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Länderberichte

Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Ecuador

von Dr. Manfred Rabeneick
Die Wähler Ecuadors wurden am 20. Oktober 2002 zu den Wahlurnen aufgerufen. Es standen Neuwahlen für den Staatspräsidenten mit seinem Vizepräsidenten, die Wahlen der Abgeordneten des Kongresses, des Andenparlaments, der Provinzabgeordneten und der Gemeinderäte an.

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Der Wahlkampf war auf sechs Wochen begrenzt, die Wahlkampfkosten auf maximal 1,1 Millionen Dollar pro Präsidentschaftskandidat. Dies bedeutete insgesamt eine relativ kurze Wahlkampfzeit ohne übermäßige Materialschlacht. Allerdings versuchten manche Kandidaten die Wähler mit minutenlangen populistischen Fernsehspots zu überzeugen.

Es kandidierten schließlich elf Anwärter auf das Präsidentenamt. Umfragen, die bis Anfang Oktober veröffentlicht werden konnten, signalisierten zunehmend, dass keiner der vielen Kandidaten ein herausragendes Wahlergebnis erzielen würde. In früheren Wahlen konnten die beiden stärksten Kandidaten im ersten Wahlgang jeweils um die 30 % der Stimmen erringen.

Unmittelbar vor der Wahl waren noch ein Drittel der Wähler unentschieden, wen sie wählen sollten. So konnte nur vermutet werden, dass es zu einem knappen Ergebnis der Präsidentschaftswahl kommen würde und dass auch keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit erringen könnte. Die Wahlkampfthemen waren bei allen Kandidaten nahezu gleich: Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Korruptionsbekämpfung, Wohnen, Gesundheit. Letztlich handelte es sich jedoch nicht um einen programmatischen Wahlkampf, vielmehr ging es um eine Entscheidung zwischen populistisch auftretenden Kandidaten.

Einen Tag nach der Wahl konnten erst die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen festgestellt werden. Die Ergebnisse der anderen Wahlen werden erst im Laufe einer Woche feststehen.

Folgende Kandidaten mit ihren jeweiligen Vizepräsidentschaftskandidaten bewarben sich um das Präsidentenamt:

PräsidentVizepräsidentPartei
Alarcón, CésarZambrano, UniversiPL
Baki, IvonneFrixone, CésarMovimiento Metamorfosis, unterstützt von Partido Liberal Ecuador (PLE)
Borja, RodrigoGarcía, EvaID
Bucaram, JacoboVargas, FrankPRE
Gutiérrez, LucioPalacio, AlfredoSP, unterstützt von MPD
Hurtado, OsvaldoGallardo, GloriaMPS
Neira, XavierPérez, ÁlvaroPSC
Noboa, ÁlvaroCruz, MarceloPRIAN
Roldós, LeónPadilla, DoloresMovimiento Ciudadano, unterstützt von DP, Fuerza Ecuador, UN-UNO, PS, CFP
Vargas, AntonioVela, ModestoMIAJ
Velázquez, JacintoLarrea, PatricioTSI

Alle elf Kandidaten haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Es kandidierten unmittelbar zwei ehemalige Staatspräsidenten und indirekt zwei weitere:

Für die sozialdemokratische Partei trat der ehemalige Staatspräsident Rodrigo Borja (1988 - 1992) auf.

Der frühere christlich-demokratische Staatspräsident Osvaldo Hurtado (1981 - 1984) war ein Jahr vor der Wahl aus der Democracia Popular ausgetreten und hatte eine neue Partei Patria Solidaria gegründet, die noch ohne große Resonanz agierte.

Für die größte Partei Ecuadors, Partido Social Cristiano PSC, verzichtete der frühere Staatspräsident León Febres-Cordero aus gesundheitlichen Gründen auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur. Im Wahlkampf trat er jedoch für Xavier Neira häufiger sichtbar auf als Neira selbst, so dass es quasi auch zu einer Präsidentschaftskandidatur von Febres-Cordero kam.

Abdalá Bucaram, Staatspräsident von August 1996 bis zu seinem Sturz im Februar 1997, musste im Zusammenhang mit Anklagen wegen Bereicherung im Amt nach Panama fliehen. Von dort aus steuerte er den Wahlkampf seines von ihm als Kandidaten eingesetzten Bruders Jacobo Bucaram. Die Wahlkampfwerbung suggerierte allerdings Abdalá Bucaram als Präsidentschaftskandidaten.

So kämpften die ehemaligen Präsidenten Borja, Hurtado, Febres-Cordero und Bucaram gegeneinander, ohne zu erkennen, dass längst eine andere Generation nachrückt.

So hatte der bei der vorherigen Wahl 1998 gegen Jamil Mahuad knapp unterlegene Álvaro Noboa als reichster Mann Ecuadors (Bananenhandel) vier Jahre lang seine Wahlkampagne laufen lassen. Sozial- und Gesundheitsdienste auf dem flachen Land hatten ihm Zustimmung in den armen Wählerschichten gesichert.

Zwei Putschisten, die im Januar 2000 am Sturz Jamil Mahuads beteiligt waren, konnten sich im aktuellen Wahlkampf Erfolge durch das weiterhin aktuelle Antithema Jamil Mahuad ausrechnen. Der frühere Präsident des Indigenasverbandes CONAIE disqualifizierte sich jedoch selbst durch umfangreiche Fälschungen der zur Kandidatur erforderlichen Unterschriftslisten.

Anders der Fall des Obersten Lucio Gutiérrez, der damals die Revolte gegen Jamil Mahuad angeführt hatte. Er war zwar aus der Armee ausgeschlossen, später aber von Staatspräsident Gustavo Noboa amnestiert worden. In der Öffentlichkeit und schließlich im Wahlkampf konnte Gutiérrez immer stärker als der Anwalt der Armen auftreten, der Indigenas, der unter der Korruption leidenden Bevölkerung und der Wähler, die der alten politischen Garde überdrüssig wurden. Er präsentierte sich mit viel Energie als die neue Lösung der Probleme Ecuadors.

Die anfängliche Unterstützung der Kandidatur von Gutiérrez durch die sozialistische Partei wurde ihm kurz vor Beginn des Wahlkampfes durch die plötzliche Kandidatur von León Roldós streitig gemacht. Roldós ist wiederum der Bruder des früheren Staatspräsidenten Jaime Roldós (1979 - 1981) und frü-herer Vizepräsident unter Osvaldo Hurtado (1981 - 1984). Dies bedeutete jedoch eine zusätzliche Personalisierung der Streitigkeiten zwischen Borja, Hurtado, Febres-Cordero, Bucaram und Roldós. Wechselseitige Verunglimpfungen brachten zwar Theatralik in den Wahlkampf, jedoch keinerlei thematische Klärung der künftigen Politik. Dies schreckte die Wähler jedoch noch mehr ab.

Als Randfiguren traten eine ecuadorianische Botschafterin in Washington libanesischer Herkunft, Ivonne Baki, sowie ein Nationalist César Alarcón und ein Unternehmer Jacinto Velázquez auf.

Der Wahlkampf der Präsidentschaftskandidaten endete erwartet knapp - mit einigen Ueberraschungen:

Lucio Gutiérrez20,2 %
Álvaro Noboa17,4 %
León Roldós15,5 %
Rodrigo Borja14,6 %
Xavier Neira12,2 %
Jacobo Bucaram11,8 %
Jacinto Velázquez3,7 %
Ivonne Baki1,7 %
César Alarcón1,2 %
Osvaldo Hurtado1,0 %
Antonio Vargas0,8 %

(Es handelt sich dabei um vorläufige Endergebnisse, die sich nur noch leicht verändern können.)

Es werden sich also Lucio Gutiérrez und der Bananenhändler Álvaro Noboa am 24. November in der Stichwahl gegenüberstehen. Dabei zeichnet sich ein Erfolg von Lucio Gutiérrez ab, der eine neue, junge, die bisherige politische Garde ablehnende Generation vertritt.

Sein Erfolg wird das Land in eine weitere politische und wirtschaftliche Krise führen. Die seit Jahren laufenden Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfond werden weiterhin stagnieren. Investitionen werden aus Ecuador abgezogen, so wie der Wert der internationalen Anleihen Ecuadors sofort nach dem Wahlergebnis deutlich an Wert verloren haben. Gutiérrez stützte sich im Wahlkampf auf die Unterstützung der kommunistischen MDP, der sogenannten zivilgesellschaftlichen Movimientos Sociales und die den Indigenas nahestehende Pachakutik-Organisation.

Über eine parlamentarische Mehrheit kann Gutiérrez nicht verfügen. So ist auch seine Ankündigung ernst zu nehmen, dass er notfalls auch ohne Kongress regieren könne. Sein Programm ist ein Mix aus sozialistischen Elementen und Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Ecuadors auf dem Weltmarkt. Eine Kernmannschaft für ein Kabinett konnte er nicht vorstellen.

Dramatisch ist das Abschneiden von Osvaldo Hurtado zu bewerten. Als allgemein anerkannter Akademiker führte er einen informativen Wahlkampf durch - jenseits der populistischen Angebote. Ihm wurde jedoch die Förderung des zwei Jahre zuvor gestürzten Staatspräsidenten Jamil Mahuad angelastet, der für die Bevölkerung Ecuadors noch lange ein Trauma sein wird. Ferner galt Hurtados Kandidatur schon früh als aussichtslos, so dass immer mehr Wähler ihre Konzentration auf andere Kandidaten richteten. Gerade wegen der allgemeinen Akzeptanz von Hurtado bleibt es aber unverständlich, weshalb er mit gerade einem Prozent der Stimmen abgeschlagen auf dem vorletzten Platz gelandet ist.

Die Ergebnisse der Kongresswahlen liegen noch nicht vor, es wird aber eine starke Zersplitterung der politischen Kräfte geben. Voraussichtlich wird der frühere Staatspräsident León Febres-Cordero von der PSC zum Kongreßpräsidenten gewählt werden. Eine fallweise Koalition zwischen den beiden stärksten Parteien PSC und Izquierda Democrática wird es dem am 15. Januar 2003 ins Präsidentenamt kommenden neuen Präsidenten sehr schwer machen, zu regieren. Somit steht ein krisenreiches Jahr 2003 vor Ecuador.

Anhang:

Eine Vielzahl von Parteien und Bewegungen kandidierte bei den Kongresswahlen:

Parteien
Unión Nacional Uno (UN-UNO); ehemals Partido Conservador Unión Nacional (PCE-UN)
Democracia Popular - Unión Democrata Cristiana (DP-UDC)
Partido Social Cristiano (PSC)
Partido Roldosista Ecuatoriano (PRE)
Partido Libertad (PL)
Izquierda Democrática (ID)
Socialista-Frente Amplio (PS-FA)
Sociedad Patriótica 21 de Enero (PSP)
Renovador Institucional Acción Nacional (PRIAN)
Concentración de Fuerzas Populares (CFP)
Movimiento Popular Democrático (MPD)
Alfarismo Nacional (AN); ehemals Partido Unión Alfarista (UA-FRAU)
Partido Liberal Radical Ecuadoriano (PLRE)

Bewegungen
Unidad Plurinacional Pachakutik-Nuevo País (MUPP-NP)
Independiente Nacional por la Concertación Social (MINCS)
Renovación Democrática (MRD)
Transformación Social Independiente (TSI)
Ciudadanos Nuevo País (MCNP)
Nuevo Amanecer (MNA)
Patria Solidaria (MPS)
Realidad 2000 (MR 2000)
Movimiento Justicia (MJ)
Proyecto Patriótico Popular (PPP)
Inquilinos por la Patria (MIIP)
Independiente Amauta Jatari (MIAJ)
Movimiento de Integración Nacional (MIN)
Fuerza Activa del Desarrollo Ecuadoriano (FADE)

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Kontakt

Winfried Weck

Winfried Weck (2020)

Leiter des Regionalprogramms "Allianzen für Demokratie und Entwicklung mit Lateinamerika" ADELA und des Auslandsbüros Panama

winfried.weck@kas.de +507 387 4470

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