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Ivanishvilis „Georgischer Traum“

Am 11. Dezember stellte der Milliardär Bidzina Ivanishvili seine Bürgerbewegung „Georgischer Traum“ vor, aus der bald eine politische Partei hervorgehen soll. Als Ziel nennt Ivanishvili die Stärkung des Einflusses der Zivilgesellschaft auf politische, wirtschaftliche und soziale Prozesse.

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Der Traum sei, einen vereinten, starken und demokratischen Staat aufzubauen. Erst vier Wochen zuvor war Ivanishvili vor die Kameras getreten und hatte seinen Eintritt in die Politik verkündet. Seine Ankündigung hat die politische Landschaft Georgiens aufgemischt, seine Umfrageergebnisse sind sensationell. Präsident Saakashvili und seine Partei „United National Movement“ (UNM), die seit 2004 ohne erstzunehmende Opposition regieren, geraten nun unter Druck.

Wer ist Bidzina Ivanishvili? Was will er?

Den Namen Ivanishvili kennt jeder Georgier. Er gehört zu den reichsten Männern des Landes, der sein Geld hauptsächlich in Russland gemacht hat. Laut Forbes beläuft sich sein Vermögen auf 5,5 Mrd. USD und übersteigt damit den jährlichen Haushalt des georgischen Staates. In Georgien, wo er seit 2003 relativ zurückgezogen lebt, hat sich Ivanishvili einen Namen als Wohltäter gemacht. Er investierte 650 Millionen Euro in Kunst und Kultur, ein nicht unwesentlicher Teil davon ging in den Bau oder die Restauration von Hunderten von Kirchen, darunter die berühmte Sameba Kirche in Tiflis. In seinem Heimatdorf hat er nicht nur den Bau sozialer Einrichtungen finanziert, sondern ließ Strom, Gas und Wasserrechnungen der Dorfbewohner zahlen. Er hat das Image eines Märchenhelden, der viel Gutes tut, ohne öffentlichen Wirbel zu betreiben. Er war bisher kaum mit politischen Aktivitäten oder Aussagen aufgefallen.

Ivanishvili begründete seinen überraschenden Eintritt in die Politik mit der Monopolisierung der Macht durch Präsident Saakashvili und der Unfähigkeit der Opposition diesem Zustand etwas entgegenzusetzen. Er wolle die Entwicklung einer pluralistischen Demokratie in Georgien fördern. Gelingt ihm die Gründung einer politischen Partei, will er bei den im kommenden Jahr anstehenden Parlamentswahlen antreten. Dabei ist er sicher, die absolute Mehrheit zu erlangen. Ivanishvili tritt sehr besonnen auf, spricht wie einer aus dem Volk und benimmt sich auffällig bescheiden. Seine nicht widerspruchslosen politischen Aussagen lassen aber seine politische Unerfahrenheit erkennen.

Unter großer medialer Aufmerksamkeit verlautbarte Ivanishvili seine politischen Ziele. Er begann mit einer scharfen Kritik an Saakashvilis autoritärem Führungsstil. Meinungs- und Pressefreiheit sei nicht gewährleistet, die Justiz nicht unabhängig und die Wirtschaft könne nicht frei agieren. Seine Partei werde sich mit gesunden politischen Kräften vereinen und die Parlamentswahlen gewinnen. Er werde zusammen mit dem Volk ein optimales Regierungsmodell entwickeln. Als künftiger Premier werde er die Korruption in der Elite stoppen, die Unabhängigkeit der Justiz herstellen, das Investitionsklima verbessern, in Landwirtschaft aber auch Technologie investieren. Er betrachte die Normalisierung der Beziehungen zwischen Georgien und Russland sowie den Ausbau der Zusammenarbeit mit den USA und der EU, die europäische Integration des Landes als die wichtigsten Aufgaben. Hinter seinen Aussagen scheint keine durchdachte Programmatik zu stehen. Zur Lösung der drängenden politischen Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Sezessionskonflikte hat er keine konkreten Lösungsvorschläge. Zugleich sorgt er mit Erklärungen wie, er werde nach 2 Jahren die Politik wieder verlassen, eine Oppositionspartei gegen seine eigene Regierung gründen, Fernsehkanäle zu kaufen und diese nach einigen Jahren wieder für einen symbolischen Preis von 1 Lari zu verkaufen, für Verwirrung.

Einige Wochen später, bei der öffentlichen Vorstellung seiner Bürgerbewegung „Georgischer Traum“ am 11. Dezember klingt Ivanishvili professioneller. Er spricht über Gewaltenteilung und die Notwendigkeit des Gleichgewichts zwischen Exekutive, Legislative und Judikative, um autoritäres Herrschen zu verhindern. Er fordert die Partizipation der Bürger an politischen Vorhaben, transparente Regierungsführung, die Stärkung der Rolle der Medien als unabhängige Kontrollorgane der Politik, den Vorrang des Gesetzes. Die Bürgerbewegung werde regionale Strukturen zur Vorbereitung auf die Parlamentswahlen aufbauen. Arbeitsgruppen von Experten sollen eingesetzt werden, um programmatische in verschiedenen Politikbereichen wie Justiz, Menschenrechte, Wirtschaftspolitik, Bildung, Außen- und Sicherheitspolitik zu formulieren. Bei der Veranstaltung lagen Formblätter aus, in die sich Interessierte zur Mitarbeit an den verschiedenen Arbeitsgruppen eintragen konnten. Sehr viele Menschen waren in die 2.500 Personen fassende Konzerthalle gekommen. Etwa genau so viele standen draußen, um sich die Veranstaltung auf der Leinwand anzusehen. Unter den prominenten Gästen befanden sich Schriftsteller, Künstler, Musiker, Sportler, Menschenrechtler, ehemalige politische Funktionsträger.

Seine Verbündeten

Ivanishvili will nicht als Einzelkämpfer gegen Präsident Saakashvili und die UNM in Feld ziehen, das hat er von Anfang an klar gemacht. Er will die Opposition vereinen. Zu seinen Verbündeten gehört inzwischen Irakli Alasania, der ehemalige UN-Botschafter Georgiens, der sich nach dem Krieg vom August 2008 von Saakashvili distanziert und eine eigene Partei gegründet hatte. Alasania ist eine respektierte Person in Georgien, seine Partei „Our Georgia – Free Democrats“ genießt allerdings kaum Unterstützung. Die Umfragewerte liegen weit unterhalb der 5% Hürde. Ähnlich verhält es sich mit der von Davit Usupashvili geführten liberalen Republikanischen Partei, die sich ebenfalls auf die Seite Ivanishvilis gestellt hat. Die parlamentarische Oppositionspartei Christian Democratic Movement (CDM) ist für Ivanishvili kein potentieller Partner. Die CDM sei eine Pseudo-Opposition, die in Realität von der Regierungspartei gesteuert würde. Die größte Gruppe der Unterstützer Ivanishvilis bilden nicht die oppositionellen Gruppierungen, sondern die Masse desillusionierter Bürger, die sich in den letzten Jahren von der Politik abgewandt hatten, darunter auch die Generation von Politikern, die unter Schewardnadze dienten.

Ein besonders angesehener und einflussreicher Fürsprecher Ivanishvilis ist der Patriarch Ilia II. Der Patriarch trat nach einem Zusammentreffen gemeinsam mit Ivanishvili vor die Presse und gab seinen Segen. Er hat während einer seiner Predigten auch den Präsidenten aufgefordert Ivanishvili die Staatsbürgerschaft zurückzugeben. Ivanishvili hatte seine georgische Staatsbürgerschaft im Jahre 2004 erhalten. Er besaß damals die russische Staatsangehörigkeit. Zum Verhängnis wurde der französische Pass. Als er während seiner Pressekonferenz zum Eintritt in die Politik erklärte, beide nicht georgischen Pässe abgeben zu wollen, nahmen die Behörden dies zum Anlass, ihm seine georgische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Die Gesetzeslage erlaubt es Georgiern nicht, die Angehörigkeit eines anderen Staates anzunehmen.

Es gibt zwei Gründe für das wohlwollende Verhalten des Patriarchats. Erstens hat der Wohltäter einen beachtlichen finanziellen Beitrag zum Kirchenbau geleistet. Zweitens ist das Verhältnis des Patriarchats zur Regierung angespannt. Saakashvili und seine Führungselite sind für den Geschmack des Patriarchats zu säkular, die Reformen zu radikal. Die georgisch-orthodoxe Kirche ist verärgert über die Gesetzesänderung, wonach alle Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden sollen. Das Patriarchat fürchtet um seine Sonderstellung im Land. Exemplarisch für das angespannte Verhältnis zwischen Regierung und Kirche ist, dass just zu dem Zeitpunkt, als der Patriarch Ilia II. anlässlich der Feierlichkeiten zum 65. Geburtstag des russischen Patriarchen Kirill in Moskau weilte, Präsident Saakashvili die russisch-orthodoxe Kirche als ein Ableger des Kremls bezeichnete und ihr vorwarf, einen Kreuzzug zur Wiederherstellung der Sowjetunion gestartet zu haben. Das georgische Patriarchat ist nicht nur ein mächtiger Akteur im gesellschaftlichen Leben in Georgien, sondern Meinungsumfragen dokumentieren auch, dass die Kirche ein viel größeres Vertrauen in der Bevölkerung genießt als jede andere georgische Institution.

Neue Kräfteverhältnisse im politischen System

Die jüngsten Umfragen belegen, dass Ivanishvilis politische Bewegung in der Tat die Herrschaft Saakashvilis herausfordern kann. Auf die Frage des georgischen Instituts ISSA (Institute of Social Studies and Analysis) „welche politische Partei würden Sie wählen, wenn morgen Wahlen wären“, antworteten 36% mit UNM. Demgegenüber steht ein beachtlicher Anteil von 32% für Bidzina Ivanishvili. Die Christdemokraten landeten bei nur 4,3%. Über ein Viertel (26,1%) der Georgier will Ivanishvili als nächsten Premierminister sehen, während nur 24,2% sich für Saakashvili aussprechen. Die Meinungsumfrage offenbart eine regionale Teilung der politischen Präferenzen. Während die UNM ihre Hochburgen in den südlichen und nördlichen Provinzen des Landes hat, dominiert Ivanishvili nicht nur in seiner Heimatregion Imereti, sondern vor allem auch in der Hauptstadt Tiflis.

Sollte Ivanishvilis Aufwärtstrend anhalten, ist mit dem Entstehen eines Zweiparteiensystems in Georgien zu rechnen. Georgische Experten trauen Ivanishvili die Fähigkeit zu, die Regierung auszubalancieren, vor allem autoritäre Tendenzen im Land abzuschwächen. Ein solches politisches System wäre gewiss kompetitiver, allerdings hätten dritte Parteien keine Chance ein größeres Gleichgewicht in die politischen Strukturen zu bringen. In dem schnellen Aufstieg Ivanishvilis in der Wählergunst manifestiert sich die Schwäche der politischen Kultur in Georgien, nämlich der sehr stark ausgeprägten Personenbezug im Parteiensystem. Möglicherweise, sehen viele Georgier in Ivanishvili einen Retter als Milliardär und Wohltäter. Es geht weniger um die Frage, ob er konzeptionelle Alternativen bietet. In der 20-jährigen Geschichte Georgiens seit der Unabhängigkeit, wurden immerzu Personen an die Macht gewählt, nicht Parteien und Programme. Mit den Personen sind auch ihre Parteien von der politischen Bildfläche verschwunden. Dies war bei Schewardnadze und seiner „Union of Citizens of Georgia“ nicht anders als bei Gamsachurdia und seiner Partei.

Im kommenden Jahr werden Parlamentswahlen stattfinden. Darauf werden im Jahre 2013 die Präsidentschaftswahlen folgen. Saakaschvili darf laut Verfassung nicht mehr antreten, es wird aber spekuliert, dass er das Putin-Modell nachahmen könnte. Die Verfassungsänderungen, die 2013 in Kraft treten, sehen eine Stärkung der Rolle des Premierministers zu Lasten des Präsidentenamtes vor. Dadurch gewinnen die Spekulationen um Saakashvilis politische Zukunftpläne an Brisanz. Die georgische Öffentlichkeit ist in dieser Frage gespalten. Laut der bereits zitierten Meinungsumfrage, wollen 39% ihn weiter an der Macht sehen, 35% sprechen sich gegen ihn aus.

Saakashvili ist ohne Zweifel eher ein Reformer als ein Demokrat. Er hat einen gescheiterten Staat zu einem Musterschüler in Sachen Reformen gemacht. Gleichwohl kann er mit politischer Opposition nicht gut umgehen. Mit Blick auf Ivanishvili versucht er sich zwar gelassen zu geben, aber die Beunruhigung in seinem politischen Umfeld ist unverkennbar. Zumal der starke Herausforderer zu einem Zeitpunkt auftaucht, in dem viel Unklarheit über künftige Machtverhältnisse herrscht. Es ist nicht klar, was aus der UNM und dem Nachlass Saakashvilis wird, wenn er 2013 nicht mehr kandidiert. Saakashvili hat es versäumt oder nicht gewollt, einen Nachfolger aufzubauen.

Noch ist unklar, wie Ivanishvilis Chancen stehen. Er muss erst seine georgische Staatsbürgerschaft wiedererlangen, bevor er eine Partei gründen oder für ein öffentliches Amt kandidieren kann. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Saakashvili und seine Regierung gegen Ivanishvili vorgehen werden. Der Entzug der Staatsbürgerschaft – auch wenn er auf existierenden Gesetzen beruht – war ein erster Schritt. Darauf deutet der Zeitpunkt hin. Derzeit arbeitet die Regierungspartei an der Änderung der gesetzlichen Grundlagen für die Parteienfinanzierung. Der neue Entwurf setzt sehr enge Grenzen für mögliche Spenden aus dem Privatsektor. Wahrscheinlich wird Ivanishvili eingeschränkte Möglichkeiten haben, sein Geld für politische Zwecke einzusetzen. Sollte Ivanishvili nicht glaubhaft überzeugen können, dass er keine näheren Beziehungen zur russischen Politik und Wirtschaft unterhält, wird ihm die Regierung einen Strick daraus drehen. Es ist zu hoffen, dass sich die politische Führung bei der Bekämpfung des politischen Gegners an die demokratischen Spielregeln hält. Das Phänomen Ivanishvili könnte auch zu einem politischen Reflexionsprozess führen, vielleicht sogar mit der Einsicht, dass ein politischer Wettbewerb der georgischen Demokratie gut tun würde. Offenbar wünscht sich die Mehrheit der Georgier eine pluralistische politische Landschaft.

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25. März 2011
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