Asset-Herausgeber

Länderberichte

Thailand ohne Thaksin

Die Flucht Thaksins Mitte August 2008 nach Großbritannien besiegelt eine lange Kraftprobe zwischen ihm und der bürokratischen Elite bzw. dem militärischen Establishment des Landes. Thaksins politische Karriere ist nun endgültig beendet.

Asset-Herausgeber

Der ehemalige Premier war im September 2006 von den Streitkräften gestürzt worden. Nachdem seine politischen Gefolgsleute in der People’s Power Party (PPP) Anfang Januar nach einem deutlichen Wahlsieg die Regierung übernahmen, kehrte Thaksin zurück. Nach eigenen Angaben wollte er der Politik fernbleiben und vor den thailändischen Gerichten seine Unschuld beweisen.

Gegen den gestürzten Premierminister und seine Frau laufen nämlich insgesamt 13 Verfahren wegen Korruption, Amtsmissbrauchs und Steuerhinterziehung. Mit dem Urteil gegen seine Frau, die am 31. Juli im Zusammenhang mit einem Liegenschaftsskandal zu einer 3-jährigen Haftstrafe verurteilt worden ist, scheint Thaksin aber realisiert zu haben, dass er kaum Chancen hat, sich aus den Fängen der Justiz zu befreien.

Nach seiner Flucht nach Großbritannien ließ er in einer Presseerklärung verlauten, dass er nicht mit einem fairen Gerichtsverfahren in Thailand rechnet. Die Anklagen seien politisch motiviert und es gehe in erster Linie darum, ihn aus der Politik herauszudrängen. Dabei verwies er auf die personelle Besetzung der zuständigen Institutionen, die sich aus direkten und indirekten Unterstützern des Putsches von 2006 zusammensetzen.

In der Tat ist der Ex-Regierungschef der bürokratisch-militärischen Elite ein Dorn im Auge. Trotz Beteuerungen, der Politik den Rücken gekehrt zu haben, hielt er nach weit verbreiteter Ansicht die Fäden der Regierungspolitik immer noch in seinen Händen. Die People' s Power Party (PPP) gilt als eine Neuauflage von Thaksins verbotener Partei Thai Rak Thai und der Regierungschef Samak Sundaravej als Strohmann Thaksins. Für die traditionelle Elite des Landes ist Thaksin nicht nur ein korrupter Geschäftsmann, sondern stellt eine Herausforderung für das politische System des Landes dar. Sie sieht in Thaksin, dessen Verhältnis zum Könighaus ambivalent ist, eine Bedrohung für die Monarchie.

Seit einigen Monaten protestiert das Anti-Thaksin-Camp täglich gegen jede Entscheidung der Regierung. Die parlamentarische und außerparlamentarische Opposition konnte schon etliche Minister wegen fragwürdiger Entscheidungen zum Rücktritt bewegen. Angesichts der wachsenden Spannungen kamen zeitweise Gerüchte auf, wonach die Armee einschreiten könnte. Die Handlungsfähigkeit der Regierung von Samak Sundaravej ist äußerst eingeschränkt. Die Samak-Regierung ist eingepfercht zwischen den Kontrollinstitutionen und Straßendemonstrationen. Seit der Regierungsbildung steht jede ihrer Entscheidungen unter genauer Beobachtung und unter dem Verdacht, Thaksins Interessen zu dienen.

Doch nun scheint es so, als hätte Thaksin mit seiner Flucht die Voraussetzung für die Überwindung der politischen Krise geschaffen. Die Diskussion um die Verfassungsänderung, an der die Krise ausgebrochen war, dürfte sich entschärfen, zumal Änderungen nicht mehr im Verdacht stehen können, Thaksin reinzuwaschen.

Andererseits hätte eine Verurteilung bzw. Inhaftierung des früheren Premiers, der immer noch viele Anhänger im Norden und Nordosten Thailands besitzt, eine Polarisierung des politischen Klimas mit unübersehbaren Folgen nach sich ziehen können.

Entsprechend feierte die Bangkoker Börse die Nachricht von Thaksins Flucht mit Kursgewinnen.

Zweifellos wird sich die politische Landschaft im Post-Thaksin-Thailand verändern. Es bleibt aber abzuwarten, ob sich die politische Situation stabilisieren wird.

Konsequenzen für die politische Situation

Es ist davon auszugehen, dass Thaksins Einfluss auf die Regierungspartei PPP stetig abnehmen wird. Unter dem Eindruck seiner Flucht und den laufenden Verfahren müssen sich die verschiedenen Interessengruppen innerhalb der PPP umorientieren, zumal Thaksin als Integrationsfigur wegfällt. Die Partei umfasst verschiedene Fraktionen, denen unterschiedliche, miteinander konkurrierende Persönlichkeiten vorstehen. Dieser Prozess wird sich vor dem Hintergrund des bereits gegen ein Vorstandsmitglied der PPP laufenden Verfahrens wegen Wahlbetrugs, das auf eine Auflösung der Partei hinauslaufen könnte, möglicherweise sogar beschleunigen.

Der politische Abgang von Thaksin könnte zumindest kurzfristig Premierminister Samak stärken. Er bemüht sich seit der Regierungsbildung sehr, ein von Thaksin unabhängiges Profil zu erarbeiten, leidet allerdings darunter, durch die Opposition als Thaksin-Strohman verachtet zu werden. Nun ist Samak die einzige Führungsfigur innerhalb der PPP, aber auch in der Koalitionsregierung, und unterhält zudem gute Beziehungen zum Königshaus sowie zum Militär. Sollten sich die Richter des Verfassungsgerichts gegen eine Auflösung der PPP entscheiden, hat Premier Samak gute Chancen, mit seiner Regierung die Legislaturperiode zu überleben.

Andererseits rechnen führende Mitglieder der PPP immer noch mit der Auflösung ihrer Partei und auch mit Politikverboten für die Funktionäre. Entsprechend laufen bereits Vorbereitungen für die Zeit danach. Eine Nachfolgepartei mit dem Namen Puae Thai Party (Partei für Thais) ist bereits in Gründung. Möglicherweise wird es zur Gründung von mehreren Nachfolgeparteien kommen, die verschiedene Flügel innerhalb der PPP repräsentieren. Ähnlich entstanden nach dem Verbot der Thai Rak Thai etwa ein Dutzend neue Parteien, die sich auf Thaksins politisches Erbe beriefen. In der Konsequenz würde die thailändische Parteienlandschaft in den Zustand der 80er und 90er Jahre zurückfallen, der gekennzeichnet war durch Parteienfragmentierung und schwacher Exekutive aufgrund instabiler Koalitionsregierungen.

Von großer Bedeutung für die innenpolitische Stabilität des Landes wird sein, wie das thailändische Establishment den endgültigen Abgang Thaksins von der politischen Bühne verarbeitet. Wenn die politische Krise der letzten Jahre ihre Ursache in Thaksins Regierungsführung, seinem Machtmissbrauch und der Korruption hatte, so müssten nun konstruktive Wege für eine Versöhnung der polarisierten Gesellschaft gesucht werden. Hier kommt den Thaksin-Gegnern eine wichtige Rolle zu. Entweder wird die außerparlamentarische Opposition einen Versöhnungskurs einschlagen, indem sie den Druck auf die Regierung lockert. Oder sie wird die Schwäche der PPP nutzen, um die Konfrontation mit der PPP-geführten Regierung zu steigern.

Stabilisierung nicht in Sicht

Thaksins Flucht eröffnet nur theoretisch den Weg zur Überwindung der politischen Krise und der politischen Polarisierung des Landes. Thailändische politische Beobachter sehen wenig Anlass zum Optimismus. Denn die Fronten zwischen den Anti- und Pro-Thaksin Gruppen haben sich in den letzten Monaten enorm verhärtet.

Die "Volksallianz für Demokratie" (PAD) – ein Zusammenschluss von Royalisten, Geschäftsleuten und der städtischen Mittelschicht, die seit Ende Mai mit Demonstrationen zum Sturz der gegenwärtigen Regierung aufruft, begrüßte zwar Thaksins Flucht, kündigte aber zugleich an, dass die Proteste solange weiter gehen werden, bis die Regierung geht.

Vieles deutet daraufhin, dass die politischen Krise und Konfrontation, in denen Thaksin im Zentrum der Diskussion stand, über die Person von Thaksin hinausgehen. Das Anti-Thaksin-Camp wollte möglicherweise nicht nur ihn loswerden, sondern strebt die Zurückerlangung seiner Machtstellung vor der Thaksin-Ära an. Kurz: Es geht um die „Ent-Thaksinisierung“ des politischen Systems, in dem Thaksin tiefe Spuren hinterlassen hat, und damit um die Klärung der Machtverhältnisse.

Seit längerem herrscht ein unausgesprochenes Einvernehmen in Thailand: Thaksin war korrupt und hat eine Klientelpolitik betrieben, die an der Elite des Landes vorbeiging. Aber, nicht alles, wofür Thaksin stand, war falsch. Seine Amtszeit brachte ihm viel Popularität bei der ärmeren ländlichen Bevölkerung wegen seiner Sozialprogramme ein. Wirtschaftlich verfolgte er eine erfolgreiche Politik des freien Marktwachstums, kombiniert mit der Ausdehnung des Wohlstands auf Thailands unterentwickelten Landwirtschaftssektor. Solange die Eliten des Landes das Positive in Thaksins politischem Vermächtnis nicht anerkennen, wird die politische Krise in Thailand kein Ende finden. Die Herausforderung für die Gegner Thaksins besteht daher darin, erfolgreiche politische Ansätze des Ex-Premiers aufzugreifen.

Ob sich die Thaksin-Gegner dazu überwinden können, bleibt abzuwarten. Eines ist aber gewiss: Sollte es der traditionellen Elite nur um den Erhalt der eigenen Macht und die Vertretung der eigenen Interessen gehen, wird das Land sowohl wirtschaftlich als auch politisch darunter leiden. Thailands Zukunft bleibt vorerst auch ohne Thaksin ungewiss.

Asset-Herausgeber

Länderberichte
16. Juni 2008
Jetzt lesen

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Bereitgestellt von

Auslandsbüro Thailand

Asset-Herausgeber

Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist in rund 110 Ländern auf fünf Kontinenten mit einem eigenen Büro vertreten. Die Auslandsmitarbeiter vor Ort können aus erster Hand über aktuelle Ereignisse und langfristige Entwicklungen in ihrem Einsatzland berichten. In den "Länderberichten" bieten sie den Nutzern der Webseite der Konrad-Adenauer-Stiftung exklusiv Analysen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen.

Bestellinformationen

erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland