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Ägyptens Erbrecht unter Anpassungsdruck

autori Dr. des. Farzana Soleimankehl
Im Zuge der wachsenden Erwerbstätigkeit von Frauen wird der Ruf der Ägypterinnen nach einer Neuinterpretation erbrechtlicher Vorschriften immer lauter. Der gesellschaftliche Wandel lässt die den islamisch-ägyptischen Erbrechtsregelungen innewohnenden geschlechtsspezifischen Diskriminierungen der Frauen offen zutage treten und verlangt nach einer Reformierung. Da diese Diskussion von einem breiten gesellschaftlichen und politischen Spektrum mitgetragen wird, bietet sie Ansatzpunkte für weitergehende gesellschaftspolitische Reformen.

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Die Regelungen des ägyptischen Erbrechts, das eine deutliche Benachteiligung von Frauen vorsieht, sind in jüngerer Zeit vermehrt in den Fokus der öffentlichen Debatte des Landes geraten. Ursache für die wachsende Kritik am ägyptischen Erbrecht ist der gesellschaftliche Wandel der vergangenen Jahrzehnte. Während dem religiös-traditionellen Familienbild die klassische Rollenverteilung in der Familie zugrunde liegt, hat sich die Realität in Ägypten längst von der traditionellen Aufgabenteilung der Geschlechter verabschiedet. Statistiken zufolge sind etwa ein Drittel der Erwerbspersonen in Ägypten Frauen. Nicht berücksichtigt ist hierbei die unbezahlte Arbeit der Frauen in der Landwirtschaft und im informellen Dienstleistungssektor. Die zunehmende Erwerbstätigkeit der ägyptischen Frauen und die damit einhergehende Frage nach einer Anpassung der traditionell geprägten Erbrechtsnormen an die gesellschaftlichen Gegebenheiten betreffen dabei nicht nur die städtischen Eliten des Landes. Es sind vielmehr die Mittel- und Unterschicht, die nach einer den sozialen Realitäten entsprechenden Gesetzeslage verlangen. Die Gründe für die vermehrte Erwerbstätigkeit der Frauen sind vor allem sozioökonomischer Natur. Zum einen reicht das Nettoeinkommen des Ehemannes in vielen Fällen längst nicht mehr aus, um den Bedarf der Familie zu decken. Zum anderen kommen insbesondere die Frauen der Mittelschicht zunehmend in den Genuss einer qualifizierenden Ausbildung, der dann oft der Wunsch einer Erwerbstätigkeit folgt. Die Erbrechtslage hat diesem offenkundigen Wandel bislang nicht Rechnung getragen.

Die Erbrechtslage in Ägypten

Der ägyptische Gesetzgeber hat sich im Rahmen seines Erbfolgengesetzes von 1943 an religiösen Vorgaben orientiert und damit eine geschlechtsspezifische Benachteiligung der Frauen festgeschrieben. Aufgrund der hohen Regelungsdichte in persönlichen sowie innerfamiliären Angelegenheiten ist das herrschende Recht in den islamischen Ländern – mit wenigen Ausnahmen – eine Mischung aus traditioneller und moderner Rechtsetzung. Während die familienrechtlichen Vorgaben des islamischen Rechts (Scharia) aufgrund ihrer vagen Formulierung dem nationalen Gesetzgeber eine Interpretationsvarianz eröffnen, sind die erbrechtlichen Vorschriften verhältnismäßig ausführlich und eindeutig geregelt. Der Koran – als eine der Hauptquellen des islamischen Rechts – statuiert bestimmte Erbrechtsquoten, woraus erbrechtliche Prinzipien abgeleitet werden. Dies führt dazu, dass die Gesetzgeber der islamischen Staaten im Bereich des Familienrechts gesellschaftlichen Veränderungen mit Reformen begegnen können, während die koranischen Erbrechtsnormen für derartige Reformen grundsätzlich nicht zulänglich sind. Die hohe Regelungsdichte des islamischen Erbrechts lässt sich aus der frühislamischen Geschichte und der Auseinandersetzung mit vorislamischem Recht erklären.

Vorislamisches und islamisches Erbrecht

Das Zusammenspiel des vorislamischen mit dem islamischen Erbrecht ist dem Umstand geschuldet, dass die koranischen Erbrechtsregelungen die Existenz vorislamischer Erbrechtsprinzipien voraussetzen und diese in Form von Neuregelungen ergänzen. Aufgrund der patriarchalischen Zustände in der vorislamischen Epoche stellte die erbrechtliche Berufung der männlichen Verwandten des Erblassers den Regelfall der Erbrechtsnachfolge dar. Das Erbfolgensystem sah damit entsprechend der vaterrechtlichen Ausrichtung lediglich die Erbfähigkeit der männlichen Verwandten des Erblassers vor. Die weiblichen Verwandten des Erblassers waren gänzlich von der Erbfolge ausgeschlossen. Die Erbfolge zeichnete sich ferner durch eine strenge Trennung der Verwandten der geraden Linie und der Verwandten der Seitenlinie aus. Hierbei kam den Verwandten der geraden Linie eine privilegierte Stellung zu. Innerhalb der Seitenlinie erbten die Nachkommen des Vaters des Erblassers in absteigender Linie und dann die des väterlichen Großvaters usw. Entscheidend war hierbei die Gradesnähe. Das islamische Erbrecht entspricht dieser vorislamischen Konzeption, mit der Ausnahme, dass die koranischen Suren erstmalig eine erbrechtliche Beteiligung der Frau vorsieht. Danach sollten fortan auch die weiblichen Verwandten in den Genuss verbriefter Erbrechte kommen. Während der Witwer allerdings ein Halb bzw. ein Viertel der Hinterlassenschaft seiner Frau erbt, erhält die Witwe in derselben erbrechtlichen Position lediglich die Hälfte des Mannesteils.

Insgesamt betrachtet, sieht der Koran aber im Vergleich zu den vorislamischen Regelungen die erbrechtliche Involvierung weiblicher Verwandter des Erblassers immerhin grundsätzlich vor. Die erbrechtliche Diskriminierung folgt jedoch aus dem Umstand, dass die Frauen in derselben erbrechtlichen Position im Verhältnis zu ihren männlichen Pendants lediglich die Hälfte erben können. Da diese geschlechtsbedingte Benachteiligung sich unmittelbar aus dem Koran als einer der Hauptquellen des islamischen Rechts ergibt, kann sich der Gesetzgeber in vielen islamischen Staaten nicht darüber hinwegsetzen.

Mittel der Kompensation

Die oben dargestellte Zurückstellung der Frauen im religiösen Erbrecht wird in der islamischen Welt aufgrund der Eindeutigkeit ihrer koranischen Begründung als eine unbestrittene Tatsache angesehen. Allerdings wird diese erbrechtliche Diskriminierung mit einem Verweis auf andere religiöse Vorgaben gerechtfertigt, deren Zweck darin gesehen wird, die genannte erbrechtliche Benachteiligung der Frau zu kompensieren. In diesem Rahmen wird vor allem das islamische Unterhaltsrecht aufgeführt. Dies sieht die ausschließliche Verpflichtung des Mannes zum Familienunterhalt vor. Unter Zugrundelegung des Zusammenspiels des Erb- und Unterhaltsrechts ist die Frau zwar erbrechtlich benachteiligt, aber diese Diskriminierung wird durch die fehlende Unterhaltsverpflichtung der Frau im Familienrecht aufgefangen. Demgemäß sieht das islamische Recht in seiner Gesamtanwendung für den erlittenen Nachteil einen entsprechenden Vorteil vor.

Das Familienkonzept des religiösen Rechts geht also von einer Aufgabenteilung aus. Denn die unterhaltsrechtliche Verpflichtung des Mannes folgt unmittelbar aus seiner Rolle als erwerbstätiger Ernährer der Familie. Die Frau ist als Mutter und Hausfrau hingegen von dieser Verpflichtung befreit. Bei Vorliegen eines solchen Konzepts kommt der im Islam vorgesehene Ausgleichsgedanke zur Geltung. Wie jedoch bereits gesehen, entspricht die traditionelle familiäre Aufgabenteilung nicht mehr der Lebenswirklichkeit ägyptischer Familien. Viele ägyptische Frauen empfinden es daher als ungerecht, erbrechtlich benachteiligt zu sein und trotzdem zum Familienunterhalt beitragen zu müssen. Diese Benachteiligung wird zwar islamisch gerechtfertigt, von vielen Frauen aber als dem islamischen Grundprinzip der Gerechtigkeit entgegenstehend begriffen. Dementsprechend wird an den Staat die – auf den ersten Blick paradoxe – Forderung herangetragen durch eine Reform des (islamischen) Erbrechts für mehr Gerechtigkeit im Sinne des Islam zu sorgen.

Schlussfolgerungen

Die Diskussion um das ägyptische Erbrecht geht mit einer Infragestellung traditioneller Rechts- und Gesellschaftsvorstellungen einher. Indem sie dennoch islamkonform argumentiert und aus der Mitte der Gesellschaft kommt, bietet sie Ansatzpunkte für Veränderungen. Das Bedürfnis nach einer Anpassung nicht mehr zeitgemäßer religiöser Vorgaben vereint die Frauen der Unter-, Mittel- und Oberschicht und zum Teil auch Regierung und Opposition. Trotz Widerständen aus konservativen und z.T. auch religiösen Kreisen sowie einer Reihe von bürokratischen und administrativen Hürden bietet der vermeintliche rechtspolitische Randbereich des Erbrechts daher Ansatzpunkte für gesellschaftspolitische Reformen. Reformorientierte Kräfte sollten diese Bereiche nutzen, um einen gesellschaftspolitischen Wandel, der von einer Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird, voranzutreiben.

Dr. des. Farzana Soleimankehl ist niedergelassene Rechtsanwältin und Expertin für islamisches Familienrecht.

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erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland