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Länderberichte

Knapper Sieg pro-europäischer Parteien

von Sven-Joachim Irmer

Kommunalwahlen in der Republik Moldau

Am 14. Juni 2015 fanden in der Republik Moldau Kommunal- und Kreisratswahlen statt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Mehrheit der Bevölkerung hinter den pro-europäischen Parteien steht. Ebenso zeigt sich eine Stabilität der russlandfreundlichen Wählerschaft, die sich jedoch größtenteils von der Partei der Kommunisten (PCRM) zu der Partei der Sozialisten (PSRM) bzw. der populistischen sogenannten „Unsere Partei“ (PN) des russischsprachigen Oligarchen Renato Usatîi verlagert hat.

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Die Wahlbeteiligung lag mit 48,83 Prozent etwas niedriger als bei den Kommunalwahlen 2011, als 54,3 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimme abgaben. Hervorzuheben ist dabei, dass – vor allem angesichts der hohen Anzahl im Ausland arbeitender Moldauer – 51,05 Prozent der Wähler über 50 Jahre alt waren, die in der Vergangenheit tendenziell eher für pro-russische Kräfte gestimmt haben. Hingegen waren nur knapp 25 Prozent der Wähler unter 35. Vor diesem Hintergrund stellt das gute Ergebnis insbesondere der regierenden bürgerlichen Liberal-Demokratischen Partei (PLDM) und der Demokratischen Partei (PDM) – die der PES angehört – zumindest teilweise eine Überraschung dar. Gleichzeitig hat sich die neue politische Bewegung um den Ex-Premierminister Iurie Leancă, die unter dem Mantel des Bündnisses „Europäische Volksplattform der Moldau – Iurie Leancă“ erstmals an Wahlen teilnahm, als neue pro-europäische Kraft etablieren können.

PLDM und PDM bleiben landesweit stärkste Parteien

Die PLDM und die PDM haben bei den Wahlen für die Kreisräte die meisten Stimmen erhalten. Die PLDM lag in 13 Kreisen auf dem ersten Platz und in weiteren 11 Kreisen auf dem zweiten, während die PDM in 11 Kreisen die relative Mehrheit erzielte und in weiteren 15 auf dem zweiten Platz landete.

Die PLDM erhielt landesweit die größte Anzahl von Bürgermeisterposten: 181. Die PDM kam auf 147 Bürgermeister, die PCRM auf 31, die PSRM auf 22. In den meisten Ortschaften wird es dennoch in zwei Wochen eine Stichwahl geben, weil kein Kandidat die absolute Mehrheit für sich gewinnen konnte. Zudem sind diese Ergebnisse in der ländlich geprägten Republik Moldau nicht unbedingt parteipolitisch zu bewerten: insbesondere in kleineren Ortschaften spielt die Person des Kandidaten eine weitaus wichtigere Rolle als deren ideologische Orientierung.

Gute Ergebnisse erhielt auch das Wahlbündnis um Ex-Premierminister Iurie Leancă. In insgesamt 19 Kreisen kam die PPEM auf mehr als fünf Prozent der Stimmen, in vier sogar auf zweistellige Zahlen. Im Heimatkreis von Leancă, Cimișlia, erhielt die PPEM sogar die größte Anzahl von Stimmen.

Verlierer der Wahl waren eindeutig die Kommunisten, aber auch die PSRM und die PN, die entgegen der Erwartungen von Demoskopen nicht in die Gunst eines Protestvotums gegen die pro-europäischen Parteien gekommen sind. Insbesondere die PSRM und die PN hatten – teilweise mit populistischen Parolen und gegen die „Oligarchen“ gerichteten Wahlbotschaften – versucht, die politische Instabilität, die Korruption, die marode Lage der Wirtschaft und die damit zusammenhängenden Skandale, die das Bankensystem jüngst erschüttert hatten, auszunutzen, um hieraus politisches Kapital zu schlagen. Zudem hat sich die PSRM sehr deutlich gegen den pro-europäischen Kurs ausgesprochen und setzt stattdessen auf einen Beitritt zur von Russland dominierten Eurasischen Union. Dass sich aus diesen Tendenzen im Diskurs kein substantieller Stimmengewinn ergab, dürfte ggf. darauf hindeuten, dass das Wählerpotential der pro-russischen Kräfte strukturell begrenzt ist und nur eine Verschiebung von der PCRM in Richtung PSRM und PN stattgefunden hat.

Konkret wird die PCRM nur noch in einem Kreisrat die meisten Mitglieder stellen. Die PSRM gewann die Wahlen in den russischsprachigen Gebieten im Norden und im Süden – in insgesamt vier Kreisräten werden die Sozialisten die größte Fraktion bilden. Die PN erhielt die relative Mehrheit nur in zwei Kreisen, ebenfalls in Gebieten mit einer signifikanten Anzahl russischsprachiger Wähler.

Symbolträchtige Wahlergebnisse in den Großstädten

In der Hauptstadt Chișinău konnte die eher panrumänisch gesinnte Liberale Partei (PL) des amtierenden Oberbürgermeisters Dorin Chirtoacă ein gutes Ergebnis bei der Stadtratwahl erzielen – 29,42 Prozent. Dennoch erhielten die Sozialisten mit 31,93 Prozent die meisten Stimmen. Die PCRM, die 2011 ein Traumergebnis von 46 Prozent der Stimmen in der Hauptstadt erreicht hatte, ist nun auf 5,13 Prozent gesunken, sodass ihre Fraktion von 26 auf 3 Mitglieder schrumpfen wird. Infolgedessen dürfte es im Stadtrat von Chișinău auf eine knappe Mehrheit der pro-europäischen Kräfte hinauslaufen. Die zweitstärkste westlich orientierte Fraktion im Stadtrat wird die PPEM stellen, für die 11,58 Prozent der Wahlbeteiligten votierten. Eine bittere Pille musste hingegen die PLDM in der Hauptstadt schlucken: dort erreichten die Liberaldemokraten nur noch 3,52 Prozent der Stimmen, während sie noch vor vier Jahren ein Ergebnis von gut 14 Prozent verzeichnet hatten. Mit den Stimmen von PL, PPEM, PLDM und PDM kommen jedoch die „Pro-Europäer“ auf 26 der 51 Mandate.

Bei der Direktwahl des Oberbürgermeisters wird es eine Stichwahl geben – eigentlich keine Überraschung, denn auch bei den vergangenen Wahlen war dies der Fall gewesen. Der bereits zum dritten Mal antretende Chirtoacă lieferte sich mit der Kandidatin der Sozialisten, der ehemaligen Premierministerin Zinaida Greceanîi, ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ersterer kam auf 37,57 Prozent, letztere auf 35,69 Prozent. Den dritten Platz erhielt Oazu Nantoi, Kandidat der PPEM, der mit einem Ergebnis von 10,17 Prozent eine Schlüsselrolle im zweiten Wahlgang spielen dürfte. Der Kandidat der PLDM, der ehemalige Bürgermeister Serafim Urechean, erhielt lediglich 2,97 Prozent der Stimmen und belegte hiermit nur den sechsten Platz.

Es ist davon auszugehen, dass sowohl Nantoi, als auch Urechean eine Wahlempfehlung für Chirtoacă für den zweiten Wahlgang aussprechen werden – nicht zuletzt aus symbolischen Gründen wollen alle pro-europäischen Parteien verhindern, dass die traditionell westlich gesinnte Hauptstadt an die Sozialisten verloren geht. Selbst 2011, als der Kontrahent von Chirtoacă, der jetzige Vorsitzende der PSRM Igor Dodon, 48,07 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang gewonnen hatte, konnte eine Koalition pro-europäischer Parteien dessen Sieg bei der Stichwahl verhindern.

Renato Usatîi konnte – wie erwartet – die Bürgermeisterwahl in der zweitgrößten Stadt des Landes, Bălți, bereits nach dem ersten Wahlgang gewinnen. Er erhielt 72,46 Prozent der Stimmen, während seine Partei mit 65,04 Prozent insgesamt 26 der 35 Mitglieder im Stadtrat stellen wird. Der medienwirksame Sieg von Usatîi, der von den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr wegen illegaler Beihilfen aus Russland ausgeschlossen worden war, muss jedoch im Kontext der Spezifika von Bălți bewertet werden, einer Stadt, deren Einwohnerschaft fast zur Hälfte aus russischsprachigen Bürgern besteht und die in der Vergangenheit stets von der PCRM regiert worden ist. Auf jeden Fall erzielte Usatîi offensichtlich nicht den erwünschten Effekt, durch seine Kandidatur der PN auf nationaler Ebene zu einem signifikanten Ergebnis zu verhelfen.

Ebenfalls eher spektakulär als einen Trend aufzeigend ist der Sieg des jungen, jüdischen Milliardärs Ilan Shor in der Stadt Orhei. Er erhielt 61,97 Prozent der Stimmen. Shor ist in der Öffentlichkeit ebenfalls umstritten, u.a. wird gegen ihn wegen dubioser Bankgeschäfte ermittelt, er soll drei staatlichen Banken hiermit einen Schaden von etwa 750 Mio. US-Dollar verursacht haben.

Reaktionen und Aussichten für den zweiten Wahlgang

Der Vorsitzende der PLDM, Vlad Filat, und der Vorsitzende der PDM, Marian Lupu, haben in Aussicht gestellt, auf kommunaler Ebene pro-europäische Koalitionen bilden zu wollen. Filat betonte, dass sich PLDM, PDM und PL im zweiten Wahlgang hinter den jeweils verbliebenen Kandidaten stellen sollten. Dabei signalisierte der PLDM-Vorsitzende bereits am Sonntagabend auch den Wunsch, eine neue parlamentarische Mehrheit bilden zu wollen, die aus PLDM, PDM und PL bestehen solle.

Diese Erklärung erfolgte vor dem Hintergrund, dass am Freitag der von der PLDM gestellte Premierminister Chiril Gaburici infolge eines Skandals um die Fälschung seines Abiturzeugnisses zurückgetreten war. Er hatte eine Minderheitsregierung der PLDM und der PDM geführt, die in der Legislative von der PCRM unterstützt wird, wofür insbesondere seine Partei heftig in der Öffentlichkeit kritisiert worden war. Auch Lupu äußerte sich in diesem Sinne und gab seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die PL die „für die Wahlkampfzeit spezifische Rhetorik“ aufgeben würde.

Der Vorsitzende der Liberalen Partei, Mihai Ghimpu, schloss ein Regierungsbündnis mit der PLDM und der PDM nicht aus. Erst müsse jedoch das Amt des Bürgermeisters in Chișinău gewonnen werden. Dennoch kritisierte er die beiden möglichen Partner und bewertete deren schwaches Abschneiden in der Hauptstadt als Ergebnis der Tatsache, dass die Korruption und die Armut gestiegen seien wie auch als Folge des Bankenskandals.

Nicht zu vernachlässigen wird auch die Rolle der PPEM sein, deren Stimmenanteil zwar nicht sehr hoch ist, jedoch angesichts knapper Mehrheitsverhältnisse für die Bildung von Koalitionen auf allen Ebenen eine signifikante Rolle spielen wird.

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Chisinau Moldawien