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Kopf an Kopf

Spannende Entscheidung bei der Präsidentenwahl in Polen

Die Stichwahl zum Staatspräsidenten in Polen am 4. Juli 2010 gestaltet sich zu einem Kopf an Kopf Wettbewerb. Auf die Situation vor der Wahl geht der Bericht der KAS ein.

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Die Entscheidung bei der Stichwahl zum Amt des Staatspräsidenten in Polen am Sonntag, den 4. Juli gestaltet sich spannender als erwartet. Die letzten Umfragen und Einschätzungen der Experten deuten auf eine relativ knappe Entscheidung hin.

Nach einer Umfrage in der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita, liegt der nationalkonservative Jaroslaw Kaczyński (61) mit 45 % erstmals auf gleicher Höhe mit dem liberalkonservativen Bronisław Komorowski (58). Dieser hatte zuvor in den Umfragen lange Zeit deutlich geführt. Da Kaczyński bei früheren Umfragen meist schlechter abschnitt als bei den tatsächlichen Wahlen, ist dies ein bemerkenswertes Ergebnis. Offenbar kann der nach dem Schockereignis des Flugzeugabsturzes von Smolensk in seinem Auftreten gewandelte Nationalkonservative mit seiner sozialen Attitüde doch mehr Zustimmung gewinnen als anfangs gedacht. Lagen seine Umfragewerte am Beginn der Wahlkampagne nur etwas über 30 %, so erreichte er in der ersten Wahlrunde am 20. Juni bereits bemerkenswerte 36,5 %.

Das erinnert an die Präsidentenwahl vor fünf Jahren als Donald Tusk, der Vorsitzende der Bürgerplattform (PO) und heutige Premier, in der Stichwahl von Lech Kaczyński, dem Zwillingsbruder von Jarosław, mit 54 zu 46 % besiegt wurde, nachdem er zuvor die erste Wahlrunde mit 36,3 zu 33,1 % gewonnen und in den Umfragen durchweg geführt hatte. Dementsprechend ungewiss sieht man auch in den Reihen der PO dem Wahlausgang entgegen, obwohl der PO-Kandidat Komorowski in den vergangen zwei Wahlkampfwochen keineswegs eine schlechte Figur gemacht hat. Im ersten Fernsehduell, das am 27. Juni stattfand, von drei Fernsehstationen übertragen und von rund 4,4 Millionen Menschen gesehen wurde, konnte er deutlich gegenüber seinem Konkurrenten punkten. Im zweiten Duell, das über fünf Millionen Zuschauer verfolgten, sahen dagegen viele Experten Kaczyński vorne, eine relative Mehrheit der Zuschauer von 41 % fand allerdings Komorowski überzeugender. In beiden Sendungen wurden die Politiker allerdings mehr in Form einer politischen Quizsendung befragt, als das es zu einer echten Debatte gekommen wäre.

Nichts desto trotz gilt vielen Komorowski nach wie vor als leicht favorisiert. Der Wahlausgang ist jedoch völlig offen. Der Linkskandidat Grzegorz Napieralski (36) hat im Gegensatz zu anderen führenden Linken wie dem ehemaligen Staatspräsidenten Aleksander Kwaśniewski (55) keine Wahlempfehlung für Komorowski ausgesprochen. Die Wahlstrategen der PO befürchten, dass rund die Hälfte der linksliberalen Wähler Napieralskis, der im ersten Wahlgang immerhin 13,7 % erhalten hatte, sich der Stimme enthalten wird, was indirekt Kaczyński zugute käme. Obwohl die Linken eher Komorowski zuneigen, käme ein Sieg Kaczyńskis den taktischen Erwägungen der Linken entgegen. Denn dann wäre die Regierung Tusk auf ihre Stimmen im Parlament angewiesen, um die erwarteten Vetos eines Präsidenten Kaczyński zu überstimmen, wozu es eine Mehrheit von 60 % im Parlament bedarf.

Unterdessen hat sich die katholische Kirche in Polen mit klaren Stellungnahmen gegen die künstliche Befruchtung in den Wahlkampf eingeschaltet. Da Kaczyński hier die Position der Kirche vertritt, Komorowski dagegen jedem Betroffenen selbst die Entscheidung überlassen möchte, kann dies von manchen als Unterstützung der Kirche für Kaczyński verstanden werden, wobei die Mehrzahl der Wähler auch im hochgradig katholisch geprägten Polen ihre politische Wahlentscheidung nicht von einer einzelnen ethisch-theologischen Frage abhängig machen wird.

Was auf dem Spiel steht

Manche, wie der Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“, Gerhard Gnauck, argumentieren, Kaczyński habe sich von einem Radikalreformer zu jemandem gewandelt, der sich nun in der Politik als „Kunst des Möglichen“ üben wolle. Man solle den neuen Kurs Kaczyńskis für bare Münze nehmen und nicht vergessen, dass Polen eine demokratische, konservative, christlichen Werten verbundene Partei durchaus brauche.

Daran ist richtig, dass Polen eine christdemokratische, wertkonservative Partei benötigt. Doch die findet sich gerade auch in der regierenden PO, die sich in den letzten Jahren zu einer liberal-wertkonservativen Volkspartei entwickelt hat. Für den christdemokratischen Teil der Tusk-Partei stehen gerade Personen wie der Präsidentschaftskandidat Komorowski oder der Rektor der Europäischen Tischner Hochschule in Krakau und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Sejm, Jarosław Gowin (48).

Zudem dürfen bei der bevorstehenden Wahl über den beobachteten Stilwandel des Politikers Kaczyński, der gewiss ein Fortschritt im Vergleich zu seiner Regierungszeit während der so genannten “IV. Republik” 2006/07 ist, nicht die unterschiedlichen politischen Positionen außer Acht gelassen werden. Hier ist Jarosław Kaczyński weitgehend der alte geblieben. Seine sozialen wie nationalen Versprechen würden Polen in zweifacher Hinsicht teuer zu stehen kommen: einmal finanziell, wenn er die Versprechen realisieren wollte, wogegen derzeit allerdings eine Mehrheit im Parlament steht; zum anderen politisch mit der Fortführung einer unfruchtbaren Kohabitation und “doppelköpfigen Exekutive”, wie in den vergangen zwei Jahren. Auch zu Deutschland äußert Kaczyński Altbekanntes: Die Vertiefung der Zusammenarbeit dürfe nicht auf Kosten der polnischen Interessen gehen. Polen müsse seine Probleme lösen – zum Beispiel die der polnischen Minderheit in Deutschland und historische Angelegenheiten.

Die Wahlergebnisse Polens in den letzten Jahren zeigen eine deutliche West-Ost und Stadt-Land Teilung an. Kaczyński, auch wenn er sich in den politischen Umgangsformen tatsächlich wandeln sollte, könne diese Teilung kaum überwinden, sein Konkurrent Komorowski könne dies als Person und Politiker mit seinen christdemokratischen Koordinaten sehr viel eher, meint Tadeusz Mazowiecki (83), der erste Ministerpräsident des freien Polens 1989.

Ob dieses hehre Ziel jedoch für eine Mehrheit in dem politisch gespaltenen Polen ausschlaggebend sein wird, ist fraglich. So fürchten auf der einen Seite nicht wenige die Rückkehr Kaczyńskis, wogegen er auf der anderen Seite als Vertreter des „wahren Polen“ bejubelt wird.

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