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Lettland steht vor schwieriger Regierungsbildung

von Elisabeth Bauer

Etablierte Parteien mit Verlusten – Zulauf für neue Kräfte

Am 7. Oktober waren 1,5 Millionen Wahlberechtigte in Lettland aufgerufen, über die 100 Sitze im Parlament in Riga zu entscheiden. Zur Wahl stellten sich 16 Parteien und Bündnisse. Bei nur 54,6 Prozent Wahlbeteiligung stand bereits vor Auszählung der Stimmen die größte Partei, die Partei der Nichtwähler, fest.

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Damit und mit dem Erfolg der populistischen Partei KPV LV („Wem gehört der Staat“), die mit 14,25 % der Stimmen zweitstärkste Kraft im Parlament wurde, manifestiert sich die Distanz, die von vielen Menschen zum Staat und seinen Repräsentanten empfunden wird.

Diese Wahlbeteiligung und das -ergebnis ist eine Enttäuschung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass am 9. Oktober der 30. Jahrestag der Volkfrontbewegung in Lettland begangen wird – einer Bewegung, die sich für die Unabhängigkeit von der Sowjetunion, für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzte. Zu vielen ist die Entwicklung des Landes fremd geworden. Nach wie vor sind die Institutionen schwach ausgebildet und das Vertrauen in diese nicht oder nur schwach vorhanden.

Bisherige Mitte-Rechts-Regierung abgewählt

Das bislang regierende Bündnis aus Vienotība (Einigkeit), Zaļo un Zemnieku savienība (ZZS) (Bündnis der Grünen und Bauern) und Nacionālā apvienība (NA) (Nationale Vereinigung) musste aus unterschiedlichen Gründen deutliche Verluste hinnehmen und verlor insgesamt 29 seiner bis dato 61 Sitze in der Saeima.

Allerdings konnte von diesem Verlust keine der bereits vor der Wahl im Parlament vertretenen Parteien profitieren, sondern drei neue Parteien/Bewegungen. Die Bildung neuer Parteien und Bündnisse im Vorfeld zu Parlamentswahlen stellt in Lettland keine Besonderheit dar, sondern hat bereits eine gewisse Tradition.

Bereits bei den Kommunalwahlen 2017 war die Jaunā Konservatīvā Partija (JKP) (Neue Konservative Partei) angetreten. In diesem Jahr erstmals angetreten sind die schon erwähnte KPV LV sowie das im April dieses Jahres gebildete Wahlbündnis Attīstībai/Par! (Für Entwicklung / Dafür!), das aus drei Parteien besteht: Kustība Par! („Bewegung Für!“), Latvijas attīstībai („Für Lettlands Entwicklung“) und Izaugsme („Wachstum“).

Im Wahlkampf dominierten innenpolitische Themen die Auseinandersetzung. Gesundheit, Bildung, Steuern sowie die Politik für die Regionen standen im Mittelpunkt. In der Außenpolitik ist bei den meisten Parteien eine große Übereinstimmung zur außenpolitischen Linie von EU und NATO zu finden. Eine Ausnahme bilden die pro-russisch orientierten Parteien Saskaņa (Harmonie) und Latvijas Krievu savienība (LKS) (Lettlands Russische Union).

Das Wahlergebnis

Insgesamt standen 16 Parteien oder Parteienbündnisse zur Wahl. Da Lettland, genau wie Deutschland, eine 5%-Hürde hat, finden sich hier vor den Wahlen häufig unterschiedliche Parteien und Gruppierungen zu Wahlbündnissen zusammen.

Insgesamt sieben Parteien bzw. Bündnisse haben den Einzug in das lettische Parlament geschafft.

Die stärkste Fraktion im neuen Parlament wird wiederum Sociāldemokrātiskā partija „Saskaņa“ (SDPS), die Sozialdemokratische Partei „Harmonie“ sein, die – wenn auch geringe – jedoch Verluste hatte und bei 19,8% im neuen Parlament mit 23 Sitzen vertreten sein wird. Auf die populistische Partei Kam pieder valsts (KPV) („Wem gehört der Staat“) entfielen mit 14,3% und 16 Sitzen die zweitmeisten Stimmen. Voraussichtlich wird jedoch keine der beiden Parteien von Staatspräsident Raimonds Vējonis mit einer Regierungsbildung beauftragt werden.

Diesen beiden Parteien folgt die Partei Jaunā konservatīvā partija (JKP), die erstmals angetreten, 13,6 % und 16 Mandate auf sich vereinigen konnte. Die weitere neue Partei resp. das Wahlbündnis Attīstībai/Par! (AP) („Für Entwicklung/Dafür!“) folgt mit 12,1% der Stimmen und 13 Mandaten. Die Nacionālā apvienība (NA) (Nationale Vereinigung) verlor 5,5% und liegt nun bei 11% und 13 Mandaten gegenüber 17 bei der letzten Wahl.

Die größten Verlierer dieser Wahl sind aber Zaļo un Zemnieku savienība (ZZS), das Bündnis der Grünen und Bauern mit nun 9,9% (11 Mandate) gegenüber 19,2 % 2014 (21 Mandate) und Jaunā Vienotība (V) (Neue Einigkeit) mit 6,7% und 8 Mandaten. Die EVP-Partei Jaunā Vienotība verlor damit 15,2 % und 15 Mandate. Hintergrund für dieses Wahlergebnis ist in erster Linie ein lange anhaltender innerparteilicher Konflikt, der erst zu Beginn des Jahres beigelegt werden konnte.

Unter den nicht im Parlament vertretenen Parteien sollten zwei erwähnt werden: Latvijas Reģionu Apvienība, die Partei der Regionen, angeführt von einem ehemaligen Abgeordneten und Kandidaten für den Parteivorsitz von Vienotība, Edgas Smiltens, sowie die Partei PROGRESĪVIE, die Progressiven – der Versuch der Etablierung einer Partei mit stark sozialdemokratischen Grundlagen.

Gegenüber 2014 sind die Parteien Latvijas Reģionu apvienība (LRA) (Lettische Regionale Allianz) sowie No sirds Latvijai (NSL) („Von Herzen für Lettland“) nicht mehr im Parlament vertreten. LRA verpasste mit 4,1% den Wiedereinzug weniger deutlich als NSL, die nur auf 0,8% der Stimmen kamen.

Regierungsbildung könnte viel Zeit in Anspruch nehmen

Die Regierungsbildung wird definitiv lange dauern und schwierig werden. Es ist davon auszugehen, dass in einem ersten Versuch Jānis Bordāns von der JKP mit einer Regierungsbildung beauftragt werden wird.

Fest steht: Das neue Parlament bedeutet äußerst schwierige Verhandlungen, da auf der Seite der Parteien, die zusammen arbeiten müssten, um Saskaņa und KPV LV aus der Regierung herauszuhalten, zum Teil große Bedenken untereinander bestehen.

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