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Länderberichte

Wahlen im Kosovo am 23. Oktober 2004 - Vorwahlbericht

von Dr. Bernhard Lamers

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  1. Am 23. Oktober 2004 werden die zweiten Wahlen zur Volksvertretung des Kosovo durchgeführt, die vierten Wahlen seit 1999 insgesamt, wenn die Kommunalwahlen mitgerechnet werden. In die Assembly of Kosova werden 120 Abgeordnete gewählt, die Legislaturperiode beträgt drei Jahre, gewählt werden können Kandidaten aus Parteien, Koalitionen, Bürgerinnitiativen und unabhängige Kandidaten. Das Wahlsystem, ausgearbeitet von einer Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der politischen Parteien des Kosovo und Vertretern der Zivilgesellschaft sowie der internationalen Gemeinschaft, wurde von den Wahlen des 17. November 2001 übernommen. Gewählt wird nach dem proportionalen System nach einheitlichen und einer für die gesamte Region geschloßenen Liste. Die Entscheidung, an diesem wenig demokratischen und repräsentativen System festzuhalten, wurde gegen den Protest vieler Nichtregierungsorganisationen durch den UN Beauftragten für das Kosovo durchgedrückt. Statt für ausgewählte Kandidaten wählen zu können, sind die Wahlberechtigten an die Vorgaben der politischen Parteien gebunden.

    Von den 120 Sitzen werden 100 Sitze proportional auf die bei den Wahlen antretenden Parteien oder Wahlbündnisse verteilt. Zwanzig Sitze sind für die Minderheiten reserviert: 10 Sitze für die serbische Kommunität, 4 Sitze für die Gruppe der Roma, Ashkalie und Ägyptischen Kommunität, 3 für die Volksgruppe der Bosniaken und 2 Sitze für die türkische Minderheit sowie 1 Sitz für die Gruppe der Gorani. Die so garantierten Sitze werden zusätzlich zu den nach der proportionalen Aufteilung errechneten Sitzen addiert.

    Nach Konstituierung der neuen Versammlung kommt es zur Wahl des Parlamentspräsidenten, des Präsidenten von Kosovo sowie zur Wahl des Premierministers und seiner Regierung.

  2. Zur Zeit liegen 33 Kandidatenlisten aus allen Entitäten vor. Lange Zeit umstritten und kontrovers diskutiert war die Beteiligung der serbischen Minderheit an den Wahlen. Dem Aufruf des Patriarchen der Orthodoxen Kirche, S.H. Pavle, die Wahlen zu boykottieren, da die Sicherheit der Serben nicht gewährleistet sei, schloßen sich Premierminister Kostunica und mehrheitlich seine Regierung an. Kostunica begründete seine Entscheidung darüber hinaus damit, daß die einstimmig beschloßene Erklärung im serbischen Parlament zu Kosovo und Metohija einen Wahlaufruf ihm nicht möglich mache. Im Gegensatz zu dieser Auffassung rief Staatspräsident Tadic die Serben des Kosovo zur Teilnahme an den Wahlen auf, erklärte jedoch gleichzeitig, daß er die serbischen Abgeordneten der Assembly auffordern werde, ihr Mandat niederzulegen, sollten drei Monate nach Regierungsbildung keine Fortschritte bei der Umsetzung von Autonomie für die mehrheitlich von Serben bewohnten Kommunen in den Bereichen Polizei, Recht, Gesundheit und Bildung erkennbar sein. Die Frage der Wahlbeteiligung ist auch innerhalb der serbischen Kommunität im Kosovo umstritten, mit einer Mehrheit für einen Wahlboykott. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Kostunica und Tadic sind eine weitere bedrohliche Belastung für die Stabilität und Überlebenschance der serbischen Minderheitsregierung.

  3. Von der mit mehr als 90% der Bevölkerung größten Kommunität der Albaner konnten bei den Wahlen 2001 acht Parteien und Gruppierungen Sitze im Parlament erringen. Die größte Partei ist die LDK (Lidhja Demokratike e Kosovës-Demokratische Liga des Kosovo), dessen Vorsitzender Dr. Ibrahim Rugova zur Zeit Präsident des Kosovo ist. Außerdem bekleidet die LDK mit Nexhad Daci das Amt des Präsidenten der Assembly und besetzt vier Ministerien. Ein Ministerium war von LDK an die Christliche Albanische Volkspartei PSHDK abgetreten worden.

    Die zweitgrößte Partei ist die PDK (Partia Demokratike e Kosovës-Demokratische Partei des Kosovo). Parteivorsitzender ist der frühere UÇK-Anführer Hashim Thaçi. Seine Partei bekleidet mit Dr. Bajram Rexhepi das Amt des Premierministers sowie zwei weitere Ministerien.

    Die drittgrößte albanische politische Kraft in der Assembly ist die AAK (Aleanca për Ardhmërinë e Kosovës –Allianz für die Zukunft des Kosovo). Parteivorsitzender ist Ramush Haradinay, die AAK ist mit zwei Ministerien an der Regierungskoalition beteiligt.

    Bei den Wahlen des Jahres 2001 erzielte die serbische Kommunität repräsentiert durch die Koalition Rückkehr-Koalicija Povratak insgesamt 22 Sitze und ist damit drittgrößte Fraktion in der jetztigen Assembly.

    Nach der derzeitigen Regelung ist ein Ministerium den nichtalbanischen und nichtserbischen Minderheiten zugeordnet, für die serbische Minderheit sind zwei Ministerien reserviert, derzeit das Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie das Büro (mit Ministeriumstatus) für Rückkehrer.

    Zusammensetzung der Assembly of Kosova nach den Wahlen des 17. November 2001:

    LDK (Demokratische Liga des Kosovo) 47

    PDK (Demokratische Partei des Kosovo) 26

    KP (Koalition Rückkehr) 22

    AAK (Allianz für die Zukunft des Kosovo) 7

    VTN (Vatan) 4

    KDTP (Türkische Demokratische Partei des Kosovo) 3

    PDAShK (Demokratische Partei der Ashkalie Albaner des Kosovo) 2

    IRDK (Neue Demokratische Initiative des Kosovo) 2

    PShDK (Albanische Christlich-Demokratische Partei des Kosovo) 1

    LKÇK (Nationalbewegung für Befreiung des Kosovo) 1

    BSDAK (Partei der Demokratischen Bosniaken Aktion des Kosovo) 1

    PD (Partei der Gerechtigkeit) 1

    LPK (Volksbewegung des Kosovo) 1

    UNIKOMB (UNIKOMB) 1

    PREBK (Vereinte Partei der Roma des Kosovo) 1

  4. Während bei den ersten Wahlen des Jahres 2000 eine Wahlbeteiligung von 79% registriert werden konnte sank das Interesse der Wähler im Jahre 2002 auf 54%. Umfragen zufolge haben etwa 50% der Wahlberechtigten für die anstehenden Wahlen noch keine Entscheidung getroffen, ob sie zur Wahl gehen. Unzweifelhaft sind hohe Erwartungen an vorherige Wahlen unerfüllt geblieben. Die Bevölkerung des Kosovo ist von hoher Arbeitslosigkeit bedroht und kämpft mehrheitlich ums Überleben, zumal neben nicht existierenden Arbeitsplätzen in der Industrie oder nicht genutzten Arbeitsmöglichkeiten in der Landwirtschaft im Dienstleistungssektor durch den Abzug von internationalen Organisationen oder Reduktion ihrer Präsenz weitere Beschäftigungsmöglichkeiten verloren gehen. Positiven Einfluß auf die Wahlbeteiligung könnte jedoch die Entscheidung der UNMIK Administration sein, Mitte 2005 eine Überprüfung der Umsetzung von vorgegeben Standards – detalliert mit Zeitplan in einem Katalog aufgeführt - auslösen, die für viele als ein Startschuß in die Behandlung der Statusfrage, gleich bedeutend für die albanische Bevölkerung mit Unabhängigkeit, erhofft wird.

  5. Unabhängig von Wahlbeteiligung und Ausgang der Wahlen muß mit schwierigen Regierungsverhandlungen gerechnet werden, da nicht zu erwarten ist, daß eine Partei die absolute Mehrheit erreicht, die wegen der für die Minderheiten reservierten 20 Sitze bei 61% der abgegebenen Stimmen läge.

Weitere Informationen

Die Informationen liegen auf englisch, albanisch und serbisch vor:

www.cec-ko.org

www.kosovoelections.org

www.assembly-kosova.org

www.pm-ksgov.net

www.osce.org/kosovo

www.unmikonline.org

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Norbert Beckmann-Dierkes

Norbert Beckmann-Dierkes bild

Leiter der Auslandsbüros Bulgarien Kommissarischer Leiter des Auslandsbüros Albanien

norbert.beckmann@kas.de +359 2 943-4388 | +359 2 943-4390 +359 2 943-3459

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