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Länderberichte

Small Steps Toward A Big Vision

von Dr. Norbert Wagner, Roman Sehling

Präsident Obamas Kampf für eine Welt mit weniger Atomwaffen

Vor einem Jahr sprach Präsident Obama in Prag von seiner Vision einer Welt ohne Atomwaffen und hat damit das Thema der Abrüstung wieder auf die globale Tagesordnung gesetzt. Während seine Avancen gegenüber Iran und Nordkorea von diesen bisher nicht zufriedenstellend erwidert wurden, kann Obama auf erste Erfolge in seinem Bemühen um ein neues Abrüstungsabkommen mit Russland verweisen.

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Gestern (6. April, Anm. d. Redaktion) hat Verteidigungsminister Robert Gates auch die neue Atomwaffendoktrin (NPR) vorgestellt, welche der Bedrohung durch Terroristen mit Zugriff auf Atommaterial offiziell die höchste Priorität einräumt. In der nächsten Woche hat Obama deswegen auch die Staatschefs von 43 Ländern zum Nuclear Security Gipfel nach Washington gerufen, um Terroristen den Zugriff auf atomwaffenfähiges Material mit konkreten Maßnahmen und Verpflichtungen zu erschweren bzw. dies ohne staatliche Hilfe unmöglich zu machen. Im Mai treffen sich Vertreter von 188 Ländern dann in New York zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags (NPT). Dort werden die USA versuchen, vor dem Hintergrund ihrer jüngsten Erfolge in den erwähnten Abrüstungsverhandlungen von den Teilnehmerstaaten konkrete Zusagen u.a. zur Stärkung von IAEA-Kontrollmaßnahmen (Zusatzprotokoll als globaler Standard) zu bekommen. Auch wird man versuchen, zu einem Übereinkommen hinsichtlich der Bestrafung von Nichteinhaltung der NPT-Vertragsverpflichtungen auch nach einem Vertragsrücktritt zu gelangen.

Neue Denkweise?

Präsident Obama hat bereits während seiner Amtszeit als US-Senator die Gefahr erkannt, die von Atomwaffen und massenvernichtungswaffenfähigen Materialien ausgeht. Gemeinsam mit dem Republikanischen Senator Richard Lugar war er u.a. Initiator eines Gesetzes, welches dem State Department mehr Mittel gab, um verbündete Staaten im Kampf gegen den Schmuggel mit atomwaffenfähigem Material zu unterstützen. Insofern ist es nicht überraschend, dass Obama sich nicht nur im Wahlkampf, sondern auch während seiner noch jungen Präsidentschaft sich diesem wichtigen internationalen Thema persönlich widmete. Vor einem Jahr versprach Obama daher, die Denkweise des Kalten Krieges zu überwinden und die Rolle der Atomwaffen zu verringern.

Nuclear Posture Review (NPR)

Der National Security Strategy aus dem Jahr 2002 zufolge, spielten Atomwaffen eine „kritische Rolle“ in der Verteidigung der USA und konnten nicht nur gegen Feinde mit Atomwaffen, sondern auch gegen Staaten mit Chemie-, Bio- und konventionellen Waffen eingesetzt werden. Dabei behielten sich die USA auch das Recht vor, einen „pre-emptive“ atomaren Erstschlag auszuführen. Die neue Obama-Doktrin ist deutlich weniger aggressiv formuliert und erklärt, dass die „fundamentale Aufgabe“ der US-Atomwaffen die Abschreckung eines nuklearen Erstschlags sei. (Die Wortwahl bzgl. „fundamentaler“ und nicht „einziger“ Aufgabe von US-Atomwaffen wird die Demokratische Parteibasis und Nichtverbreitungsbefürworter enttäuschen, Obama jedoch wichtige Rückendeckung gegenüber der Republikanischen Opposition geben.)

US-Atomwaffen würden daher nicht eingesetzt werden gegen Staaten ohne Atomwaffen, die Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags (NPT) sind und ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag nachkommen – auch wenn diese Staaten die USA mit Chemie-, Bio- oder konventionellen Waffen angriffen. Stattdessen würde die amerikanische Überlegenheit an konventionellen Waffen ausreichen (und wird aktiv ausgebaut), um Vergeltungsschläge effektiv und weltweit per „Prompt Global Strike“ ausführen zu können. Zudem soll der Ausbau von regionalen Raketenabwehrsystemen zusätzlichen Schutz bieten. Damit setzt Präsident Obama die bereits von Präsident Bush begonnene stärkere Integration von Langstrecken-Präzisionswaffen mit konventionellen Sprengköpfen als Teil der Abschreckung weiter fort. Die USA würden sich allerdings das Recht vorbehalten, im Falle eines existenzbedrohenden Biowaffenangriffs mit Atomwaffen zu antworten.

Nuclear Materials Security

Für Präsident Obama geht die atomare Gefahr nicht mehr ausschließlich von Russland und China sowie einigen „rogue states“ aus. Neben der Abschreckung von WMD-Angriffen seitens feindlicher Staaten wurde auch explizit der Schutz vor Terroristen mit Atommaterial als Top-Mission bezeichnet. Transnationale bzw. internationale Terroristen mit „Interesse“ an der Beschaffung von Massenvernichtungswaffen sind zwar bereits unter Bill Clinton und George W. Bush als Gefahr erkannt worden und eine Reihe von multilateralen und internationalen Programmen und Initiativen, wie die Proliferation Security Initiative und die UNSC Resolution 1540, widmen sich dieser Bedrohung, doch wurde sie bisher nicht in den Rang höchster Priorität innerhalb der US-Nuklear-Doktrin erhoben. Diese Neuformulierung der Prioritäten hat auch bereits Einkehr in den Haushaltsantrag gefunden – so soll z.B. das Budget für die Global Threat Reduction Initiative (GTRI) um 68 Prozent erhöht werden. (GTRI ist eines der Programme, mit denen atomwaffenfähiges Material gesichert sowie Forschungsreaktoren, die mit hoch-angereichertem Uran betrieben werden, zu Reaktoren konvertiert werden sollen, die weniger bedenkliches, leicht angereichertes Uran benutzen.)

No new bombs?

Ein Zeichen für die Abrüstung setzte Präsident Obama auch mit seinem Versprechen, keine neuen Atomwaffen zu bauen. Er hatte bereits letztes Jahr Ausgaben für das von Präsident Bush initiierte „Reliable Replacement Warhead“ Programm gestrichen (in den zwei Jahren zuvor hatte der von den Demokraten kontrollierte Kongress die Ausgaben nicht bewilligt). Verteidigungsminister Gates bekräftigte, dass keine neuen Sprengköpfe, neue Missionen, neue Kapazitäten und neue Waffenkomponenten für die US-Atomwaffen geplant bzw. gebaut würden. Präsident Obama musste jedoch auch auf diesem Gebiet deutliche Zugeständnisse gegenüber Republikanischen Senatoren machen, um die Ratifizierung internationaler Abrüstungs- und Nichtweiterverbreitungsverträge nicht zu gefährden: Um die Sicherheit und das Funktionieren der existierenden Atomwaffen zu garantieren, soll das diesbezügliche Budget der National Nuclear Security Administration (NNSA) im Jahr 2011 um insgesamt 25 Prozent auf $559 Millionen erhöht werden. (Das von Präsident Obama ersuchte Gesamtbudget für die NNSA soll 2011 insgesamt $11.2 Milliarden ausmachen, was eine Erhöhung von 13.4 Prozent darstellt.) Auf diese Weise sollen die Notwendigkeit von Atomtests umgangen, die wissenschaftlichen Kapazitäten erhalten, vorhandene Sprengköpfe in Stand gehalten, und so die Sicherheit der USA auch mit einem kleineren Arsenal gewährleistet werden.

Less old bombs

Da sich die atomwaffenfreien NPT-Vertragsstaaten sträuben würden, neue, einseitigen Auflagen bedingungslos zu akzeptieren, wird Obama in New York nun auf die Einhaltung des Artikel VI des Atomwaffensperrvertrages durch die USA verweisen: wie versprochen verfolgen die USA „in redlicher Absicht“ das Ziel der Abrüstung. Die neue Nuklearwaffendoktrin schränkt nicht nur die Anwendungsbedingungen von Atomwaffen ein, sondern verringert auch deren Zahl. Gemeinsam mit Russland verpflichteten sich die USA, ihre Anzahl an Sprengköpfen von 2.200 auf 1.550 zu reduzieren und die Anzahl an Waffenträgern auf 800 zu beschränken, wobei maximal 700 Waffenträger im Einsatz sein können. Dabei war insbesondere Russland interessiert daran, die Zahl der Waffenträger insgesamt stark zu beschränken und die Zahl der Sprengköpfe nicht zu tief anzusetzen, so dass die Träger zur vollsten Kapazität genutzt werden müssten. Damit wird eine eventuelle nachträgliche und verdeckte Wiederaufrüstung erschwert, was besonders in Russlands Interesse ist, da es sich diese kaum leisten könnte. Vertrauen ist gut, Kontrolle...

Bei den Verhandlungen zum jetzigen Prag-Vertrag zwischen Russland und den USA kam es zu einer Reihe von Verzögerungen. Zunächst wollte man ihn zum Auslaufen des START1-Vertrages am 5. Dezember 2009 abschließen. Es gab jedoch eine Reihe von Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Verifikationsregeln, insbesondere auch bezüglich des Austauschs von Informationen zu russischen Raketentests („telemetry“) belangte. Im Gegensatz zu dem 2002 beschlossenen Moscow Treaty, enthält der Prague Treaty wieder strikte Verifikationsmaßnahmen. Angesichts der umfassenden Pläne Obamas, regionale Raketenabwehrsysteme auch in der Nähe Russlands zu installieren, macht man sich dort Sorgen um den Erhalt der Vergeltungsschlagkapazitäten Russlands. (Während der langsamen Aufstiegsphase lassen sich Interkontinentalraketen am besten durch Abwehrmaßnahmen vernichten, da sie noch keine eigenen Abwehrmaßnahmen aktivieren konnten, noch relativ große Ziele darstellen und durch ihre Gas- und Wärme-Emissionen einfacher zu orten sind.) Da Präsident Obama schon aus innenpolitischen Gründen keine Einschränkungen beim Ausbau von Raketenabwehrsystemen hinnehmen konnte, musste Russland einlenken. Man einigte sich darauf, in der Präambel explizit darauf zu verweisen, dass Russland im Falle einer akuten Bedrohung durch Raketenabwehrsysteme von dem Vertrag wieder zurücktreten könne.

Tactical Nukes?

Zur Enttäuschung vieler Abrüstungsbefürworter wird das Schicksal der taktischen und strategischen Atomwaffen, die die USA und vor allem Russland in ihren Arsenalen lagern, im Nuclear Posture Review und im Prager Vertrag nur bedingt thematisiert bzw. keine konkreten Verpflichtungen fixiert. Momentan lagern mehrere tausend Sprengköpfe in beiden Ländern und warten darauf, endgültig verschrottet zu werden. Nur so kann eine Wiederaufrüstung und Entwendung durch Terroristen permanent verhindert werden. Präsident Obama will in diesem Jahr dazu neue Verhandlungen mit Russland beginnen und die Zahl der eingemotteten Waffen in den Arsenalen verringern. Weiterhin soll langfristig auch die Zahl der aktiven US-Atomsprengköpfe auf 1.000 verringert werden, wonach Abrüstungsverhandlungen auch mit anderen Staaten anfangen müssten. Angesichts der amerikanischen Überlegenheit im Bereich der konventionellen Waffen wird sich allerdings besonders Russland dagegen sträuben, amerikanische Verifikationsmaßnahmen hinsichtlich seiner 3.000 bis 8.000 taktischen Atomwaffen zuzulassen. Hinsichtlich der wenigen amerikanischen, taktischen Atomwaffen, die sich in Europa befinden, steht im NPR jedoch klar, dass diese in der nächsten Zeit nicht abgezogen werden sollen.

High alert!

Auch wenn nicht alle Beobachter Obamas Vision im NPR bereits ausreichend verwirklicht sehen und argumentieren, dass Verteidigungsminister Robert Gates augenscheinlich zu viel Einfluss auf die Formulierung gehabt habe, stellen die neue Doktrin und das Abkommen mit Russland einen Fortschritt im Bereich der Abrüstung dar. Einerseits geht Obama gestärkt in die kommenden internationalen Verhandlungen in Washington und New York – der Vorwurf, die USA würden ihren eigenen Abrüstungsverpflichtungen nicht nachkommen, ist nicht mehr so einfach aufrecht zu erhalten. Andererseits droht ihm auch nicht der Vorwurf des kompletten Ausverkaufs amerikanischer Interessen im Vorfeld des Zwischenwahlkampfs. (Die kommende Abstimmung im Senat zum Atomteststoppvertrag wird dabei eine klare Aussage über Obamas innenpolitischen Rückhalt geben). Unklar ist, inwiefern er seine Vertragspartner in Zukunft von ähnlich ambitiösen Schritten im Bereich der Abrüstung überzeugen kann. Zunächst geht es Präsident Obama jetzt aber darum, die Gefahr die von Terroristen mit atomwaffenfähigem Material ausgeht, zu bekämpfen und die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen zu stärken. Präsident Obama wird, wie er es selbst eingestanden hat, eine atomwaffenfreie Welt höchstwahrscheinlich nicht mehr erleben. Er wird jedoch auch alles tun, dass wir nicht Zeugen eines Terrorangriffs mit WMD-Materialien werden.

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