Sorge der G-8 über die aktuellen Entwicklungen bezüglich des APRM Ausdruck verliehen.

Mbeki äußerte in seinem Brief zunächst Dankbarkeit der Afrikaner für die Unterstützung durch die G-8. Er stellte heraus, dass Fortschritt im Bereich Good Governance ein wichtiges Ziel der Afrikaner sei und dass man alles tun werde, um die diesbezüglich gesetzten Ziele zu erreichen. Seine Aussagen bezüglich des APRM seien falsch interpretiert worden. Aus seiner Sicht stellt die AU den wichtigsten institutionellen Rahmen für die Verwirklichung der Ziele dar. NEPAD ist das sozioöknomische Entwicklungsprogramm der AU und man kann NEPAD nicht getrennt von der AU betrachten. NEPAD und die AU sind niemals voneinander unabhängig gewesen. Die AU besteht aus einer Reihe von Organen und NEPAD könne in seinem Peer Review Mechanismus nicht die Aufgaben der anderen Organe übernehmen.

Mebki führte weiter aus, er habe nie gesagt, dass politische Fragen aus dem APRM ausgeschlossen werden sollen, aber NEPAD sei nicht das einzige verfügbare Mittel. Es sei völlig falsch, wenn NEPAD die anderen Institutionen ignorieren und sich damit über kontinentales Recht stellen würde. Statt dessen solle NEPAD von den Beiträgen der anderen Institutionen zehren. Würde man den gesamten APRM-Prozess auf NEPAD übertragen, so würde sich das Eltern-Kind-Verhältnis zwischen AU und NEPAD umkehren, was das Ende der AU wäre. Außerdem müsse die politische Begutachtung gerade deshalb unter dem Dach der AU stattfinden, weil sie so wichtig ist, dass man sie nicht einem Organ überlassen könne, bei dem die Mitgliedschaft freiwillig ist. Die politische Überwachung dürfe nicht freiwillig sein.

In einem weiteren Brief wendete sich Mbeki in "ANC Today" am 8. November an sein eigenes Volk. Er wehrte sich darin gegen die Unterstellung, die neuen Entwicklungen rund um APRM bzw. NPRM (NEPAD Peer Review Mechanism) seien das Ergebnis geheimer Absprachen mit Lybien und Nigeria.

Scharfe Kritik ging an die Adresse derjenigen die sich laut Mbeki als die "größten Champions auf dem Gebiet der Demokratie und Menschenrechte in Afrika" gebärden und seine Politik abfällig als "African politics as usual" bezeichnet haben. Er unterstrich noch einmal seine Ansicht, dass der politische Review unbedingt unter dem Dach der AU stattfinden muss, da er in direkt em Bezug zu den Prinzipien des "Constitutive Act" der AU steht und nicht auf freiwilliger Basis erfolgen sollte.

Mbeki berief sich auch auf die Definition, die die OECD für Peer Reviews festgelegt hat und an der sich der NPRM orientiert. Auf Basis dieser Definition sei ein politischer Review der Gefahr von Kuhhandeln zwischen den beteiligten Staaten ausgesetzt.

Alles in allem wiederholte Mbeki die wesentlichen Inhalte des ersten Briefs in einem erheblich schärferen Ton und schloss mit den Worten: "Schlechtinformierter Rat, begründet auf Ignoranz und verächtlichen Vorurteilen bringt das Erreichen dieser Ziele nicht voran und wird es nie voranbringen."

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Moritz Sprenker

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Trainee im Auslandsbüro Südafrika und Praktikumsbeauftragter

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