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Machtwechsel in Thailand

Die älteste Partei Thailands, die Democrat Party (DP), übernimmt nach fast einem Jahrzehnt Opposition die Regierung in Thailand. Abhisit Vejjajiva ist der 27. Premier des Königreiches. Damit löst er das sogenannte Thaksin-Regime ab.

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Erst eine Kombination mehrerer Maßnahmen machte den Machtwechsel möglich: Ein Militärputsch, mehrere Parteiauflösungen, eine neue Verfassung, eine übereifrige Justiz, sechs Monate Straßendemonstrationen und schließlich auch die Unterstützung des Militärs.

Der Machtwechsel erfolgte nach einer dreijährigen politischen Krise, die ihren Höhepunkt in den längsten Demonstrationen der thailändischen Geschichte fand. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts, die Regierungspartei People´s Power Party (PPP), die dem 2006 gestürzten Premier Thaksin Shinawatra nahesteht, sowie zwei Koalitionspartner aufzulösen, führte schließlich zum Fall der PPP-geführten Koalitionsregierung.

Bei den letzten vier Wahlen seit 2001 konnte sich das Thaksin-Lager durchgehend als Wahlsieger behaupten. Dabei stützte es sich vor allem auf breite Teile der ländlichen Bevölkerung im Norden und Nordosten des Landes. Diese Kontinuität der Unterstützung für ein politisches Lager ist bisher einmalig in der politischen Geschichte des südostasiatischen Landes. Das alte Establishment des Landes war jedoch nicht willens, die Wahlergebnisse hinzunehmen. Für sie sind die armen Massen auf dem Land viel zu ungebildet und aufgrund ihrer Armut viel zu anfällig für Stimmenkäufe und finanzielle Versprechungen des Multimillionärs Thaksin. „Entthaksinisierung“ um jeden Preis ist daher das Motto der traditionellen militärisch-bürokratischen Elite des Landes. Durch den Putsch 2006 ist sie den ehemaligen Premierminister Thaksin nur physisch losgeworden, aber die Dynamik, die er freigesetzt hat, kann sie schwer kontrollieren.

Im aktuellen Konflikt war klar, dass ein neuer Militärputsch keine Lösung bringen würde, nachdem der Putsch von 2006 kläglich gescheitert war. So wurde die Regierung mit allen Mitteln unter Druck gesetzt. Die strenge Bewachung durch die unabhängigen Verfassungsorgane, monatelange Straßendemonstrationen, Medienkampagnen und fehlende Unterstützung durch die Sicherheitsapparate führten schließlich zur Schockstarre der PPP-Regierung.

Mit der Bildung einer neuen Regierung mit der Democrat Party an der Spitze hat das alte Establishment einen Etappensieg im Machtkampf mit den Thaksinisten errungen. Die Krise ist aber noch lange nicht überwunden. Nun wird die Regierung von einer Partei geführt, die sich in der politischen Krise der letzten Jahre am wenigsten profiliert hat, und zudem immer im Schatten der traditionellen bürokratisch-militärischen Elite stand. So ist auch die Regierungsübernahme der DP weniger ihr eigener Verdienst als vielmehr das der bürokratisch-militärischen Elite.

Die Democrat Party wird vornehmlich von der städtischen Mittelschicht getragen. Der 44-jährige Oxford-Absolvent Abhisit Vejjajiva ist erst seit 2005 Parteichef der Democrat Party: Er wird zwar als eloquenter Redner gepriesen, gilt aber politisch als unerfahren. Politische Beobachter bezweifeln seine Fähigkeit, zur Überwindung der tiefen gesellschaftlichen Spaltung beizutragen.

Patchwork-Koalition mit militärischer Beihilfe

Der Parteichef der oppositionellen Democrat Party, Abhisit Vejjajiva, erhielt bei der Sondersitzung zur Premierministerwahl die notwendige Mehrheit im Parlament. 235 Abgeordnete stimmten für ihn, so dass er sogar die Anzahl von 220 erforderlichen Stimmen überschritt. Der Gegenkandidat Pracha Promnog erhielt laut der offiziellen Auszählung 198 Stimmen. Pracha war von der PPP-Nachfolgepartei Puea Thai aufgestellt worden. Die Democrat Party ist mit 167 Abgeordneten im Parlament mit ursprünglich 480 Sitzen vertreten. Nach der Auflösung von drei Parteien und den politischen Betätigungsverboten für ihre Funktionäre reduzierte sich die Anzahl auf 436. Die PPP-Nachfolgepartei verfügt nunmehr über etwa 180 Sitze im Parlament, nachdem sich eine Gruppe abgespalten hat und mehrer Abgeordnete durch das Politikverbot ausgefallen sind.

Abhisit Vejjajiva hat insgesamt 71 Stimmen aus der bisherigen Koalitionsregierung bekommen. Ausschlaggebend war dabei eine Gruppe von 34 Abgeordneten aus der inzwischen verbotenen PPP, die unter dem Namen „Newins Freunde“ bekannt sind. Sie werden kontrolliert von Newin Chidchob, ehemals Funktionär der Thai Rak Thai Partei und rechte Hand von Thaksin, der zusammen mit weiteren 110 Funktionären der Thai Rak Thai einem fünf-jährigen Politikverbot unterliegt. Newin Chidchob hat seinen politischen Seitenwechsel mit der dringend notwendigen Überwindung des politischen Konflikts begründet. Zu seinen Bedingungen zählen die Weiterführung der Hilfsprogramme für arme Bevölkerungsteile, eine Verfassungsänderung zur Förderung der demokratischen Entwicklung und die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit. Vieles spricht allerdings dafür, dass er angesichts schwindender Chancen für ein politisches Come-back seines ehemaligen Chefs Thaksin erkannt hat, dass er seine politische Zukunft nur durch die Kollaboration mit dem alten Establishment sichern kann.

Es ist kein Geheimnis: Ohne die Beihilfe des Militärs wäre die neue Koalition nicht zustande gekommen. Während der Demonstrationen und den Blockaden an Bangkoks Flughäfen schien sich die thailändische Armee zurückzuhalten. Dies war jedoch nur eine scheinbare Neutralität. Die Armee verweigerte der gewählten Regierung den Gehorsam, der Armeechef Anupong rief im Fernsehen den Premier Somchai zum Rücktritt auf, schließlich rief er hochrangige Bürokraten des Landes zusammen und forderte die Auflösung des Parlaments. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts im Parteiverbotsverfahren und der Räumung der Flughäfen durch die PAD-Gefolgschaft (PAD – People’s Alliance for Democracy) war der Armeechef aktiv am Zustandekommen der neuen Koalition unter der Führung der Democrat Party beteiligt. Er lud die politischen Führer der Opposition, der Koalitionspartner der PPP und Newin Chidchob zu sich nach Hause ein. Am nächsten Tag erklärte die Democrat Party, sie würde zusammen mit den alten PPP-Koalitionspartnern die neue Regierung stellen.

Diesmal griff das Militär nicht – wie bereits mehrmals geschehen – mit Waffengewalt in die Politik ein, sondern lies die Eskalation der Gewalt zwischen Opposition und Regierung zu, um sich dann als Ordnungsfaktor einzuschalten. Zugleich demonstriert der schnelle Seitenwechsel der Parteien, dass ideologische Grundsätze keine Rolle spielen, sondern es vornehmlich um Macht und das politische Überleben geht. Bereits im Vorfeld der Premierministerwahl waren die Kabinettsposten verteilt worden. Demnach wird die Newin-Gruppe 5-6 Ministerposten bekommen, weitere fünf Ministerien werden an die Chat Thai Pattana gehen, mit fünf Portfolios rechnet auch Puea Pandin. Ruam Jai Thai Chart Pattana will zwei Sitze im Kabinett erhalten.

Die neue Regierung bringt aber nur eine scheinbare Stabilität. Die Chancen für ein langes Überleben einer von der DP geführten Zwangsallianz, die sich aus 4 kleinen Parteien und einer machtvollen Fraktion aus den Reihen der PPP zusammensetzt, sind sehr gering. Darüber hinaus haben die Anhänger der bisherigen Regierung bereits zu erkennen gegeben, dass sie sich wehren wollen. Solange die eigentlichen Ursachen der Krise nicht politisch angegangen werden, wird sich die gesellschaftliche Spaltung vertiefen und der Konflikt bald wieder eskalieren.

Die Krise und der König

Hinter der Krise verbirgt sich nicht der Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Moral und Korruption wie die etablierte Elite es gerne nennt. Sie ist wesentlich tiefgründiger: Es ist ein Kampf um Macht und Wohlstand. Es ist ein Verteilungskampf zwischen Stadt und Land, Süden und Norden, alter und neuer Elite, aber auch zwischen Tradition und Transformation. Es ist vor allem auch ein Machtkampf, in dem es um die Klärung der Machtverhältnisse nach dem Ableben des gesundheitlich angeschlagenen Königs geht. Auf der einen Seite steht das alte Establishment, die Monarchisten, Militärs und der Mittelstand, die die PAD und die Democrat Party unterstützen. Auf der anderen Seite stehen Emporkömmlinge, die Vertreter der Bauern und des armen Nordens, die die Thaksin-Bewegung ausmachen und die materiellen Ergebnisse der Politik bewerten.

Vor diesem Hintergrund steht die politische Spaltung des Landes in engem Zusammenhang mit Ungleichheiten im Modernisierungsprozess, der in Thailand fast ausschließlich auf den Großraum Bangkok konzentriert ist. Die Globalisierung hat die Kluft zwischen wirtschaftlicher Dynamik und sozialer Entwicklung vergrößert. Die wachsende Ungleichheit hat das streng hierarchisch aufgebaute Land mit seinen fest gefügten Traditionen aus dem Lot gebracht.

Der innenpolitische Machtkampf ist zu einem Zeitpunkt eskaliert, in dem sich das ansonsten übermächtige thailändische Königshaus in einer schwachen Phase befand. Der im Volk hoch angesehene Monarch, der als letzte moralische Instanz des Landes gilt und dessen Worte zu ignorieren sich niemand leisten kann, ist offenbar schwer krank. Zum ersten Mal seit 62. Jahren ließ der Monarch seine traditionelle Rede am Vorabend seines Geburtstages am 5. Dezember ausfallen.

Das ganze Land hatte mit großer Spannung auf ein richtungweisendes Machtwort des Königs gewartet. Während der tobenden Straßendemonstrationen zog es König Bhumibol Adulyadej vor, zu schweigen. Es ist äußerst schwierig zu beurteilen, ob dieses Schweigen ein Zeichen von Schwäche war oder aber als ein Unterstützungssignal zu interpretieren ist. Schließlich ist er an der aktuellen Krise nicht ganz unbeteiligt. 2006 hatte er die Justiz zu einer stärkeren politischen Rolle ermuntert – und damit die Weichen für die aktuelle Entwicklung gelegt.

Der inzwischen 81-jährige König Bhumibol Adulyadej ist der am längsten regierende Monarch der Welt, sein Königshaus laut Forbes das reichste der Welt. Seine Nachfolge ist jedoch noch nicht eindeutig geregelt. So schickte er an seinem Geburtstag sowohl den Kronprinzen als auch die Kronprinzessin als Vertreter vor. Der Machtkampf für die Zeit nach dem Ableben des Königs wird nicht nur auf der Straße ausgetragen werden, sondern auch auf politischer Ebene. Zwar haben sich die traditionellen Eliten sich nun politisch positionieren können, einen Transformationsprozess und Machtverlust werden sie sich jedoch auf Dauer kaum entziehen können.

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19. September 2008
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