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Länderberichte

Israel am Pranger

von Dr. h. c. Johannes Gerster

Ist Zionismus gleich Rassismus?

Vor und während der Weltkonferenz gegen Rassismus Anfang September 2001 in Durban, Südafrika, wurde insbesondere von der Arabischen Liga der Versuch unternommen, mit Hilfe der 55 moslemisch geprägten Staaten der Welt, das sind 28% der Staatengemeinschaft, den Zionismus als Rassismus deklarieren zu lassen. Dieser Versuch war nicht neu.

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Bereits 1975 hatte die UN-Vollversammlung den Zionismus als "eine Form von Rassismus und rassischer Diskriminierung" verurteilt. Diese Resolution hat die UN-Vollversammlung im Dezember 1991 allerdings annulliert.

Ziel der neuerlichen Initiative war natürlich weniger der Zionismus des 19. Jahrhunderts, der auch unter Juden immer umstritten war.

Eindeutiges Ziel war es vielmehr, dem jüdischen Staat, jegliche moralische Legitimation abzusprechen: Deklariert die internationale Staatengemeinschaft den Zionismus als Form des Rassismus und war der Staat Israel das Ergebnis einer rassistischen Bewegung, kann man diesem Staat das Existenzrecht absprechen.

Selbst einigen arabischen Staaten erschien dieser pseudo-historische Kurzschluss zuviel des Unguten und so wurde in der Debatte eine weitere Argumentation nachgeschoben: Nicht nur die Ideologie des Zionismus, sondern auch ihr Ergebnis, der Staat Israel, verfolge vor allem gegen das Palästinensische Volk rassistische Ziele.

Beide Behauptungen - der Zionismus als Ideologie und die vermeintlich rassistische Politik des Staates Israel - sind zu wiederlegen.

Der Zionismus entstand im 19. Jahrhundert als politische und soziale Bewegung zur Errichtung eines jüdischen Staates im damals äußerst dünn besiedelten Palästina. Er stand im Zusammenhang mit dem Aufkommen des - auch jüdischen - Nationalismus in Europa und des modernen Antisemitismus, welcher zu vielfältigen Judenverfolgungen und Pogromen führte.

Er fand Anklang bei Teilen der osteuropäischen Juden, insbesondere im zaristischen Russland, wo die Emanzipation der Juden unterblieben war, während die Juden Westeuropas den Zionismus zunächst weitgehend ablehnten.

Der Zionismus gründet auf 3 Grundannahmen:

  • Die Juden sind ein Volk, nicht nur eine Religionsgemeinschaft; die Judenfrage ist daher eine nationale Frage.
  • Der Antisemitismus und die daraus folgenden, lebensbedrohenden Judenverfolgungen sind eine ständige und überall vorhandene Gefahr für die Juden.
  • Palästina - das "Land Israel" - war und ist die Heimat des jüdischen Volkes.
Zusammengefasst:
Der Zionismus war eine national-jüdische Bewegung auf internationaler Grundlage, welche die Lösung der damals sogenannten Judenfrage durch die Gründung bzw. Wiedererrichtung eines jüdischen Staates in Palästina anstrebte.

Der Zionismus war nicht gegen andere Völker gerichtet. Er diente dem Schutz und der Existenzsicherung des eigenen Volkes. Dies beweisen die Einwanderungsgründe der Juden, die seit 1881 Palästina erreichten.

Die erste Einwanderungswelle (1881 - 1904)
20.000 bis 30.000 Menschen
Die 1. Einwanderung lässt sich als Folge der Judenpogrome der Jahre 1882 - 1884 in Osteuropa verstehen. Die ersten Einwanderer kamen demzufolge aus Russland und Rumänien.

Die 2. Einwanderungswelle (1904 - 1914)
35.000 - 40.000 Menschen: Diese Einwanderungswelle ist als Resultat der Judenpogrome von Kischinew (April 1903) bzw. der Judenverfolgungen nach dem Russisch - Japanischen Krieg (1904/1905) und der gescheiterten Revolution von 1905 anzusehen.

Die 3. Einwanderungswelle (1919 - 1923)
35.183 Menschen: Rund 85% der Einwanderer kamen aus Russland und Polen und waren von den Ereignissen der russischen Oktoberrevolution geprägt. Andere kamen vor allem aus der Türkei (Judenvertreibung am Ende des 1. Weltkrieges), aus dem Jemen und dem Irak.

Die 4. Einwanderungswelle (1924 - 1931)
81.613 Menschen: Man spricht von der Grabatsky-Aliya, benannt nach dem polnischen Premierminister, auf dessen harsche ökonomische Verordnungen gegen Juden viele polnische Juden das Land verließen. 1924 hatten die USA neue Restriktionen gegenüber Einwanderern verkündet. Für viele Juden blieb nur noch Palästina als Alternative.

Die 5. Einwanderungswelle (1932 - 1948)

Von insgesamt rund 336.000 Einwanderer kamen 283.000 aus Europa, eine Folge der NS - Judenverfolgung.
1932 - 1938:197.235 Menschen
1939 - 1945:81.808 Menschen
1946 - 15.5.1948:56.467 Menschen

Über Zionismus kann man geteilter Meinung sein. Wer die Einwanderung von Juden nach Palästina bis zur Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 aber als Ausdruck eines rassistischen Zionismus beschreibt und verurteilt, weiß nicht oder will nicht wissen, dass Juden zwischen 1881 und 1948 ihre Heimat verlassen haben oder verlassen mussten, um sich Unterdrückungen zu entziehen und um ihr Leben zu retten.

Sie flohen vor Verfolgungen aus rassistischen Motiven, um sich heute von einem Teil der Welt Rassismus vorwerfen zu lassen.

Auf der Basis der UN-Resolution vom 29. November 1947, die auf eine Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat hinauslief, wurde am 14. Mai 1948, am Tag des Mandatsendes, der Staat Israel proklamiert. Am Tag darauf fielen die Armeen Ägyptens, Transjordaniens, Syriens, Libanons und Iraks in Israel ein.

Damit begann der Unabhängigkeitskrieg, in dessen Verlauf ca. 800.000 Araber Israels teils freiwillig in Befolgung arabischer Aufrufe, teils in Panik im Zuge der Kriegsereignisse und teils unter direktem israelischen Druck Israel verließen. 160.000 Araber blieben in Israel, erhielten als arabische Israelis die vollen Staatsbürgerrechte und wuchsen bis heute auf 1,2 Millionen Staatsbürger (ca. 20% der israelischen Bevölkerung) an.

Israel ist seit Gründung eine parlamentarische Demokratie. Die arabische Bevölkerung besitzt das aktive und passive Wahlrecht. Dem Parlament, der Knesset, gehören heute 3 arabische Parteien an, die "United Arab List" mit 5 Mandaten, die Khadash (kommunistische arabische Partei) mit 3 Mandaten und die Balad mit 2 Mandaten. Aber auch die jüdische Parteien stellen 4 arabische Knessetabgeordnete und wurden auch von Arabern gewählt, so dass insgesamt 14 Araber der Knesset von insgesamt 120 Abgeordneten angehören.

Israel hat durch einfache Gesetze die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte anerkannt. Dennoch ist dieser Staat in der Praxis noch weit von der Durchsetzung der Gleichheit aller Bürger entfernt. Dies hat historische und bevölkerungspolitische Gründe.

Der arabischen Bevölkerung (20%) steht nicht einfach einen in sich geschlossener jüdischer Bevölkerungsteil (80%) gegenüber. Auch die jüdische Gesellschaft ist äußerst heterogen; so ist auf rund eine Million russische Einwanderer, auf ca. 800.000 mehr oder minder orthodoxe Juden, auf europäische, orientalische und afrikanische Juden hinzuweisen. Diese sind zwar durch den Glauben, nicht aber in ihren kulturellen Eigenarten, bedingt durch ihre Herkunft aus vielen Teilen der Welt, verbunden.

Wer die gesellschaftlichen Konflikte dieses Landes auf einen jüdisch - arabischen Konflikt reduziert, übersieht die Konflikte zwischen den sehr unterschiedlichen jüdisch-ethnischen Gruppen.

Israel besitzt letztlich keine homogene Majorität, es ist ein Land mit vielen nebeneinander lebenden Minoritäten. So gibt es unterschiedliche Lebensstandards zwischen jüdischen und arabischen Bevölkerungsteilen, aber auch solche zwischen z.B. europäisch und afrikanisch geprägten Juden.

Dies zu überwinden war für das Einwanderungsland Israel, das in 50 Jahren von 650.000 auf 6,4 Millionen Einwohner anwuchs, bisher unmöglich.

So gibt es spezielle Benachteiligungen der arabischen Gesellschaft. Die Gründe hierfür sind weniger in gesetzlichen Grundlagen, sondern viel mehr in unterschiedlichen Lebensgegebenheiten zu finden.

Hierfür 3 Ursachen:
  • Araber leisten keinen Wehrdienst. Ihnen bleiben 3 Jahre Wehrpflicht und 20 Jahre lang je 30 Tage Reservedienst erspart. Dafür sind ihnen alle öffentlichen Ämter und Karrieren weitgehend verschlossen. Von Drusen und Beduinen in Einzelfällen abgesehen sind ihnen somit die besser bezahlten Positionen im staatlichen Bereich verwehrt.
  • Die arabische Minderheit lebt zumeist in Dörfern im Norden und Süden des Landes und bilden dort eine Mehrheit, sind aber von den israelischen Hauptentwicklungsachsen Jerusalem - Tel Aviv und der Meeresküste entlang abgeschnitten. Zwar wurden den arabischen Sektoren immer wieder große Hilfs- und Strukturmaßnahmen versprochen, jedoch haben hier alle israelischen Regierungen bedeutend mehr geredet als gehandelt.
  • Während die übliche jüdische Familie - ausgenommen die orthodoxen Vielkinderfamilien - aus höchstens 4-5 Personen bestehen und mit zwei Elterneinkommen leben, steht der arabischen Vielkinderfamile, zu der sich oft noch Großeltern gesellen und die daher in der Regel aus mehr als 10 Personen besteht, nur ein, oft niedrigeres Einkommen zur Verfügung. Die Tradition schreibt der arabischen Ehefrau vor, nicht außer Haus zu arbeiten.
Die hier nur angedeuteten Einkommengefälle werden von der arabischen Minderheit auch deshalb als besonders diskriminierend empfunden, weil auf der anderen Seite gerade die religiösen, oft ultraorthodoxen Juden als extrem privilegiert gelten.
Unter Rassismus versteht man die Benachteiligung oder Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer Rasse.
Rassenideologie beruht auf der wissenschaftlich unhaltbaren Annahme einer genetischen Verschiedenheit von Menschenrassen. Diese Ideologie äußerte sich in der Vergangenheit als Überzeugung von der Überlegenheit der weißen Rasse, oder in der besonderen Abartigkeit der Naziideologen, in der behaupteten Überlegenheit der deutschen Rasse.

Mit der beschriebenen Benachteiligung der arabischen Minderheit im jüdischen Staat hat dies ebenso wenig zu tun wie mit dem Kampf des israelischen und des palästinensischen Volkes um das gleiche Land. Dabei kann gerade in dieser Krisenregion nicht bestritten werden, dass extremistische Gruppen - übrigens auf beiden Seiten - rassistisch denken, reden und leider auch so handeln wollen. Auch hier und heute verrotten die Sitten und Gebräuche unter dem Diktat des Hasses, der Gewalt und des Terrors.

Dennoch ist der Versuch, eine Seite pauschal diskriminieren zu wollen, nichts anderes als ihr das Lebensrecht unter dem Vorwand pseudo-moralischer Argumente streitig machen zu wollen.

Um dies an einem Gegenbeispiel noch deutlicher zu machen: Araber in Israel sitzen in der Knesset, in den Kommunalparlamenten, sie stellen 63 von insgesamt 225 Bürgermeistern und seit diesem Jahr erstmals einen Araber als Minister.

Unterstellt, in den arabischen Nachbarstaaten gäbe es freie, demokratische Wahlen. Unterstellt, in diesen Staaten könnten dürften Juden leben - glaubt jemand, dass dort je ein Jude Bürgermeister, Minister, Abgeordneter sein dürfte?

Mit dem Vorwurf des Rassismus gegenüber dem jüdischen Volk sollten all' diejenigen vorsichtig sein, die in ihrem eigenen Land weniger Demokratie, weniger Pluralismus, weniger Toleranz zulassen, als der keineswegs in allen Belangen westlichen Standards entsprechende, aber demokratische Staat Israel.

Wer den Wunsch der Juden, in einem eigenen Staat frei und sicher leben zu wollen, als rassistisch bezeichnet, muss wissen, dass er damit auch alle anderen Unabhängigkeitsbewegungen diskreditiert.

Ist dann auch der Kampf der Palästinenser um einen eigenen Staat vielleicht rassistisch?

Wer sich solcher Todschlags-Argumenten bedient, dient nicht der Sache, sondern verschärft vorhandene Konflikte.

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Kontakt

Dr. Alexander Brakel

Alexander.Brakel@kas.de

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