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Kosovo – Präzedenzfall für Spanien?

autori Michael Däumer, Sebastian Grundberger, Malte Kähler

Die Parlamentswahl im Zeichen aufflammender Unabhängigkeitssehnsüchte im Baskenland und in Katalonien

Spanien blickt mit Sorge auf das Geschehen im Kosovo. Die internationale Anerkennung des Kosovo, so fürchtet man, könne Wasser auf die Mühlen derer sein, die besonders im Baskenland und in Katalonien eine Unabhängigkeit von Spanien fordern. Sozialistische Regierung und konservative Opposition wollen deshalb den Kosovo im Gegensatz zu den meisten EU-Partnern nicht als unabhängigen Staat anerkennen. Dabei befindet sich die Regierung in einer Zwickmühle – will sie doch nicht durch Frontalopposition die guten Beziehungen zu den Partnern in der EU gefährden. Regionalistische Parteien hingegen blicken mit Freude auf den Kosovo. Kurz vor den spanischen Parlamentswahlen am 9. März kommt ihnen das Thema zur Mobilisierung der Stammwählerschaft gerade gelegen.

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Mit „unkaschierter Genugtuung“ vernahm die baskische Regionalregierung die Botschaft der Unabhängigkeit des Kosovo. Regierungssprecherin Miren Azkarate von der Baskischen Nationalistenpartei (PNV) sieht in ihr eine „doppelte Lektion“: Erstens zeige sie, dass sich Identitäts- und Zugehörigkeitskonflikte „friedlich und demokratisch“ lösen ließen und zweitens sei der Kosovo ein Beispiel der Gültigkeit des demokratischen Rechts auf freie Entscheidung über das eigene Schicksal eines Volkes.

Auch der neue PNV-Chef Iñigo Urkullu begrüßte die Unabhängigkeit des Kosovo und freute sich darüber, dass der Respekt vor der freien Entscheidung der Kosovaren höher bewertet wurde als das Prinzip der strukturellen Integrität von Staaten. Für Urkullu (Foto) bedeutet dies einen „Triumph der Freiheit und der Demokratie“. Die baskische Regionalregierung verlangt von der Madrider Zentralregierung, den Kosovo offiziell als Staat anzuerkennen.

Die sozialistisch geführte katalanische Regionalregierung vermied es unterdessen, die Sezession formell zu bewerten. Die Spitze der an der Regionalregierung beteiligten und offen für eine Unabhängigkeit von Spanien eintretenden katalanischen Linksnationalisten (ERC) stieß am Montag morgen vor der versammelten Presse hingegen mit Sekt auf die Unabhängigkeit und auf „alle Völker, die frei sein wollen“, an. Deutlich weniger explizit reagierte das gemäßigt nationalistische Parteienbündnis CiU. Deren Spitzenkandidat, der Christdemokrat Josep Antoni Duran i Lleida erklärte, er wünsche nicht, dass Katalonien zu einem zweiten Kosovo würde. Trotzdem glaubt er, die Separation der ehemaligen serbischen Provinz sei „vielleicht die einzige Lösung des Konfliktes, wenn auch nicht die beste“. Duran i Lleida (Foto), der gleichzeitig Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im spanischen Parlament ist, verwies darauf, dass die Situation in Kosovo und in Katalonien unterschiedlich sei. Man könne keinen direkten Vergleich anstellen. Die Regierung dürfe sich daher nicht vor einer formellen Anerkennung des Kosovo scheuen. Auch der CiU-Vorsitzende Artur Mas erklärte, die spanische Regierung müsse den Willen eines Volkes, der in seinem Parlament zum Ausdruck gebracht wurde, anerkennen.

Genau dies will die spanische Regierung jedoch keinesfalls tun. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero erklärte, seine Regierung werde eine „klare und eindeutige“ Position zum Thema Kosovo einnehmen und überließ es seinem Außenminister Miguel Ángel Moratinos (Foto), diese in Worte zu fassen: „Unsere Position ist klar. Wir werden diese unilaterale Entscheidung nicht anerkennen“. Der Minister verglich die Unabhängigkeitserklärung wegen ihrer fehlenden Rechtfertigungsgrundlage einer UN-Resolution gar mit der Invasion in den Irak: „Die spanische Regierung hat immer den Respekt gegenüber dem Völkerrecht verteidigt. Das tat sie, als sie entschied, die Truppen aus dem Irak abzuziehen und das tut sie jetzt, wo es sich um eine einseitige Sezession handelt“, betonte der Minister.

In seltener Eintracht schlug die politische Opposition in die gleiche Kerbe wie die Regierung. Schließlich weist die Volkspartei schon seit Jahren zunehmende Autonomiebestrebungen im eigenen Lande, insbesondere im Baskenland, ab. Entsprechend erklärte PP-Spitzenkandidat Mariano Rajoy dass er „generell dagegen“ sei, dass „man unilateral seine Unabhängigkeit“ erkläre. Deswegen sei er auch gegen die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo, so Rajoy. Der als möglicher Außenminister einer Regierung unter Mariano Rajoy gehandelte außenpolitische Sprecher der PP-Parlamentsfraktion, Gustavo de Arístegui (Foto), der selbst aus dem Baskenland stammt, kriti-sierte diejenigen als „ignorant“, die die Situation im Baskenland bzw. in Katalonien mit der im Kosovo vergleichen. Der Kosovo sei ein „vollkommen anderer“ Fall. Er teile nicht die Haltung europäischer Partnerstaaten, die die Unabhängigkeit anerkennen, da der Kosovo „nie eine Republik innerhalb des ehemaligen Jugoslawiens, sondern nur eine serbische Provinz“ gewesen sei. De Arístegui bedauerte, dass es in der EU nicht zu einer einheitlichen Position gegenüber dem Kosovo gekommen sei und dies letztlich zu einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung durch die Kosovaren geführt habe. Allerdings, so der PP-Außenpolitiker, werde sich Spanien nicht auf Dauer eine „Verweigerungshaltung“ gegenüber dem Kosovo leisten können. Spanien dürfe sich in dieser Frage nicht isolieren.

Das Thema Kosovo wühlte auch die Emotionen in den spanischen Medien auf. So berief sich die regierungskritische Tageszeitung „El Mundo“ auf kosovarische Quellen, die behaupten, der spanische Außenminister Moratinos hätte hinter den Kulissen einer Delegation aus Pristina angeboten, die Unabhängigkeit anzuerkennen, wenn sie nach dem 9. März – dem Tag der spanischen Parlamentswahlen – stattfände. Der Zeitung zufolge hätten die Kosovaren aufgrund der Unterstützung seitens der USA und dreier großer Staaten der EU jedoch nicht so lange warten wollen.

In einem Leitartikel bezeichnete „El Mundo“ die Unabhängigkeit des Kosovo zudem als ein „Beispiel für die fehlgeschlagene spanische Außenpolitik“. Die Tatsache, dass die spanische Position innerhalb der EU so wenig Beachtung finde, zeige einmal mehr, dass die Regierung Zapatero in Europa „bedeutungslos“ und dass die politische Kommunikation mit den USA empfindlich gestört sei. Die Realität des Kosovo habe „nichts mit der spanischen Realität gemein“, so „El Mundo“. Die liberal-konservative Tageszeitung wirft der „internationalen Gemeinschaft“, die die Grenzen eigentlich schützen sollte, vor, das Völkerrecht mit „bloßen Füßen“ zu treten. Die konservative Zeitung „ABC“ nannte den neuen Staat Kosovo mit Blick auf seine hohe Abhängigkeit vom Ausland bereits jetzt einen „failed state“. Gleichzeitig warnt die Zeitung indirekt vor einer Sezession in Spanien, die nur noch Anarchie nach sich zöge.

Die regierungsnahe Tageszeitung „El País“ bezweifelt, dass der Kosovo wirklich ein Modell sei, dem das Baskenland nacheifern solle. Die Frage sei, ob „irgendjemand mit gesundem Menschenverstand“ wirklich sein Leben im nicht unabhängigen Baskenland mit dem „Desaster“ des Kosovo vertauschen wolle. Eine Unabhängigkeit wie im Kosovo, ohne Einverständnis des Mutterlandes und ohne Möglichkeit, sich jemals in die Vereinten Nationen einzugliedern, sei alles andere als eine Wunschvorstellung.

Die katalanische Zeitung „La Vanguardia“ bekräftigt: „Der Fall Kosovo ist so speziell, einzigartig und außerdem von dramatischer Härte geprägt, dass sich jegliche Parallelen verbieten.“ In keiner Nation Westeuropas gebe es zwei Weltkriege überdauernde zwischenethnische Konflikte, wie dies im Kosovo der Fall sei. Es bestehe also keinerlei Anlass, den Kosovo als Präzedenzfall für Spanien darzustellen. Die Tatsache, dass politische Rechte und Linke gleichermaßen den Fall Kosovo trotzdem auf Katalonien und das Baskenland projizierten, zeige „das Fehlen einer demokratischen Kultur, um ernsthaft die Territorialkonflikte in Spanien anzugehen“.

Hinter der schwierigen Debatte zum Kosovo-Status steht in Spanien die weiterhin ungelöste Frage zum Verhältnis des Zentralstaats zu den Autonomen Regionen und deren Unabhängigkeitsbestrebungen, insbesondere im Baskenland und zunehmend auch in Katalonien. Die 1978 verabschiedete Verfassung Spaniens hielt die Autonomiefrage bewusst offen, um den einzelnen Regionen Zeit zur erneuten Definierung ihrer eigenen Identitäten zu lassen. Die sich als „historische Nationen“ verstehenden Katalanen, Basken und Galicier wurden unter der zentralistischen Diktatur Francos stark benachteiligt, u.a. durch die Unterdrückung der eigenen Sprachen. Die Verfassung stellt einen Kompromiss zwischen den Vertretern eines föderalen Staatsgebildes und den Anhängern eines Zentralstaats dar. Seit dem Beginn der spanischen Demokratie sorgen Territorialkonflikte immer wieder für schwere politische und verfassungsrechtliche Debatten.

Bedeutung der Nationalisten im Wahlkampf

Die so genannten „nationalistischen“ Parteien, d.h. Parteiformationen mit regionaler Identität, stellen eine nicht zu unterschätzende Kraft bei der Bildung von Regierungen auf nationaler Ebene bzw. bei der Wahl des Ministerpräsidenten („Investidura“) dar. Oftmals kommt ihnen die Rolle als „Zünglein an der Waage“ zu. Sie fungieren darüber hinaus als Mehrheitsbeschaffer für Minderheitsregierungen im spanischen Parlament. Vor allem eint die Regionalparteien das Eintreten für eine – mehr oder weniger weitgehende – Unabhängigkeit vom Madrider Zentralstaat. Da die Wahl in den einzelnen Wahlkreisen nach Verhältniswahlrecht erfolgt, wobei die Sitze in jedem Wahlkreis nach dem D'Hondt-Verfahren auf die Parteien verteilt werden, kommt es zu einer überproportionalen Repräsentanz kleinerer Regionalparteien im spanischen Parlament. Es besteht lediglich eine 3-Prozent-Hürde auf Wahlkreisebene. Insgesamt stellten die nationalistischen Parteien in der abgelaufenen Legislaturperiode 33 Parlamentsmandate. Aufgrund der Tatsache, dass nur äußerst selten eine der beiden großen Volksparteien PP und PSOE in Spanien die absolute Mehrheit erreicht, spielen die Nationalisten meist das Zünglein an der Waage. Auch nach den Parlamentswahlen vom 9. März wird dies aller Voraussicht nach der Fall sein.

Einen Teil der Wählerschaft der Nationalisten bildet der nicht mehrheitsfähige, aber doch vorhandene Teil der Bevölkerung, der für eine Loslösung der jeweiligen Region aus dem spanischen Staatsgefüge eintritt. Gerade die gemäßigten Nationalisten wie etwa die PNV oder die aus CDC und UDC zusammengesetzte CiU verfügen jedoch auch über große Wählerschichten, die sich zwar als von Spanien verschiedene eigene Nation verstehen und mehr Rechte fordern, jedoch keinesfalls eine politische und territoriale Unabhängigkeit von Spanien wünschen. Die Parteien sind so stets gezwungen, eine Art doppeltes Spiel zu spielen. Um alle Wähler zu mobilisieren, gehen sie einerseits sehr stark mit dem spanischen Zentralstaat ins Gericht, legen im politischen Alltag jedoch meist Pragmatismus an den Tag.

Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, warum sich die regionalistischen Parteien so auf das Thema Kosovo stürzen. Mit der Unterstützung des Kampfes eines fremden Volkes um die Unabhängigkeit kann man nach innen nationalistische Nestwärme vermitteln und gleichzeitig emotionell den ewigen Kampf der kleinen Region gegen den großen Zentralstaat bedienen. Im Wahlkampf kommt dies natürlich ganz besonders gelegen, da man hofft, so nationalistische Wähler an die Urnen zu locken.

Das Dilemma der nationalen Volksparteien

Die Kosovo-Debatte kommt den großen Volksparteien PSOE und PP in ihrem Wahlkampf zeitlich völlig ungelegen. Viele Spanier fürchten durch eine eventuelle Anerkennung des Kosovo die Stärkung von Unabhängigkeitssehnsüchten im eigenen Haus. Besonders die Wähler der konservativen PP fürchten einen „Zerfall Spaniens“ durch die graduelle Ausweitung der Autonomierechte und eine starke politische Repräsentanz des politischen Nationalismus. Aber auch innerhalb der sozialistischen Wählerschaft sind derartige Ängste verbreitet. Die PSOE fürchtet, wenn man beim Thema Kosovo kompromissbereit sei, könnte man der PP so unnötig Wahlkampfstoff bieten und möglicherweise Wähler an den politischen Gegner verlieren. Und dies möchte man vor dem Hintergrund des hauchdünnen Vorsprungs von rund 1,5 Prozent, den die Sozialisten in den jüngsten Umfragen vor den Konservativen halten, keinesfalls riskieren.

Gleichzeitig stehen sowohl die PP als auch die PSOE vor der Herausforderung, sich nach innen als gute Europäer zu präsentieren und demonstrativ den Schulterschluss zu den europäischen und transatlantischen Verbündeten zu üben. Europa ist beliebt bei den Spaniern – und da soll ein zu erbitterter Widerstand gegen eine Kosovo-Unabhängigkeit das Ansehen des iberischen Landes in Europa nicht schädigen. Aus diesem Grund dürfte es sowohl der PP als auch der PSOE am liebsten sein, wenn sich die Diskussion um den Kosovo möglichst schnell wieder legt.

Jenseits der Frage, ob der Kosovo einen Präzedenzfall für Spanien darstellt oder nicht, ist mit der Unabhängigkeit der serbischen Provinz das Thema des spanischen Autonomiestaates in den Wahlkampf eingebrochen. Die Emotionalität der Diskussionen zeigt dabei einmal mehr, dass ein Ende dieses Streites noch lange nicht in Sicht ist.

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erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland

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