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Länderberichte

Stunde der lokalen Parteien ?

von Reinhard Willig

Erstmalig direkte Bürgermeisterwahlen in Costa Rica

Am kommenden 01. Dezember 2002 wird der Wähler Costa Ricas zum dritten Mal innerhalb eines Jahres an die Urnen gerufen. Dieses Mal werden Bürgermeister und Bezirksvertreter in sämtlichen 81 Kantonen (den deutschen Kreisen zu vergleichen) zu wählen sein. Umfragen zeigen, dass der Bürger mehrheitlich nicht über diese Wahlen informiert ist und auch nicht teilnehmen wird (Wahlenthaltung über 70 %), sie aber gleichwohl als sehr wichtig empfindet (rd. 70 % der Befragten).

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Nach den jüngsten Unfragen kann die regierende christdemokratische Partei (PUSC – Partido de Unidad Social Cristiana) des Präsidenten mit einem relativen Wahlerfolg von 32 % der Stimmen rechnen, gefolgt von der sozialdemokratischen Partei PLN (Partido de Liberación Nacional) mit 22 %, der Bürgerunion PAC(Partido de Acción Ciudadana) mit 7 % und dem liberalen ML (Movimiento Libertario) mit 3 %.

Costa Rica wird oftmals als das Land im lateinamerikanischen Kontinent bezeichnet, das am stärksten zentralisiert ist und in dem der Normalbürger eine relativ negative Einstellung zur Dezentralisierung hat. Das hängt zweifellos mit einer verhältnismäßig positiven Bewertung der Aktivitäten des Zentralstaates zusammen, wodurch man sich von anderen Ländern der Region unterscheidet.

Politischer Zusammenhang

Die Bürgermeisterwahlen finden etwa 6 Monate nach Amtsantritt des Präsidenten Abel Pacheco statt. Seine Amtsführung wird weiterhin von der Mehrheit der Bevölkerung positiv beurteilt, was sich auch in positiven Bewertungen seiner Regierungspartei wiederspiegelt. Allerdings kühlt sich das politische Klima zunehmend ab. Die fehlende Dominanz der Regierungspartei im Parlament macht jegliches politisches Vorhaben zu einer komplizierten Konsenssuche im fraktionierten Parlament. Zudem sind die einzelnen Parteien in sich in verschiedene personenbezogene Interessengruppen aufgespalten. Wesentliche Reformvorhaben sind unter diesen Bedingungen bislang nicht verabschiedet worden, der allgemeine Reformstau hält an.

Hinzukommen folgende allgemeine Tendenzen aus den bisherigen politischen Entwicklungen:

  • Zurückgehende relative Machtposition für die beiden Alt-Parteien PUSC und PLN in den Kommunalwahlen seit 1982 und wachsende Unterstützung für neue politische Gruppierungen auf kommunaler Ebene. In lediglich 10 de 81 Kreise konnten die Alt-Parteien eine Mehrheit für sich beanspruchen.
  • Auswirkungen der Wahlergebnisse der Gemeinde- und Stadtratswahlen vom Februar 2002, bei denen komplizierte Allianzen entstanden (am Ende sicherte sich die PUSC 39 der 81 Präsidentschaften in den Gemeinde- und Stadträten, die PLN 24 weitere), die eine geringe Stabilität aufweisen und die lokale „Regierungsfähigkeit gefährden. Seit 1998 sind 80 Bürgermeister aus den verschiedensten Gründen aus dem Amt geschieden – in der großen Mehrheit entweder durch Rücktritt oder durch Absetzung durch den Gemeinde- bzw. Stadtrat.
  • Wachsende politische Beteiligung der Frauen auf kommunaler Ebene. 25 der Gemeinde- bzw. Stadtratspräsidenten sind Frauen und besetzen rd. 47 % der Ratssitze. In 49 der 81 Provinzen gibt es ein Gleichgewicht in den Gemeinde- und Stadträten und nur noch 7 Provinzen werden mehrheitlich von Männern dominiert. Dies beruht auf einer gesetzlichen Regelung von 1996, die eine Frauenquote von 40 % vorschreibt, die in etwa bei den Wahlen 2002 erreicht wurde.

Einige Daten zur Wahl

Rd. 2,33 Millionen Bürger des Landes sind aufgerufen, etwa 4.900 lokale Mandatsträger zu wählen, denen rd. 16.200 Kandidaten gegenüberstehen. Von den 366 Bürger-meisterkandidaten haben mehr als zwei Drittel ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Allerdings sind nur 10 % Frauen. Mit einem Aufwand von rd. 7 Millionen Euro stellen diese Wahlen eine der teuersten der Geschichte des Landes dar. 34 Parteien, davon 23 auf kommunaler Ebene, beteiligen sich.

Der Wahlkampf

Bedingt durch die fehlenden Finanzmittel gestaltete sich der Wahlkampf recht blass und kandidatenabhängig. Aufgrund der geltenden Gesetzgebung werden lediglich für Wahlen auf nationaler Ebene staatliche Gelder zur Verfügung gestellt. Außerdem sind die Parteikassen aufgrund des Wahlgangs vom Februar 2002 und dem erstmalig in der Geschichte des Landes stattgefundenen zweiten Wahlgang nicht nur leer – die Parteien haben z.T. beträchtliche Wahlkampfschulden aufgehäuft.

Die Strategie der christdemokratischen PUSC ist auf das Potential der Nichtwähler gerichtet, was bereits bei den letzten Wahlen um 30 % lag und beim anstehenden Wahlgang zweifellos darüber liegen wird. Dazu sollen die lokalen Führungspersönlichkeiten ihre eigene Strategie bestimmen können, die Parteizentrale mischt sich nicht ein. Die sozialdemokratische PLN versucht, sich im Wahlkampf stärker mit den aufstrebenden lokalen und provinziellen Parteien zu verbünden. Unter Wahrung der doktrinären Grundsätze will man unterschiedliche Konzepte auf kommunaler Ebene unterstützen. Inhaltlich konzentrieren sich die nationalen Parteien auf die Effizienz der Kommunalverwaltung und Ausbau der Infrastruktur in ihren Wahlauftritten, während die kommunalen Parteien die Transparenz der Verwaltung in den Mittelpunkt stellen.

Jüngste Umfragen haben folgende allgemeine Tendenzen ergeben:

  • Zunehmende Bedeutung des Kandidaten, weniger des Programms. Einer Umfrage zufolge steht in den Wahlkriterien des Bürgers an erster Stelle die Parteizugehörigkeit, gefolgt von der Kenntnis des Kandidaten und seines Wahlprogramms.
  • Verkehrswege und allgemeine Sicherheit sind herausragende Themen für den Bürger. Sowohl auf dem Lande als auch in der Stadt stellen diese beiden Themen Prioritäten der lokalen Entwicklungsförderung dar, gefolgt von Arbeitslosigkeit und dem Drogenproblem.

Zukünftige Herausforderungen

Es ist nicht zu verkennen, dass sich das Paradigma der Kommunalpolitik im Lande langsam wandelt. Mehr und mehr geht das alte zentralstaatliche „Zuteilungsmodell“ in seiner Bedeutung zurück und das „Konzertationsmodell“ zwischen öffentlichem und privatem Sektor im Sinne eines lokalen Entwicklungsmodells gewinnt an Bedeutung. Der Erfolg dieser Strategie hängt aber wesentlich davon ab, inwieweit es gelingt, im Bereich der Zivilgesellschaft Ansprechpartner zu finden.

Hinzu kommt, dass die meisten der 14 kommunalen Parteien, die an den Wahlen teilnehmen, eine geringe Transparenz (diffuse Organisation, paternalistische Führungsstruktur, unklare Finanzierung etc.) aufweisen. Sie stehen vor Ort in Konkurrenz zu den zivilgesellschaftlichen Gruppierungen vor allem im Umwelt- und Frauenrechtsbereich. Ihr Beitrag zur lokalen Demokratie bleibt abzuwarten.

Die neuen Mandatsträger werden sich den alten Problemen auf lokaler Ebene gegenüber sehen, im wesentlichen im Bereich der Finanzen, wo die Möglichkeiten zu Investitionen lediglich bei rd. 15 % des Haushalts liegen. Deshalb ist der Spielraum der zukünftigen Bürgermeister zur Umsetzung ihrer politischen Schwerpunkte recht begrenzt.

Damit dürfte ein Prozess der Dezentralisierung „a la Tica“ am wahrscheinlichsten sein: die Kooperation zwischen den traditionellen politischen Eliten auf nationaler und lokaler Ebene.

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Kontakt

Dr. Werner Böhler

Dr

Leiter des Auslandsbüros in Costa Rica und Panama

werner.boehler@kas.de +506 2296 6676

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Über diese Reihe

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Sankt Augustin Deutschland