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Wasserknappheit und Klimawandel in Zentralasien

von Dr. Thomas Kunze, Lina Gronau, Miklos Halasz

Gefahr für die ehemaligen mittelasiatischen Sowjetrepubliken?

Seit Wochen brennt es in Russland. Den Feuern ging eine wochenlange und immer noch anhaltende Hitzewelle voraus: Temperaturen über 40 Grad Celsius, die für die betroffenen Regionen völlig untypisch sind. Der Rauch hatte die durchschnittliche Todesrate in Moskau zeitweise verdoppelt. Für die Hitze machen viele Forscher den Klimawandel verantwortlich.

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Derartige Naturkatastrophen rufen in angrenzenden Regionen, in denen der Klimawandel schon seit Jahren messbar voranschreitet, zusätzliche Angst hervor. Eine solche Region, die unter anderem mit Wassermangel und Jahr für Jahr steigenden Temperaturen zu kämpfen hat, ist Zentralasien. In den fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan ist die Gefahr, dass der Klimawandel nur schwer zu bewältigen sein wird, groß. Besonders für die letzteren vier könnte der Klimawandel gravierende Folgen haben, weil sie nahezu all ihr Wasser aus einem einzigen Gebirge beziehen: aus verschiedenen Ausläufern des Pamirgebirges, das zum „Dach der Welt“ gehört. Seit einigen Jahren steigen die durchschnittlichen Temperaturen in den Ländern der Region Zentralasien im Sommer stetig an. Selbst in Kirgistan und Tadschikistan, auf deren Staatsgebiet die Gletscher liegen, wo die die großen Flüsse der Region, der Syrdarja und der Amurdarja, ihre Quelle haben, wird es immer wärmer. Die mächtigen Ströme sind die Wasseradern Zentralasiens, ohne sie wäre das Leben vor allem in Usbekistan und Turkmenistan kaum möglich. Kasachstan ist das einzige Land, das zusätzlich von Flüssen aus anderen Gebirgen und aus Russland versorgt wird.

Sowohl Syrdarja als auch Amudarja verlieren am Unterlauf sehr viel Wasser durch die Landwirtschaft. Für Turkmenistan ist der Amudarja die wichtigste Wasserquelle, etwa ein Viertel des Wassers, das der Amudarja führt, wird nach Turkmenistan geleitet. Insgesamt entnimmt Turkmenistan dem Amudarja etwa 39 % seines Wassers, Usbekistan führt sogar 42 % für seine Landwirtschaft ab. Dem Syrdarja entnehmen Kasachstan 38 % und Usbekistan 52 % des Wassers für die Landwirtschaft.

Die Quellflüsse von Syrdarja und Amudarja entspringen in Kirgistan und Tadschikistan. Obwohl die Länder am Unterlauf der beiden Flüsse – Usbekistan, Turkmenistan und Kasachstan – reich an Energieressourcen wie Erdöl und Gas sind, sind sie von ihren höher gelegenen Nachbarn in Bezug auf die Wasserversorgung abhängig, da sie kaum eigenes Quellwasser haben. Niederschläge gibt es nur wenig und sehr unregelmäßig, im Sommer regnet es nahezu gar nicht. Usbekistan und Kasachstan benötigen und verbrauchen wegen ihrer hohen Bevölkerungszahlen und der umfangreichen Agrarwirtschaft besonders viel Wasser. Leider gibt es kaum Ansätze, mit den vorhandenen Ressourcen sparsam und wirtschaftlich umzugehen. Wasser ist für die Bevölkerung billig, viele Leitungen und Kanäle sind undicht und oft laufen Bewässerungssysteme tagsüber, so dass ein Großteil des Wassers in der Sommerhitze verdunstet, bevor es überhaupt den Boden erreicht. Der Baumwollanbau, der einen Großteil der Agrarwirtschaft ausmacht, wurde zu Sowjetzeiten zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion stark ausgebaut und ist heute immer noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Baumwolle ist jedoch eine Pflanze, die extrem viel Wasser benötigt: Um ein Kilogramm verwertbare Baumwolle zu züchten, sind etwa 20.000 Liter nötig.

Hinzu kommt das Aralseeproblem. Dadurch, dass Syrdarja und Amudarja ca. 90 % ihres Wassers für landwirtschaftliche Zwecke verlieren, kommt im Aralsee kaum noch Wasser an. Die Auswirkungen auf den Menschen sind bereits jetzt enorm. Durch die Reduzierung der Wassermenge (der Aralsee hat seit Mitte des letzten Jahrhunderts bereits neun Zehntel seines Wassers verloren) versalzt der See immer mehr und damit auch die Böden um ihn herum, es kann kaum noch Landwirtschaft betrieben werden. Die Fischereiwirtschaft ist bereits vor Jahren zusammengebrochen, tausende Arbeitsplätze gingen verloren. Durch die fehlende Verdunstung aus dem Aralsee verschärft sich das Kontinentalklima in der Region zusätzlich zur Erderwärmung. Die Sommer werden trockener und heißer, die Anbausaison immer kürzer. Die Wasserknappheit nimmt von Jahr zu Jahr zu. In manchen Jahren erreicht der Amudarja den Aralsee gar nicht mehr. Das wenige Wasser, das dort ankommt, ist mit Pestiziden und Düngemittelrückständen aus der Landwirtschaft verunreinigt, diese wiederum gelangen in die Böden und machen sie noch unfruchtbarer.

Schon jetzt kommt es in Usbekistan und Turkmenistan immer wieder zu Engpässen bei der Wasserversorgung. Die Unteranlieger der beiden Flüsse benötigen das Wasser im Sommer, für ihre Bewässerungswirtschaft. Die Oberanlieger, Kirgistan und Tadschikistan, verfügen nur über wenig Landwirtschaft, dafür aber über Hydrokraftanlagen. Sie wollen das Flusswasser vor allem für die Energiegewinnung nutzen. Dazu werden die Flüsse im Sommer aufgestaut, damit das Wasser im Winter, wenn viel Energie benötigt wird, abgelassen werden kann. Die Bedürfnisse der Unteranlieger erfordern aber genau das Gegenteil: Das Wasser müsste im Frühjahr aufgestaut und im Sommer abgelassen werden, wenn es kaum Niederschläge gibt. Diese andauernden Streitigkeiten belasten die Beziehungen der zentralasiatischen Staaten zueinander. Derzeit herrscht ein erbitterter Streit zwischen Usbekistan und Tadschikistan. Es geht um den geplanten Bau eines Kraftwerkes und Staudamms im tadschikischen Ragun. Der Staudamm soll der größte der Welt werden. Für das Mammutprojekt hat der tadschikische Staat eine Zwangsanleihe bei seinen Bürgern aufgenommen. In Tadschikistan ist es zu einem ideologischen Projekt geworden. Nach Bau des Kraftwerkes will Tadschikistan Strom nach Pakistan und Afghanistan verkaufen. Usbekistan sieht seine Wasserversorgung in Gefahr.

Ein funktionierendes regionales Wassermanagement existiert in Zentralasien nicht. Zwar gibt es mehrere Abkommen zur Wassernutzung, doch sie bestätigen mehr oder weniger alte sowjetische Nutzungsmuster. Doch die einstigen mittelasiatischen Sowjetrepubliken sind bereits seit 19 Jahren vom Kreml unabhängig. Eine Zentralmacht, die für Einhaltung der Abkommen sorgen könnte, gibt es nicht mehr. Bisher ging es immer auf die eine oder andere Weise gut, es war genug Wasser da, um die Bedürfnisse der einzelnen Staaten einigermaßen zu befriedigen. Das Nachsehen hatten die Natur und der Aralsee. Aber die steigenden Temperaturen in der Region führen dazu, dass die einzigen Wasserreserven, die Gebirgsgletscher, immer schneller abschmelzen und sich im Winter nicht wieder regenerieren. In einigen Jahrzehnten werden sie vermutlich verschwunden sein, Syrdarja und Amudarja werden immer weniger Wasser führen, weil auch Niederschläge immer seltener werden. Weniger Flusswasser bedeutet auch weniger Verdunstung desselben, was wiederum zu noch mehr Hitze und noch trockenerer Luft führt.

Außerdem bedeutet es für Tadschikistan und Kirgistan zusätzlich Einschränkungen bei der Energieproduktion, die dort fast ausschließlich durch Wasserkraft erfolgt und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden ist. Stark schmelzende Gletscher können auch Schlammlawinen und eine Verschlammung des Flusswassers, das den Menschen als Trinkwasser dient, auslösen.

In den letzten Jahren entwickelte sich in Zentralasien des vorhandenen Wüstenklimas in extremer Richtung: Die Sommer werden heißer und trockener, die Winter kälter. Zudem hat die Veränderung des Klimas in Zentralasien offenbar auch Auswirkungen auf die regionalen Luftströmungen. Kühlere Westwinde werden jedes Jahr seltener, dagegen nehmen wärmere Ost- und Südostwinde zu. Lang anhaltende Dürre in den Sommermonaten wird immer häufiger, so dass es in einigen Regionen jahrelang nicht möglich ist, Getreide anzubauen. Der Klimawandel trifft die Region hart. Alle fünf Länder sind stark von der Agrarwirtschaft abhängig. Von diesen Entwicklungen ist das besonders arme Gebirgsland Tadschikistan am stärksten betroffen. „Der Höhepunkt der Krise ist noch nicht da, aber er wird bald kommen“, sagt Timur Idrisow von der tadschikischen Umweltschutzorganisation “Little Earth”. Natalja Mirzokchonowa (Information Management and Analytical Centre) erklärt: „Wenn nichts unternommen wird, werden die Gletscher schmelzen, und ich weiß nicht, ob wir in 20 Jahren noch Wasser haben werden.“

Die derzeitige Entwicklung des regionalen Klimas lässt nichts Gutes für die Zukunft erwarten. Die Weltbank bescheinigt allen fünf zentralasiatischen Republiken eine sehr hohe Verwundbarkeit durch den Klimawandel . In den fünf zentralasiatischen Republiken leben insgesamt ca. 62 Millionen Menschen. Damit ihre Heimat in ein paar Jahrzehnten nicht unbewohnbar wird, müssten die Staaten Zentralasiens schon jetzt gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um das Wasser der Region effizienter zu nutzen und Wasserreserven zu schützen. Für die Zukunft müssen Modelle und Technologien entwickelt werden, die es ermöglichen, mit wenig Wasser auszukommen, sowohl im privaten Bereich wie auch in der (Land-)Wirtschaft und im öffentlichen Raum. Ein Anfang wären zum Beispiel die Errichtung von geschlossenen Anlagen zur Wasserspeicherung, die Erschließung des Grundwassers und die Umstellung der Landwirtschaft auf Nutzpflanzen, die Hitze ertragen und wenig Wasser benötigen. Das Thema Klimawandel hat spielt jedoch in der Politik der zentralasiatischen Staaten eine eher untergeordnete Rolle. Zwar haben alle fünf Staaten das Kyoto-Protokoll unterschrieben und ratifiziert, um jedoch wirksam gegen den Klimawandel bzw. gegen seine Auswirkungen vorgehen zu können, wäre eine intensive Zusammenarbeit der Länder vonnöten.

Usbekistan hat die Gefahr des Klimawandels und die Notwendigkeit, darauf zu reagieren, erkannt. Murad Askarow, Botschafter Usbekistans bei der UNO, sagte 2009 auf der New Yorker Klimakonferenz, dass dieser „eine Herausforderung für die ganze Menschheit“ darstelle. Man sei sich auch bewusst, dass die Region Zentralasien vom Klimawandel stark betroffen ist. Usbekistan und Kasachstan haben vor einigen Jahren sogar eigene Behörden gegründet, die sich mit dem Klimawandel und seinen Folgen, ebenso wie mit der Umsetzung der Ziele des Kyoto-Protokolls beschäftigen.

Aber dennoch kann man die lokalen Streitigkeiten in Zentralasien nicht hinter sich lassen. Der tadschikische Präsident möchte CO2-Emissionen sparen, indem Tadschikistan und Kirgistan mehr Strom durch Wasserkraft produzieren, so dass man Kraftwerke, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, abschalten kann. Dies stimmt zwar, das Hydro-Energiepotenzial vor allem Tadschikistans ist enorm. Es würde jedoch die Wasserversorgung der anderen drei mittelasiatischen Länder völlig in die Hände der beiden Gebirgsstaaten legen.

In der Region stehen Konflikte auf dem Weg zu einem besseren Umgang mit der Herausforderung des Klimawandels angeht scheinbar unüberwindbar im Wege.

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28. Juni 2010
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