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Länderberichte

Senegal: Wahlen oder nicht Wahlen?

von Andrea Kolb, Dr. Ute Gierczynski-Bocandé
Die Präsidentschaftswahlen in Senegal sind für Sonntag, den 26. Februar 2012, anberaumt. Nur ein Teil der 14 Kandidaten hat Wahlkampf geführt, die anderen haben vier Wochen gegen die Kandidatur des Amtsinhabers Abdoulaye Wade demonstriert. Sie bestehen darauf, dass er seine Kandidatur zurückzieht oder dass die Wahlen verschoben werden.

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Die Kandidatur des offiziell 86-jährigen, von vielen als älter eingestuften Staatschefs Abdoulaye Wade ist seit ihrer Bekanntgabe durch den Verfassungsrat am 27. Januar 2012 umstritten. Es kam in Dakar und anderen Teilen des Landes zu gewalttätigen Demonstrationen, die bereits mehr als zehn Todesopfer forderten. Viele Menschen fürchten jetzt eine Eskalation der Gewalt, spätestens am Wahltag oder bei der Bekanntgabe der Ergebnisse.

14 Kandidaten stellen sich dem Wählerwillen. Als aussichtsreiche Kontrahenten des aktuellen Amtsinhabers gelten die Liberalen Macky Sall und Idrissa Seck, sowie die Sozialisten Moustapha Niasse und Ousmane Tanor Dieng. Wenige Chancen werden den anderen Kandidaten zugeschrieben, wenn sich auch einige in den letzten Wochen in der Anti-Wade-Kampagne profiliert haben.

Die Wahlkämpfer

Abdoulaye Wade mobilisierte die Massen, füllte an einigen ländlichen Orten sogar Stadien und Marktplätze, wobei die Methoden umstritten sind: Tausende Menschen wurden aus den Dörfern mit Bussen abgeholt und erhielten diverse Mitbringsel. Als Applaudiermasse füllten sie die Wahlkampfszenen.

Im Hintergrund demonstrierte nicht selten, von der Polizei oftmals abgeschirmt, der unzufriedene Teil der Bevölkerung: Lehrer, Schüler, Studenten, Bauern, die mit roten Armbinden, T-Shirts und Kappen nicht zum Versammlungsplatz durchdringen konnten.

Einer der Gegenkandidaten, Macky Sall, ehemaliger Premierminister und Dissident der liberalen PDS des Staatschefs, erzielte ebenfalls gute Erfolge bei der Massenmobilisierung. Teilweise kreuzten sich die Wahlkampfrouten Wades und Salls, die Anzahl ihrer mobilisierten Anhänger hielt sich in vielen Dörfern die Waage.

Auch die Sozialisten Ousmane Tanor Dieng und Moustapha Niasse zogen aus, um auf dem Lande Wählerstimmen zu gewinnen – obwohl sie die Kandidatur Wades nicht akzeptiert haben.

Die „Anti-Wahlkämpfer“

Anders der „harte Kern“ des M 23, Mouvement des 23. Juni, bestehend aus dem ehemaligen UNO-Funktionär und Minister Ibrahima Fall, dem sozialistischen Bürgermeister der Stadt St. Louis, Cheikh Bamba Dieye, und dem Ex-Premierminister und Dissidenten der liberalen Regierungspartei Idrissa Seck.

Sie und andere, weniger bekannte Kandidaten des M 23, unterstützt vom international bekannten Popstar Youssou N’Dour und den am 23. Juni bekannt gewordenen Rappern (von denen sich inzwischen mehrere im Gefängnis befinden), haben bewusst auf einen landesweiten Wahlkampf verzichtet. Ihr Postulat bleibt: „Wade darf nicht kandidieren, da seine Kandidatur nicht verfassungsgemäß ist. Mit Wade kann es keine Wahlen geben.“

Idrissa Seck und seine Mitstreiter ziehen seither täglich in Richtung Platz der Unabhängigkeit, um gegen die Kandidatur Wades zu demonstrieren. Dieser Zentralplatz Dakars wurde jedoch vom Innenminister mit einem Demonstrationsverbot belegt – zu nah befindet er sich am Präsidentenpalast. An einem der Demonstrationstage versuchten die Anhänger des M 23, den Kordon aus schwerbewaffneten Polizisten zu durchbrechen, die mit Tränengasgranaten und Gummigeschossen antworteten. Der Kandidat Dieye wurde dabei schwer verletzt. Inzwischen hat die Gewalt auf die Vororte Dakars übergegriffen und hat auch dort mehrere Tote gefordert.

Wie werden die Kandidaten des M 23 nun den Wahlsonntag begehen? Die Kandidatur von Wade akzeptieren sie nicht, aber einen Wahlboykott wollen sie auch nicht wirklich. Wählen wollen sie, aber ohne Wade. Befürchtet wird, dass die Anhänger des M 23 in die Wahlbüros eindringen, um Wahlzettel von Wade entfernen; in Senegal gibt es für jeden Kandidaten einen eigenen Wahlzettel. Dieses Procedere wäre Wasser auf den Mühen Wades, der die im M 23 vereinten Parteien kürzlich als politisch unreif und gewaltbereit bezeichnet hat.

Wahlorganisation und Wahlbeobachtung

Das Wählerregister wurde vor kurzer Zeit aktualisiert und von in- und ausländischen Experten geprüft und für solide befunden. Die Wahlzentren sind im Großen und Ganzen vorbereitet. Die materielle Organisation ist von Seiten des Wahlministeriums weitgehend gesichert, für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen sei gesorgt.

Nur die Verteilung der Wählerkarten ist zwei Tage vor den Wahlen noch immer nicht abgeschlossen. Bislang liegen noch um die 500.000 nicht abgeholte Wählerkarten in den Wahlkommissionen der Regionen und Kreise. Viele Wähler haben ihre Karten noch nicht erhalten. Der Grund ist eine unzureichende und unprofessionelle Verteilung, die dazu geführt hat, dass Wählerkarten an falsche Orte geliefert wurden.

Das M 23 plädiert gegen ein termingemäßes Abhalten der Wahlen. Es befürchtet, dass das viele der nicht abgeholten Wählerkarten an regimetreue Wähler vergeben werden könnten.

Unterstützung in der Wahlbeobachtung erhält Senegal von der Europäischen Kommission, den USA und Frankreich, die rund 90 Wahlbeobachter geschickt und die Ausbildung von mehreren Hundert einheimischen Beobachtern finanziert haben. Für 12.000 Wahlbüros stehen letztlich ca. 3.000 Beobachter zur Verfügung.

Die politischen Parteien, die in den Wahllokalen ebenfalls als Beobachter anwesend sein sollten, sind in vielen ländlichen Zonen nicht vertreten. Nur die liberale Regierungspartei PDS und in kleinem Maßstab die großen Parteien der Sozialisten (PS, AFP) und liberalen Dissidenten (APR, REWMI) sind auch in Randzonen teilweise vertreten. Es wird vermutet, dass die meisten Stimmen in diesen ländlichen Gebieten von der PDS gewonnen werden.

Der Vertrauensverlust in die Institutionen, der schon mit der Genehmigung der Kandidatur Wades durch das Verfassungsgericht (bestehend aus fünf von Wade ernannten Richtern) begann, kann dazu führen, dass viele Teile der Bevölkerung und besonders die Opposition gegebenenfalls das Wahlergebnis nicht anerkennen werden.

Obasanjo als Vermittler?

Die Tatsache, dass drei Tage vor den Wahlen zwei hohe Vertreter der Afrikanischen Union und ECOWAS’ sowie der ehemalige nigerianische Staatschef Obasanjo in Dakar eingetroffen sind, weist auf die Brisanz der Lage hin. Frankreich, die USA und die EU haben schon länger ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Wades Kandidatur geäußert. Wade wies ihre Einwände zurück und verbat sich die internationale Einmischung.

Obasanjo selbst hatte 2007 ein drittes Mandat angestrebt und wurde damals vom nigerianischen Verfassungsgericht und Parlament davon abgehalten. So hat sein Einsatz in Dakar vor allem einen symbolischen Wert. Ausländische Partner und ein Großteil der Opposition und Teile der Bevölkerung sehen die Ursache der aktuellen Konflikte und Gewalthandlungen in der Haltung, mit der Wade (und sein Umfeld) seine Kandidatur durchgesetzt hat und aufrechterhält. Bislang kann davon ausgegangen werden, dass am Sonntag gewählt wird. Es ist aber durchaus möglich, dass seitens der Oppositionsbewegung M 23 der Wahlablauf gestört wird, mit dem Ziel, einen Abbruch der Wahlen zu erreichen.

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