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Sechs plus eins

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Wenn wir den freien Sonntag aufgeben, schaden wir unserer Gesellschaft. Mit der Bibel hat das herzlich wenig zu tun.

Natürlich darf die berühmt berüchtigte Sonntagsfrage auf dem Kirchentag nicht fehlen. Eine Podiumsdiskussion trägt den Titel „Arbeiten rund um die Uhr? Wahret den Sonntag!“ Wohl mal wieder die alte Leier, dass Gott am 7. Tage ruhte und wir das deshalb bitte auch tun sollen.

Doch zum Glück kommt es anders. Klassische religiöse Argumente spielen auf dem Podium kaum eine Rolle. Hier sitzt zum Beispiel der Magdeburger Bischof Axel Noack und er hat längst gemerkt: „Das Argument ‚Gott hat es gesagt’ zieht heute nicht mehr.“ Stimmt. Und trotzdem ist der Sonntag so wichtig wie nie.

Wir leben ein Leben ohne Unterbrechungen. Das Internet hat rund um die Uhr geöffnet, Tankstelle und Automatenvideothek auch. Auf riesigen Plakaten wirbt ein strahlender Gottschalk für die Packstation der Post: „Unsere Filialen haben 24 Stunden geöffnet, 7 Tage die Woche.“ Fehlt nur noch das Shoppen am Sonntag.

Doch genau diese Grenze dürfen wir auf keinen Fall überschreiten. Was der Schweizer Theologe Urs Häner, ebenfalls Diskutant auf dem Kirchentagspodium, die "Totalökonomisierung der Woche” nennt, zeigt bereits mehr als deutlich ihre Wirkung: Wir leben in einer Zeit, in der das Burnout-Syndrom ähnlich unausweichlich wie die Midlife-Crisis ist. In der Anti-Stress-Seminare und Yogakurse Hochkonjunktur haben. In der immer mehr erfolgreiche Menschen nach einer Sinnkrise „downshiften“, ihre Karriere an den Nagel hängen, weil sie in einem Neustart als Biobauer oder Alpenwirt ihre einzige Rettung sehen. In solch einer Zeit ist der Sonntag als verlässliche Freizeitoase unersetzlich.

Das gilt auch für Busfahrer, Pizzabäcker und all die anderen, die am Sonntag nicht einfach frei machen und ins Grüne radeln können. Auch arbeiten ist anders, wenn die Menschheit außen rum ein paar Takte langsamer und leiser unterwegs ist. In leeren U-Bahnen und vollen Eiscafés. Es geht um das Gefühl, dass heute etwas anders ist als sonst - und um die Planbarkeit, dass unsere Verwandten und Kollegen auch frei haben und wir gemeinsam etwas unternehmen können.

Natürlich würde ein Einkaufsbummel am Sonntag auch mal Spaß machen und könnte zudem die Wirtschaft ankurbeln. Doch der Preis dafür wäre einfach zu hoch. Nicht nur, weil unsere aufgeputschte Gesellschaft ohne gesetzlich verordneten Ruhetag gänzlich durchdrehen würde. Ungebremste Sonntagsarbeit macht auch erpressbar. Und zwar die, die auch jetzt schon die Nachtschichten am Band übernehmen. Weil sie es sich nicht leisten können, zu meckern, weil sie Geld verdienen müssen, egal wann. Im Handel, um den es in der ganzen Diskussion hauptsächlich geht, arbeiten vorwiegend Frauen, darunter viele Alleinerziehende. Die fackeln nicht lang, nehmen einen Sonntagsdienst nach dem anderen an, Hauptsache, die Kinder werden satt. Die muss man sprichwörtlich zu ihrem Glück – dem freien Sonntag – zwingen.

Die österreichische Bundesrätin Gertraud Knoll hat Recht, wenn sie das Podium mit den Worten schließt: „Die Abschaffung des Sonntagsgesetzes wäre ein Freiheitsraub, der nicht wieder gutzumachen wäre.“

Laura Koppenhöfer

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