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Tod des Innenministers

von Frank Priess

Neuer Schock für Mexikos Regierung

Der Tod von Innenminister José Francisco Blake Mora und wichtiger Mitarbeiter, unter ihnen der für Menschenrechte zuständige Staatssekretär Felipe de Jesús Zamora Castro, schockiert Mexiko.

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Der Hubschrauberabsturz vom 11. November weckt zudem schlimme Erinnerungen: Vor fast genau drei Jahren war der damalige Innenminister Juan Camillo Mouriño bei einem Flugzeugabsturz in der Hauptstadt ums Leben gekommen. Die wenig transparenten Aufklärungsprozesse tragen zudem zu zahlreichen Spekulationen bei. Der Unglücksfall stellte auch die bedeutenden Regionalwahlen im Bundesstaat Michoacán in den Schatten, bei dem PRI offenbar einen Sieg verbuchen konnte.

Blake Mora und die weiteren sieben Insassen des Hubschrauberfluges hatten sich auf dem Weg zu einem Juristentreffen im benachbarten Bundesstaat Morelos befunden, als ihr zum Präsidentenflotte gehörender Hubschrauber in unwegsamem Gelände abstürzte. Schlechte Sicht durch Nebel wird nun als ein möglicher Grund für das Unglück angesehen, auch mechanische Probleme des 28 Jahre alten Fluggeräts werden ins Feld geführt. Allerdings soll der Eurocopter gerade einer umfangreichen Wartung unterzogen worden sein.

Blake Mora war bereits der vierte Secretário de Gobernación in der Amtszeit Calderóns. Der 1966 in Tijuana geborene und studierte Rechtsanwalt Blake war seit langen Jahren in der PAN aktiv und bekleidete zahlreiche wichtige Positionen. Von 2000 bis 2003 war er Abgeordneter auf Bundesebene, anschließend Landtagsabgeordneter in seinem Heimatstaat und schließlich drei Jahre lang Generalsekretär der dortigen Landesregierung. Am 14. Juli 2010 begann er seine Tätigkeit im Kabinett von Präsident Felipe Calderón.

Für dessen Stabilität sieben Monate vor den Präsidentschaftswahlen und nicht zuletzt die Sicherheitspolitik ist der Tod Blake Moras ein schwerer Schlag, koordinierte er doch unter anderem das Sicherheitskabinett und den Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Zusammen mit Staatssekretär Zamora war es immer wieder auch Blake Mora, der sich zu Vorwürfen äußerte, der Kampf gegen die organisierte Kriminalität verschlechtere die Lage der Menschenrechte in Mexiko. Erst vor wenigen Tagen hatte Zamora einen entsprechenden Bericht von Human Rights Watch kommentiert: man halte sich seitens der Regierung strikt an die Menschenrechte und das Gesetz, so Zamora, Mexiko befinde sich nicht im Krieg. Der Kampf diene gerade der Wiederherstellung des Rechtsstaates und der Freiheit aller Mexikaner.

Intern schätzten viele an Blake Mora vor allem seine ruhige Art der Konsenssuche, während gleichzeitig zahlreiche personelle Änderungen für Unruhe sorgen: Finanzminister Ernesto Cordero schied jüngst wegen seiner angestrebten Präsidentschaftskandidatur aus, der Gesundheitsminister trat zurück, um sich auf die Wahlen in Guanajuato zu konzentrieren, wo er den Gouverneursposten anstrebt. Erziehungsminister Alonso Lujambio kämpft zudem mit einer Krebserkrankung, die erst vor wenigen Tagen publik wurde. Zahlreiche Rochaden kennzeichnen entsprechende diese letzte Etappe der Regierungszeit von Felipe Calderón. Derzeit ist vor allem der Kampf um den Staatshaushalt 2012 in vollem Gange.

Wahlen in Michoacán

Der Tod des Innenministers zog am vergangenen Wochenende auch die öffentliche Aufmerksamkeit in Mexiko auf sich und stellte die Wahlen im Bundesstaat Michoacán – ein letzter Test vor dem Superwahltag am 1. Juli 2012 – in den Schatten. Ebenso wie für ihren Bruder Felipe im Jahr 1995 hat es dabei offenbar auch für María Luisa Calderón Hinojosa nicht gereicht, im Heimatstaat der Familie, Michoacán, den Gouverneursposten zu erringen. Mit vorläufigen 32,67 Prozent der Stimmen kommt sie hinter Fausto Vallejo Figueroa von der PRI mit 35,39 Prozent nur auf den zweiten Platz. So gut wie alle Umfragen vor den Wahlen hatten ein solches Kopf an Kopf-Rennen prognostiziert, mit unterschiedlichen Siegperspektiven.

Großer Verlierer ist die bisher im Bundesstaat regierende PRD, die nach zwei Amtszeiten die Macht abgeben muss. Ihr Kandidat Silvano Aureoles Conejo wird mit rund 28,9 Prozent abgeschlagen nur Dritter. Gegenüber den vorhergehenden Wahlen ist dies ein Verlust von rund dreizehn Punkten. Nach dem Verlust der Bundesstaaten Baja California Sur und Zacatecas ist Michoacán – Heimatstaat der PRD-Legende Cuauhtémoc Cárdenas – zudem die dritte Wahlpleite der Partei im laufenden Jahr.

Die Wahlbeteiligung lag bei rund 51 Prozent. Trotz der doch recht deutlichen Abstände erklärten sich alle drei Kandidaten zu Siegern, wie in Mexiko fast schon üblich wurden auch gleich entsprechende Wahlanfechtungen angekündigt. PRD-Parteivorsitzender Jesús Zambrano sprach sogar davon, mit einem PRI-Sieg sei Michoacán auf dem Weg zu einem „Narcostaat“, zu einem „Mafiastaat“ – das werde man nicht erlauben. In über 800 Wahlbezirken habe man Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Auch bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus siegt die PRI mit 35,36 Prozent und elf Sitzen. Hier erreicht die PRD mit 29,55 Prozent und acht Sitzen den zweiten Platz, die PAN kommt auf 27,77 Prozent und fünf Sitze. Bei den Kommunalwahlen kann die PAN offenbar einen symbolischen Sieg in der Landeshauptstadt Morelia für sich verbuchen, ansonsten liegen hier Siege und Niederlagen für alle drei großen Parteien dicht beieinander.

Überschattet wurde der Wahlkampf 11 Tage vor dem Urnengang durch den Mord am PAN_Bürgermeister der Gemeinde La Piedad, Ricardo Guzmán Romero (42). Attentäter erschossen den Mandatsträger, während er in Begleitung von Vertretern der Jugendorganisation seiner Partei Wahlkampfmaterial verteilte. In vielen der 113 Gemeinden des Bundesstaates konnten die Parteien aufgrund der Bedrohungslage ohnehin keine Bürgermeisterkandidaten aufstellen. Mit dem Tod von Guzmán Romero sind es im laufenden Jahr in Mexiko schon 13 Gemeindevorstände, die Attentaten zum Opfer fielen. Auch am Wahltag selbst war vielerorts von Einschüchterungen der Wähler die Rede.

Parteien überdenken Strategie

Der jetzige Wahlausgang zwingt vor allem PAN und PRD, ihre Strategien für 2012 zu überdenken und dreht die nach der Wahl im Bundesstaat Mexiko aufgekommene PRD-Lesart, diesmal sei die PAN für die Präsidentschaftswahlen 2012 nur abgeschlagener Dritter, der wirkliche Zweikampf finde diesmal zwischen der Linken und der PRI statt. Die Linkspartei ist ganz eindeutig in der Defensive, auch leidet sie unter sichtbaren internen Spaltungen. Auch die PAN allerdings kann nicht den erhofften Rückenwind eines Sieges mit ins Jahr 2012 nehmen. Zu schön wäre es für die Partei gewesen, gerade und erstmals mit einer Frau einen solchen Urnengang zu gewinnen – speziell für die Kandidatin Josefina Vázquez Mota hätte sich daraus eine gute story stricken lassen. Großer Profiteur ist einmal mehr die PRI.

Längst hat dabei das Umfragefieber um sich gegriffen, auch wenn noch nicht einmal die Kandidaten feststehen. Umso mehr Möglichkeiten gibt es für Szenarien. Die Zeitung Excélsior ermittelte jetzt, dass momentan fünfzig Prozent der Bürger für die PRI votieren würden, 27 für die PAN und 19 Prozent für die PRD. Ein möglicher PRI-Kandidat Enrique Peña Nieto würde dabei alle denkbaren Mitbewerber deutlich hinter sich lassen. Bei der PAN erreichte Josefina Vázquez Mota die besten Werte – allerdings auch sie mit einem Rückstand von über dreißig Punkten.

Bei der PRD könnte ein Kandidat Andrés Manuel López Obrador danach leicht bessere Ergebnisse erwarten als sein Mitbewerber Marcelo Ebrard. In diesen Tagen will die Partei die Ergebnisse eigener Umfragen bekanntgeben, auf deren Basis dann der besser platzierte Kandidat auf den Schild gehoben werden soll.

Test für die Demokratie

Parallel bestätigte das diesjährige Latinobarometro, was auch die Konrad Adenauer Stiftung mit ihrem Demokratieindex IDD-Lat 2011 bereits diagnostizierte: die Demokratie in Lateinamerika steht unter Druck! In Mexiko etwa ging der Anteil derjenigen, die die Demokratie für die beste Staatsform halten, von 49 auf 40 Prozent der Befragten zurück. Die Mexikaner bewerteten „ihre“ Demokratie übrigens mit 5,9 auf einer Skala von 1 (undemokratisch) bis 10 (total demokratisch). Laut der Umfrage von Latinobarometro ist Mexiko das Land, in dem die Bürger die Demokratie am kritischsten sehen. Präsident Calderón immerhin kommt bei der Wertschätzung der lateinamerikanischen Staatschefs auf einen beachtlichen fünften Platz.

Ein Grund für die ansonsten schwachen Werte: Die Menschen erwarten von der Demokratie auch in Mexiko, dass sie ihre unmittelbaren Probleme löst. Daran aber nährt etwa das Entwicklungsprogramm PNUD der Vereinten Nationen mit seinem jetzt vorgestellten Weltbericht über Menschliche Entwicklung 2011 Zweifel: Mexiko hat danach 23 Prozent seines Niveaus verloren und 15 Plätze in Sachen Einkommensverteilung. Unter den 187 untersuchten Ländern nimmt das Land insgesamt Rang 57 ein, eine Verschlechterung um einen Platz. In Lateinamerika wird Mexiko allerdings nur von Argentinien, Barbados, Chile, Cuba und Uruguay übertroffen.

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