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Länderberichte

Parteienlandschaft im Umbruch

von Frank Spengler

Die Viererkoalition hat sich auf einen Spitzenkandidaten geeinigt

Die Massenproteste zu Anfang des Jahres 2001 im Zusammenhang mit der Krise des öffentlich - rechtlichen Fernsehens zeigten erneut, dass große Teile der Bevölkerung mit der politischen Situation im Lande unzufrieden sind. Von dem Konflikt um das öffentlich - rechtliche Fernsehen konnte jedoch die Viererkoalition (Parteienbündnis aus Christdemokraten (KDU-CSL), Freiheitsunion (US), Bürgerlich - Demokratische Allianz (ODA) und Demokratische Union (DEU) profitieren, was sich auch in Meinungsumfragen niederschlug.

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Aber auch die Viererkoalition ist nicht frei von internen Spannungen. Die beiden dominierenden Partner des Bündnisses, US und KDU-CSL, verfolgen teilweise doch sehr unterschiedliche Programmvorstellungen. KDU-CSL spricht sich z. B. für eine Soziale Marktwirtschaft aus, wobei die US hingegen sich stärker an dem Modell einer reinen Wettbewerbswirtschaft orientiert. Neben den inhaltlichen gibt es auch divergierende strukturelle Unterschiede: die KDU-CSL hat 60.000 eingetragene Mitglieder, die US kann lediglich einige Tausend Mitglieder aufweisen.

Für die Wahl des künftigen Spitzenkandidaten der Viererkoalition, die am 26. - 28. Januar 2001 durchgeführt wurde, standen zwei Kandidaten zur Auswahl: Christdemokraten und ODA hatten sich auf den nordmährischen KDU-CSL Vertreter Jaroslav Kopriva, den früheren stellvertretenden Innenminister, als gemeinsamen Kandidaten geeinigt. Freiheitsunion und DEU schlugen den Vorsitzenden der Freiheitsunion, Karel Kühnl, vor. Am Wochenende einigten sich die acht Vertreter des politischen Rates der Viererkoalition nach einer mehr als 48-stündigen Diskussion überraschend auf den 1. stellvertretenden Vorsitzenden der KDU-CSL, Cyril Svoboda.

Nachdem weder für Kopriva noch für Kühnl im politischen Rat eine Mehrheit gefunden werden konnte, einigten sich die politischen Spitzen der vier Parteien auf einen Kompromiss. Die Freiheitsunion zog ihren Kandidaten Karel Kühnl zurück, die Christdemokraten verzichteten auf die Kandidatur des weitgehend unbekannten Kopriva und stellten Svoboda auf, obwohl dieser in der KDU-CSL als ein Konkurrent des Parteivorsitzenden Jan Kasal gilt und eher dem "linken Flügel" zugerechnet wird. #'Svobodawurde dann auch gewählt und zugleich ein 7-Punkte-Abkommen der Partner verabschiedet, das deutliche Zugeständnisse an die Freiheitsunion beinhaltet:

Svobodamuss auf seine Funktion als ein stellv. Vorsitzender der KDU-CSL verzichten, hat künftig im politischen Rat kein Stimmrecht mehr (bislang: KDU-CSL 4, US 4, ODA und DEU je 1, neu: KDU-CSL 3, US 4, ODA und DEU je 1), dem Schattenkabinett Svobodas werden für die US sieben, für die KDU-CSL vier, für die ODA zwei und für die DEU ein Mitglied angehören. Im Senat wollen die vier Partner eine gemeinsame Fraktion bilden, Fraktionsvorsitzender soll ein Vertreter der ODA werden.

Die WahlSvobodasist ein wichtiges Signal für die Öffentlichkeit, dass es nun eine reale Alternative zu den beiden großen Parteien CSSD und ODS gibt. Der CSSD-VorsitzendeZemanreagierte sehr positiv auf die Wahl Svobodas: "Die Viererkoalition hat sich auf ihren besten Mann geeinigt", lautete sein Kommentar im ersten Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens CT.

Die Wahl eines gemeinsamen Spitzenkandidaten für die Parlamentswahlen im Jahre 2002 war ein entscheidender Schritt auf Weg zu einer Integration der Parteien der Viererkoalition. Das Parteienbündnis sollte der Gefahr entgegen wirken, dass die kleinen Parteien von ODS und CSSD marginalisiert würden.

Das von den beiden Parteien im Jahre 2000 im Parlament verabschiedete neue Parteiengesetz hätte in der Tat große Parteien bevorteilt. Allerdings ist die Gefahr gebannt: Die Novelle des Wahlgesetzes, wie sie die "Oppositionspartner" CSSD und ODS vorgeschlagen hatten, wurde in den entscheidenden Paragrafen vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig abgelehnt. Damit fehle nun aber der eigentliche Motor, der die vier Parteien veranlasst habe, aus einem losen Parteienbündnis den Schritt zu einer allmählichen Integration zu tun, stellte in einem Kommentar Jiri Leschtina in der Tageszeitung "Mlada Fronta Dnes" fest (Mlada Fronta Dnes, 26. Januar 2001).

Die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der politischen Situation im Land, aber auch die unterschwelligen Spannungen in der Viererkoalition, war Anstoß für einige Politiker in der US, aber auch für parteilose Wirtschaftsexperten, Unternehmer und Publizisten, sich Gedanken über eine neue politische Bewegung oder Partei zu machen.

Die Idee ist nicht neu. Bereits 1999 zum zehnten Jahrestag der "Samtenen Revolution" wurde mit der Initiative "Danke, tretet zurück" der Grundstock für die Neugründung einer politischen Bewegung gelegt.

Dass daraus keine Parteigründung folgte, ist auf den fehlenden Willen der damaligen Initiato-ren zurückzuführen, die sich allerdings um die Gruppe "Impuls 99" formierten.

Unabhängig davon hatten sich weitere Initiativen etabliert, die harsche Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung Zeman übten. Dazu gehörte beispielsweise die "Drevicska vyzva", der vor allem Wirtschaftsfachleute, Publizisten, aber auch einige Politiker angehörten.

Hinzu kommt die Vereinigung "Lipa" (Linde), deren Mitglieder zum Teil auch in der "Drevicska vyzva" (Drevicska Aufruf) aktiv waren. Es entstand ein Netzwerk. Der Vorsitzende der ODS, Vaclav Klaus, bezeichnete diese Initiativen immer wieder als "Havel-nah" und als "unterschwellige dritte Kraft".

Nun kristallisiert sich, nach einem Bericht des Wochenmagazins "Euro", um den US-Politiker und Unternehmer Jiri Lobkowicz der Kern einer möglichen künftigen Partei, der zu einem Teil Initiatoren der oben genannten Gruppierungen angehören sollen.

Lobkowiczmache, so das Blatt, die Entstehung der Partei von drei Entwicklungen abhängig:

der Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Novelle des Wahlgesetzes,

ob es der Viererkoalition gelingt, nach der Wahl des Spitzenkandidaten mit einer geeinten Struktur aufzutreten und zu einer Partei der offenen Bürgergesellschaft zu werden,

wie sich die Sozialdemokratische Partei nach ihrer Frühjahrskonferenz und der Wahl eines neuen Parteivorsitzenden entwickeln wird.

Politische Beobachter gehen aber davon aus, dass Lobkowicz von aussen nur Druck auf die Viererkoalition erzeugen wollte, damit diese die Integrationsanstrengungen ausbauen sollten und er wohl kaum die Absicht habe, eine neue Partei zu gründen. Die Viererkoalition hat mit der Einigung auf einen gemeinsamen Spitzenkandidaten einen wichtigen Schritt zur Verschmelzung getan und angemessen auf die Initiative von Jiri Lobkowicz reagiert.

Nach der Niederlage von ODS und CSSD vor dem Verfassungsgericht versuchte Ministerpräsident Zeman bei seinem Besuch in München, wenigstes außenpolitisch Boden gut zu machen und mit einer breit angelegten Werbekampagne BMW und Audi für Investitionen in Tschechien zu gewinnen.

Der tschechische Ministerpräsident vereinbarte mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber die Aufnahme eines umfangreichen tschechisch-bayerischen Dialogs zu den Themen EU-Beitritt, wirtschaftliche und soziale Kooperation sowie Schulpartnerschaften. Etabliert werden soll dieser Meinungsaustausch auf der Ebene der Regionalvertretungen, der Euroregionen und der Berufsgruppen, wobei auch die Sudetendeutschen in den Dialog einbezogen werden sollen.

MinisterpräsidentZemanverwies in diesem Zusammenhang auf die Vereinbarung mit der deutschen Bundesregierung, eigentumsrechtliche Fragen nicht anzusprechen. Der bayerische MinisterpräsidentStoiberwiederum unterstrich den unterschiedlichen Rechtsstandpunkt der deutschen Seite zu dieser Frage. In Tschechien stieß die Vereinbarung bei Vaclav Klaus auf Verwunderung.KlauskritisierteZeman, in der Frage der Sudetendeutschen eine "Kehrtwendung" vollzogen zu haben. Früher habeZemanden Dialog über die sudetendeutsche Frage ausschließlich mit der Bundesregierung führen wollen, die aktuelle Vereinbarung habe ihn, soKlaus, "total überrascht" (Pravo, 25. Januar 2001).

Klausfand allerdings nicht den erhofften Beifall der tschechischen Medien. "Pravo" korrigierte den Politiker,Zemanhabe völlig korrekt gehandelt. Tschechien müsse keineswegs die Diskussion "über die Vergangenheit fürchten", stellt der KommentatorJan Kovarikfest (ebenda). Auch die Tageszeitung "Mlada Fronta Dnes" begrüßt die Dialogbereitschaft Zemans. Diese sei "kein Verrat an den tschechischen Interessen, sondern im Gegenteil, der erste Schritt, um diese wahrzunehmen." (Mlada Fronta Dnes, 24. Januar 2001).

Für Irritationen sorgte auch eine Äußerung des AbgeordnetenJan Zahradil, der zugleich Außenminister im Schattenkabinett der ODS ist, über die von den StaatsorganenKubaswiderrechtlich festgehaltenen tschechischen StaatsbürgerIvan Pilip(US) undJan Bubenik.

In einem Interview für die "Pravo" (25.1. 2001) äußerte er sich über den Abgeordneten der Freiheitsunion abfällig. Hinter dessen Aktion auf Kuba vermute er mehr als nur Aktivitäten "zum Schutz der Menschenrechte".Zahradillöste damit bei den anderen Abgeordneten heftige Reaktionen aus, die sogar bis zu Beschimpfungen reichten. Der ODS-Politiker habe bewusstPilipundBubenik''benik''nik''k''' geschadet, die sich beide in kubanischer Haft in einer kritischen Situation befänden (Pravo, 26. Januar 2001).

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., 02/18/2003 15:41:51

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