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„Neugier und Mangel an Geduld“ – Günter Rinsche zum 80. Geburtstag

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Schon Konrad Adenauer war der Auffassung, dass die Kommunalpolitik die beste Schule für junge Politiker sei. Dass ein Politiker aber – ausgehend von der Kommunalpolitik – in einer langen Laufbahn auf allen politisch-parlamentarischen Ebenen gestaltend wirkt, ist ein selten zu beobachtendes Phänomen. Der ehemalige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung kann in der Tat auf eine ungewöhnlich lange und vielfältige politische Karriere zurück blicken.

Herkunft, Familie, Ausbildung

Günter Rinsche kam am 13. Juli 1930 als eines von vier Kindern des Elektro-Ingenieurs Heinrich Rinsche und seiner Ehefrau Agnes geb. Kemper im westfälischen Hamm zur Welt. Zum Abschluss seiner kriegsbedingt verzögerten Schulausbildung legte er 1951 am Hammer Freiherr-vom-Stein-Gymnasium das Abitur ab und nahm anschließend ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster auf. 1952 gehörte Günter Rinsche zu den ersten deutschen Studenten, die in den Genuss des renommierten Fulbright-Stipendiums kamen und verbrachte ein Studienjahr in Colorado Springs. Es war dies der Beginn eines lebenslangen Einsatzes für internationale Zusammenarbeit und Verständigung. Über seine Erfahrungen in den USA verfasste er „Berichte eines Studenten aus Amerika“ für den „Westfälischen Anzeiger“. Nach der Rückkehr setzte er sein Studium an der Universität zu Köln fort, wo er im Wahlfach Politische Wissenschaften Schüler des früheren Reichskanzlers Heinrich Brüning war, bei dem er eine mit „sehr gut“ bewertete Diplom-Arbeit über das amerikanische Parteiensystem verfasste. Mit dem gleichen Prädikat legte er 1956 sein Examen als Diplom-Volkswirt ab.

Beruflicher Werdegang

1956 bis 1958 war Günter Rinsche im väterlichen Unternehmen tätig, ehe er Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Mittelstandsforschung der Universität Köln wurde. Dort wurde er 1959 mit einer Arbeit aus dem Bereich der sozial-ökonomischen Verhaltensforschung zum Dr. rer. pol. promoviert. 1961 übernahm er die Leitung der Arbeitsgruppe „Grundsatzfragen des Mittelstands“ im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und 1964/65 eine Sonderaufgabe im Landesamt für Forschung. Rinsche, der 1982 zum Honorarprofessor an der Universität Münster ernannt wurde, betätigte sich neben seinen politischen Ämtern weiterhin in der akademischen Lehre und wurde, nach einem Urteil des „Rheinischen Merkur“ von 1995, zum „Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Politik“.

Der „Kennedy des Ruhrgebiets“: Jüngster Oberbürgermeister Deutschlands

Während des Studiums trat Günter Rinsche der CDU und der Jungen Union bei, deren Kreissprecher er von 1956 bis 1959 war. Rückblickend auf eine 50jährige Mitgliedschaft erklärte er 2004, die führenden Persönlichkeiten – Konrad Adenauer und Ludwig Erhard – hätten ihn seinerzeit ebenso überzeugt wie die aus dem christlichen Menschenbild hervorgehenden Prinzipien der Partei. Seine kommunalpolitische Laufbahn vollzog sich in atemberaubendem Tempo: 1956 wurde er jüngster Ratsherr der Stadt Hamm und 1964 im Alter von 34 Jahren jüngster Oberbürgermeister der Bundesrepublik. Ausdruck des über alle Parteigrenzen hinweg erworbenen Ansehens war seine mit den Stimmen aller Ratsfraktionen erfolgte Wiederwahl im Jahre 1969. In seine bis 1979 dauernde Amtszeit als Oberbürgermeister fiel die tiefgreifende Veränderung der Struktur der Stadt im Zuge der kommunalen Neugliederungen von 1968 und 1975, die er in enger Abstimmung mit den Vertretern aller Parteien maßgeblich prägte. Es entstand die neue Großstadt Hamm mit mehr als verdoppelter Einwohnerzahl und verzehnfachter Fläche. Ein besonderer Höhepunkt seiner Amtszeit war das 1976 mit einer Fülle von Veranstaltungen begangene 750jährige Stadtjubiläum. Als führender Kommunalpolitiker gehörte er dem Hauptausschuss des Deutschen Städtetages an und war 1978/79 Präsident des Städtetages Nordrhein-Westfalen. Seine während des Studienaufenthalts in den USA geknüpften Kontakte nutzte er, um eine Städtepartnerschaft mit Santa Monica anzubahnen. Nach der Kommunalwahl von 1979, die die SPD in Hamm knapp vor der CDU gewann, schied Rinsche aus dem Amt des Oberbürgermeisters aus.

Parlamentarier in Bonn, Düsseldorf und Straßburg

Bei der Bundestagswahl 1965 wurde Günter Rinsche im Wahlkreis Lüdinghausen-Lünen-Hamm als Direktkandidat in den Deutschen Bundestag gewählt. Gemeinsam mit ihm zogen u.a. Bernhard Vogel, Heiner Geißler und Manfred Wörner erstmals in das Bonner Parlament ein. Eine Tageszeitung berichtete damals unter der Überschrift „Die jungen Löwen im Wartestand“ über die neuen Gesichter in der CDU/CSU-Fraktion, die auch Ausdruck eines Generationenwechsels waren. Rinsche wurde u.a. im Ausschuss für Kommunalpolitik, Städtebau und Wohnungswesen sowie im Wirtschaftsausschuss tätig. Nach der Wiederwahl 1969 übernahm er den stellvertretenden Vorsitz im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit – Beleg für sein Interesse an internationaler Zusammenarbeit.

Bereits im Vorfeld der nordrhein-westfälischen Landtagswahl von 1970 hatte der frühere Ministerpräsident Franz Meyers, der sich stets um die Förderung junger Talente bemühte, den damals gerade 40jährigen Rinsche, der als Hoffnungsträger der Union in Nordrhein-Westfalen galt parteiintern als möglichen Spitzenkandidaten der Union ins Gespräch gebracht. Heinrich Köppler, der schließlich als Herausforderer von SPD-Ministerpräsident Heinz Kühn nominiert wurde, berief ihn in sein Schattenkabinett, ebenso im Vorfeld der Landtagswahl 1975. Zudem übernahm Rinsche nun den Vorsitz im Wahlkampfvorbereitungsausschuss der CDU Nordrhein-Westfalen. Nach einem engagiert und innovativ geführten Wahlkampf unter dem Slogan „Wir schaffen wieder Sicherheit! Wählt den politischen Frühling!“ erreichte die Partei mit 47,1% das bis heute zweitbeste Landtagswahlergebnis ihrer Geschichte, verblieb aber dennoch in der Opposition. Rinsche wechselte von Bonn in den Düsseldorfer Landtag, wo er von 1975 bis 1980 wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion war.

Am 10. Juni 1979 wurde er bei der ersten Direktwahl in das Europäische Parlament gewählt. Von nun an war Straßburg der Mittelpunkt seines politischen Wirkens. Er wurde Mitglied des Vorstandes der EVP-Fraktion und war von 1989 bis 1999 Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe. Zudem war er Präsident der EP-Delegation für die Beziehungen zu den ASEAN-Staaten, der Region Indochina und der Republik Korea und als Vorsitzender der EP-Konferenz der interparlamentarischen Delegationen mitverantwortlich für die weltweiten Kontakte und Beziehungen des Europäischen Parlaments. Bis heute genießt Günter Rinsche hohes Ansehen vor allem im asiatischen Raum. Selbstkritisch äußerte er, der die europäische Integration stets als „grundlegende Investition für die Zukunftssicherung der Europäer“ betrachtete, sich zu der Tatsache, dass das Europäische Parlament sich oftmals nicht genügend auf die wichtigen Themen konzentriere: „Wenn im brasilianischen Urwald ein Teich mit seltenen Kröten in Gefahr ist, muss sich das nicht unbedingt in einem Dringlichkeitsantrag widerspiegeln.“ In den 20 Jahren seiner politischen Arbeit in Straßburg war Rinsche, nach einem Urteil der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, „die stille Klammer zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und all dem, was zu Europa gehört“.

Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung

Als Günter Rinsche am 17. März 1995 als Nachfolger von Bernhard Vogel, der als Ministerpräsident und Landesparteivorsitzender nach Thüringen gegangen war, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde, war er der Institution seit langem eng verbunden. Seit 1968 gehörte er Vorstand an, war seit 1973 als Vorsitzender des Planungsausschusses mitverantwortlich für die Entwicklung der Stiftungsarbeit im In- und Ausland und als solcher mit ihren vielfältigen Aufgaben und Arbeitsfeldern bestens vertraut. Aufgrund seines damaligen Amtes als Oberbürgermeister war er u.a. am Aufbau des „Instituts für Kommunalwissenschaften“ beteiligt gewesen und hatte angesichts seines früh entwickelten Interesses an der Entwicklungspolitik auch an der internationalen Arbeit der Stiftung mitgewirkt. Als deren Ziel kennzeichnete er einmal das Bestreben, „überall in Partnerschaft mit jeweiligen einheimischen Organisationen und Persönlichkeiten die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben in sozialer Gerechtigkeit und in Freiheit zu schaffen, so weit das überhaupt möglich ist“. In seine 6jährige Amtszeit als Vorsitzender fielen die Erweiterung und der Ausbau des Stiftungsengagements in Ost- und Südosteuropa, eine Strukturänderung an der Spitze der Stiftung, durch die die Funktionen des bisherigen geschäftsführenden Vorsitzenden und des Hauptgeschäftsführers im neugeschaffenen Amt des Generalsekretärs zusammengefasst wurden und die Eröffnung des neuen Hauses der KAS in der Nähe des Tiergartens in Berlin. Bei dieser Gelegenheit äußerte er in Anwesenheit Helmut Kohls den Wunsch, das Haus möge „das Haus der Bürger, der Besucher, der Vermittler von Informationen und der lebendigen Demokratie werden“. 2001 legte Günter Rinsche die Leitung der Stiftung wieder in die Hände von Bernhard Vogel. Der KAS ist er bis heute als Mitglied des Vorstands verbunden. Dass der Inhaber eines Amtes dieses an einen Nachfolger weitergibt, der bereits sein Vorgänger gewesen war, ist sicher kein alltäglicher Vorgang. Günter Rinsche vollzog diesen Schritt indes bereits zum zweiten Mal: Auch sein Nachfolger im Amt des Hammer Oberbürgermeisters, der Sozialdemokrat Werner Figgen, war schon sein Vorgänger gewesen.

Günter Rinsche, der als seine Hauptcharakterzüge „Neugier und Mangel an Geduld“ nennt, ist seit 1990 Ehrenbürger der Stadt Hamm, Träger zahlreicher nationaler und internationaler Auszeichnungen und nach wie vor ein gefragter Redner im In- und Ausland. Am 13. Juli vollendet er sein 80. Lebensjahr.

Christopher Beckmann

Nachlass:

Der schriftliche Nachlass von Günter Rinsche liegt im Archiv für Christlich-Demokratische Politik (Signatur 01-332).

Literatur:

  • Günter Beaugrand: Die Konrad-Adenauer-Stiftung. Eine Chronik in Berichten und Interviews mit Zeitzeugen. Sankt Augustin 2003.
  • Wilhelm Ribhegge/Eva-Maria Schönbach/Manfred Witt: Geschichte der Stadt und Region Hamm im 19. und 20. Jahrhundert. Düsseldorf 1991.
  • Günter Rinsche/Ingo Friedrich (Hg.): Weichenstellung für das 20. Jahrhundert. Erfordernisse und Perspektiven der europäischen Integration. Köln/Weimar/Wien 1998.
  • Günter Rinsche: Die Bedeutung christlicher Demokraten für die Entwicklung Europas. In: Wolfram Hilz u.a. (Hg.): Auf dem Weg zu mehr Demokratie und Bürgernähe. Europas Zukunft nach dem Lissabonner Vertrag. Sankt August/Berlin 2009, S. 129–142.

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