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Ungarisches Verfassungsgericht lehnt umstrittene Übergangsbestimmungen des Grundgesetzes ab

von Frank Spengler, Bence Bauer, LL.M
In unserem politischen Bericht vom 3. Dezember 2012 („Wählerregistrierung in Ungarn“) wiesen wir darauf hin, dass die Änderungen des Wahlverfahrengesetzes letztlich einer Überprüfung durch das ungarische Verfassungsgericht standhalten müssen.

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Am 4. Januar 2013 hat nun das ungarische Verfassungsgericht die Wählerregistrierung für verfassungswidrig und somit nichtig erklärt.

Vorangegangen war am 28. Dezember 2012 eine weitreichende Entscheidung der Verfassungsrichter. Sie erklärten alle jene Übergangsbestimmungen der neuen Verfassung für ungültig, die nach Meinung des Gerichts keinen Übergangscharakter hätten, sondern fortdauernd wirkten. Dazu gehörte, neben der Wählerregistrierung, beispielsweise auch eine äußerst umstrittene rechtliche Bestimmung, dass die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) als Rechtsnachfolgerin der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) auch die Verantwortung für die Verbrechen des Kommunismus in Ungarn tragen solle.

Rechtsexperten kritisierten bereits seit der Verabschiedung der gesetzlichen Veränderungen, dass diese Regelungen weder Verfassungsrang hätten noch Teil der Übergangsbestimmungen sein sollten. So argumentierte auch der Ombudsmann für die Grundrechte Máté Szabó.

Das viel beachtete Urteil vom 4. Januar 2013 ist auf Grund der Anrufung des Verfassungsgerichtes durch Staatspräsident Dr. János Áder ergangen. Er brachte massive Bedenken gegen verschiedene Einzelregelungen vor (u.a. Registrierungspflicht am Wohnort, Verbot der Wahlwerbung in privaten Rundfunkanstalten oder auch das Verbot der Bekanntgabe von Umfrageergebnissen wenige Tage vor der Wahl). Er bat das Gericht dennoch um eine umfassende Prüfung. Die Verfassungsrichter urteilten mit einem 10 zu 5 Votum, dass durch die Registrierungspflicht das Wahlrecht an eine zusätzliche Voraussetzung gebunden würde, was mit einer unverhältnismäßigen Einschränkung der demokratischen Rechte einherginge und somit verfassungswidrig sei – ein Urteil, das Verfassungsrechtler und Rechtsexperten so erwartet hatten. Die fünf Sondervoten wurden von den neuen, von der FIDESZ-Mehrheit eingesetzten Richtern abgegeben. Abgelehnt wurde die Wählerregistrierung aber auch von Dr. István Stumpf, der ebenfalls mit FIDESZ-Unterstützung zum Verfassungsrichter berufen wurde.

Innerhalb nur weniger Minuten nach Bekanntgabe des Verfassungsgerichtsurteils folgte eine offizielle Reaktion der Regierungspartei. Der Fraktionsvorsitzende von FIDESZ in der ungarischen Nationalversammlung, Antal Rogán, erklärte, dass es für die Wahlen im Jahre 2014 keine Wählerregistrierung geben würde. „Wir hätten die Stärke. Aber Stärke ist nicht alles. Vernunft und politische Verantwortung verlangen von uns, anders zu handeln“ so Rogán.

Politische Beobachter hatten eigentlich damit gerechnet, dass FIDESZ nunmehr die erst am 1. Januar 2012 in Kraft getretene neue Verfassung ändern würde. Offensichtlich setzte sich aber innerhalb der Partei die Meinung durch, dass es sich nicht lohnen würde, einen Konflikt gegen breite Bevölkerungskreise (ein Großteil der Wähler lehnt die Registrierung ab) und gegen eine zunehmend geschlossen auftretende Opposition auszutragen.

Dies ist ein interessanter Strategiewechsel. Noch im Herbst 2010 wurden dem Verfassungsgericht nach einem unliebsamen Urteil durch das Parlament einige Kompetenzen aberkannt. An dieser Entwicklung ist nicht nur die besonnene Reaktion von FIDESZ positiv festzuhalten, sondern auch die Bestätigung der parteipolitischen Unabhängigkeit von Staatspräsident Dr. János Áder.

Die Reaktion der Opposition fiel erwartungsgemäß sehr verhalten aus. Von den hochrangigen Oppositionsführern wurde die Entscheidung, wenn überhaupt, nur als eine Randnotiz kommentiert.

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