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Nach Unruhen in Mosambik: Preiserhöhungen zurückgenommen

Nach gewalttätigen Unruhen am 1. und 2. September nahm die mosambikanische Regierung die Preiserhöhungen von Grundnahrungsmitteln und Treibstoff, gegen die protestiert worden war, am 7. September wieder zurück. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wurden angekündigt. Das Maßnahmenpaket gilt bis Dezember; bis dahin soll die Lage neu bewertet werden. Die Regierung verschaffte sich damit nach unruhigen Tagen eine Atempause.

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Protest-Aufrufe per SMS

Am 1. und 2. September kam es im Großraum Maputo und der Nachbarstadt Matola zu gewalttätigen Protesten und Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Bilanz: mindestens zehn Tote und über 200 Verletzte; fast 300 Personen wurden festgenommen (die Angaben variieren). Auch andere Städte waren – wenn auch in geringerem Maße – von Protestmaßnahmen betroffen. Vorausgegangen waren per Mobiltelefon verschickte Nachrichten von unbekannten Absendern, die zu Streiks und zu Protesten gegen die ab dem 1. September in Kraft tretenden Preiserhöhungen von Brot und anderen Grundnahrungsmitteln, Strom, Wasser und Treibstoff aufriefen. Wie ein Kettenbrief wurden die Nachrichten weiter verschickt und erreichten damit eine Vielzahl von Empfängern.

Bis jetzt ist nicht bekannt, wer zu den Protesten aufrief. Tatsache ist nur, dass die Aufrufe auf ein vorhandenes Unruhepotential stießen, das sich in einem anscheinend unkontrollierten Ausbruch von Vandalismus mit brennenden Autoreifen, Containern und selbst Tankstellen, Straßenblockaden und Plünderungen von Geschäften entlud. Vor allem Jugendliche waren an den Protesten beteiligt, und vielfach schienen Kinder vorgeschickt worden zu sein.

Erste Reaktionen

Die ersten Reaktionen der Regierung erfolgten nach Meinung verschiedener Beobachter zu zögerlich. Für Verwunderung sorgte, dass sich zunächst die Spitze der Regierungspartei Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO) traf, bevor Staatspräsident Guebuza am ersten Tag der Proteste an die Öffentlichkeit ging. Der Präsident verurteilte die Protestler scharf, begründete die gestiegenen Preise mit der internationalen Wirtschaftskrise und rief zur Ruhe auf.

Nach einer Tagung des Ministerrats am zweiten Tag trat nachmittags der Pressesprecher Alberto Nkutumula vor die Presse. Er versicherte, dass die Preiserhöhungen nicht zurückgenommen würden und dass die Regierung alles an die Erfüllung ihres fünfjährigen Entwicklungsplans und die Armutsbekämpfung setze. Die Regierung rief ferner zu vermehrten Arbeitsanstrengungen auf. Verschiedene gesellschaftlich anerkannte Persönlichkeiten und Oppositionspolitiker mahnten zur Ruhe; nur der Vorsitzende der größten Oppositionspartei Resistência Nacional Moçambicana (RENAMO), Afonso Dhlakama, forderte die Demonstranten auf, weiterzumachen, stieß damit allerdings auf wenig Verständnis (wie überhaupt mit verschiedenen Äußerungen während der vergangenen Monate).

Ab Freitag zirkulierten SMS, anscheinend aus regierungsnahen Quellen, in denen zu „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ aufgerufen wurde, und es wurde in Maputo dann ruhiger, so dass ab dem Wochenende sich das Leben wieder normalisierte.

Kehrtwende der Regierung

Zu einer überraschenden Kehrtwende der Regierung kam es dann am 7. September, dem mosambikanischen Feiertag, an dem der Unterzeichung der Verträge von Lusaka im Jahr 1974, mit der die Unabhängigkeit Mosambiks eingeleitet wurde, gedacht wird.

Die Regierung erklärte u.a., dass die Preiserhöhungen für Strom und Wasser rückgängig gemacht und der Brotpreis durch Subventionen wieder heruntergesetzt würde und verschiedene Grundnahrungsmittel weniger stark besteuert würden, um die Preise niedrig zu halten. Ferner verordnete die Regierung ihren höchsten Angestellten ein Sparprogramm: Einfrieren der Gehälter und Zulagen. Diese Maßnahmen sollen bis Anfang Dezember gelten und dann neu überdacht werden. Um die Deckung der Programme sicherzustellen, wurden verschiedene Maßnahmen wie Sparsamkeit bei öffentlichen Ausgaben, Reduzierung der Flugkosten etc. angekündigt.

Probleme gelöst?

Doch sind die Probleme damit gelöst? Die Regierung hat sich lediglich eine Atempause verschafft, die grundlegenden Entwicklungsfragen sind längst nicht beantwortet. Trotz vielfältiger Entwicklungsprogramme lebt der größte Teil der mosambikanischen Bevölkerung weiterhin in Armut. Obwohl nahezu die Hälfte des Staatshaushaltes über ausländische Budgethilfe finanziert wird und zahlreiche nationale und internationale, staatliche und private Institutionen sich seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahre 1992 der Armutsbekämpfung widmen, scheinen die Erfolge begrenzt zu sein. Die gefühlte Schere zwischen Arm und Reich ist in den letzten Jahren eher größer geworden: einerseits sind teure Autos und aufwendige Neubauten zu sehen, andererseits führen die meisten Mosambikaner ein extrem einfaches Leben bestimmt von der Sorge um das tägliche Überleben.

Ein Grund für die aktuellen Preiserhöhungen liegt im Wertverlust des Metical im Vergleich zu anderen Währungen, z.B. zum südafrikanischen Rand. Ein Grossteil der Waren, vor allem auch Grundnahrungsmittel, wird aus dem benachbarten Südafrika importiert. Eigentlich sollte dies nicht nötig sein, gibt es doch in Mosambik selbst fruchtbare Flächen. Diese werden allerdings kaum landwirtschaftlich genutzt, die angekündigte „grüne Revolution“ hat bisher nicht stattgefunden. Die Bevölkerung auf dem Land lebt meist subsistent, die arme städtische Bevölkerung ist auf die importierten Produkte auf den Märkten angewiesen. Eine Ausweitung der inländischen (landwirtschaftlichen) Produktion wäre dringend nötig, ist allerdings nicht in wenigen Monaten zu bewerkstelligen.

Die inzwischen zurückgenommenen Preiserhöhungen erfolgten ein knappes Jahr nach den letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, die die FRELIMO – wenn auch bei insgesamt niedriger Wahlbeteiligung – mit deutlicher Mehrheit gewonnen hatte. Die Regierung hatte sich die Armutsbekämpfung als oberste Priorität vorgenommen. Teile der Bevölkerung waren daher enttäuscht oder auch wütend darüber, dass die Preiserhöhungen nach gewonnenen Wahlen erfolgten und sich die Hoffnung auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse seit dem vergangenen Jahr ins Gegenteil verkehrt hatte. Ein Beobachter bewertete die Proteste als „Warnschuss“: so könnte es nicht weitergehen und die Regierung sollte ihre Politik überdenken, sonst würden die Proteste erneut aufbrechen.

Protestpotential ohne Ventil

Besorgniserregend ist die Tatsache, dass es anscheinend keine organisierten Formen des Protests gibt, kein Ablassventil, keine Möglichkeit, Widerspruch offen zu zeigen, Gesprächspartner oder Anführer auf Seiten der Protestler nicht sichtbar sind. Manche Mosambikaner schauten fast neidisch auf die gleichzeitigen, gewerkschaftlich organisierten Streiks und Demonstrationen in Südafrika mit ihren Verhandlungen. Dort standen sich Regierung und Gewerkschaften, die Teil der Regierungspartei ANC sind, gegenüber, in Mosambik kaum vorstellbar. Gerade wegen der fehlenden Kanäle kam es am Ende zu Gewalt und Chaos. Manch einer wünschte sich ein Gesicht, eine Art Verhandlungsführer, aber niemand ist zu sehen, der diese Verantwortung übernehmen wollte oder könnte.

Letztlich fehlt es an einem offenen Dialog. Zwar reist der Staatspräsident im Rahmen der „presidência aberta“, der „offenen Präsidentschaft“, durch das Land, um sich ein eigenes Bild von der Lage zu verschaffen und in den Dialog mit der Bevölkerung zu treten, aber es ist fraglich ob er hier ein realistisches Bild erhält und falls ja, ob Kritik und Vorschläge aus der Bevölkerung anschließend ernst genommen und nachgehalten werden. Die letzten Reisen führten eher zu Kritik am kostenintensiven Einsatz von Helikoptern. Bleibt zu hoffen, dass nach der kurzfristigen Beseitigung der Probleme die langfristig notwendigen Ansätze von allen Seiten mit Nachdruck verfolgt werden.

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