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Malis unerwarteter Staatsstreich

von Andrea Kolb
In der Nacht auf den 22. März 2012 haben meuternde Soldaten nach eigenen Angaben einen Staatsstreich gegen die Regierung in Bamako verübt. Ein Monat vor den geplanten Präsidentschaftswahlen kommt dieser Putsch vollkommen unvorhergesehen. Er scheint Resultat einer plötzlichen Eskalation zwischen einer kleinen Gruppe erzürnter Soldaten und Verteidigungsminister Sadio Gassama zu sein. Die für den 29. April angesetzten Wahlen drohen verschoben werden zu müssen.

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Nach mehrstündigen Kämpfen mit der Präsidentengarde in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag stürzten meuternde Soldaten den malischen Staatspräsidenten Amadou Toumani Touré (ATT). Von der Regierung bislang noch nicht bestätigt, wurden einige seiner Minister festgenommen, darunter Verteidigungsminister Soumeylou Boubèye Maïga und der Minister für Gebietsverwaltung Kafougouna Koné.

Am Mittwochnachmittag hatten Soldaten bereits das Staatsfernsehen ORTM übernommen. Hier verkündete ihr Sprecher, Leutnant Amadou Konaré, dass das Scheitern der politischen Führung im Umgang mit der Tuareg-Rebellion und dem Terrorismus sie zu dem Staatsstreich bewogen hätte. Die Putschisten bezeichneten sich selbst als „Nationales Komitee zur Wiederherstellung der Demokratie und des Staates“ (CNRDR). Die Verfassung sei bis auf weiteres außer Kraft gesetzt und alle staatlichen Institutionen aufgelöst, erklärte Leutnant Amadou Konaré. Das Militär würde jedoch nur zeitweise die Kontrolle über das Land übernehmen, bis die nationale Einheit und die territoriale Integrität gesichert seien. Ihr Ziel sei nicht, die Macht langfristig zu sichern.

Auslöser scheint der Besuch des malischen Verteidigungsministers Sadio Gassama in einer Kaserne in Bamako gewesen zu sein. Unzufriedene Soldaten hatten bei dieser Gelegenheit gegen die Tatenlosigkeit der Regierung angesichts der Krise im Norden Malis protestiert.

Seit Monaten wird der malischen Regierung vorgeworfen, nicht strategisch genug gegen die Tuareg-Rebellen und die islamistischen Terroristen im Norden des Landes vorzugehen. Im Februar bereits hatten etwa 1.000 Angehörige der im Norden des Landes getöteten Soldaten gegen die Trägheit der Regierung hinsichtlich der Krise protestiert. Daraufhin hatte der Präsident ATT versprochen, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausrüstung der Streitkräfte im Kampf gegen die Separatisten zu verbessern.

Am Mittwochmorgen nahmen die Soldaten nun den Besuch des Ministers zum Anlass, erneut die nachlässige Krisenpolitik zu beklagen. Den Truppen stünden zu wenig Waffen und Lebensmittel zur Verfügung, die Familien getöteter Soldaten würden schlecht versorgt.

Inzwischen wurde ein Waffenstillstand verhängt, aber die Stimmung im Zentrum Bamakos bleibt angespannt. Vereinzelt hört man noch Warnschüsse. Der Flughafen und alle Landesgrenzen sind geschlossen. Auch die Geschäfte sind geschlossen, aber die Menschen bewegen sich weiterhin mehr oder weniger sicher auf den Straßen Bamakos. Der Anführer der Soldaten, Hauptmann Amadou Sanogo, kündigte jedoch ab Donnerstag eine Ausgangssperre an. Der demokratisch gewählten Präsident Amadou Toumani Touré befindet sich weiterhin in der Hauptstadt Bamako.

Auch in der nördlichen Stadt Gao meuterten Militärs und sollen mehrere hohe Offiziere als Geiseln genommen haben.

Reaktionen aus der Politik

Bislang gibt es nur wenige Reaktionen seitens der malischen Zivilgesellschaft und Politik. Eine einzige Partei, Solidarité Africaine pour la Démocratie et l'Indépendance (SADI), begibt sich auf die Seite der Putschisten. Der Vorsitzende der kleinen Oppositionspartei und ehemalige Kulturminiter Cheick Oumar Sissoko hat in einem Interview erklärt, eine solche Reaktion der Militärs sei zu erwarten gewesen. Die Frustration der an der Front kämpfenden Soldaten sei extrem gewesen. Sie hätten sich vernachlässigt und gedemütigt gefühlt, da man von ihnen großen Einsatz erwarte, ihnen aber nicht die notwendige Ausrüstung zu Verfügung stelle. Zudem beklagt Sissoko die mangelnde Informationspolitik der Regierung der Bevölkerung gegenüber und dass ATT seine Versprechen gegenüber der Angehörigen der getöteten Soldaten nicht gehalten habe.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerten sich besorgt über den Putsch. Noch für Donnerstag will der Sicherheitsrat ein Dringlichkeitstreffen einberufen und sich über die Vorgänge in Mali unterrichten lassen. Der französische Außenminister Alain Juppé hat sich bereits für ein zeitnahes Abhalten der Präsidentschaftswahlen nach Beendigung der Meutereien ausgesprochen.

Ausblick

Dieser Staatsstreich kommt unvorhergesehen. Einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen war die Hoffnung der Malier groß, dass die neu gewählte Regierung, in welcher Konstellation auch immer, die Bekämpfung der Krisenherde im Norden zu ihrer Priorität machen würde. Dies hatten die meisten Präsidentschaftskandidaten während ihres Vorwahlkampfes laut und deutlich angekündigt. Nun drohen die für den 29. April vorgesehenen Wahlen verschoben werden zu müssen.

Es liegt nun an der Zivilgesellschaft und an den politischen Parteien, die Putschisten zu beruhigen und durch eine zeitnahe Abhaltung der Wahlen eine Lösungsstrategie anzubieten. Auch die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (CEDEAO), die Afrikanische Union und die internationale Gemeinschaft müssen jetzt Druck auf die Putschisten ausüben. Ein Militärputsch hilft dem Land derzeit nicht weiter. Mali steht vor großen Herausforderungen hinsichtlich der anhaltenden Tuareg-Krise, der Bedrohung durch islamistische Terroristen und der Nahrungsmittelkrise im Norden. Der einzige Ausweg scheint ein kompetentes Krisenmanagement durch eine neue Regierung.

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