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Rechtsstaatliche und –politische Entwicklungen in Bulgarien

з Thorsten Geißler, Evelyn Klöss, Borislaw Wankow
Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus wurde 1991 in Bulgarien eine demokratische Verfassung beschlossen, seitdem befasst sich das Land auch mit der Reform seiner Justiz. Insbesondere unter den sozialistischen Regierungen hemmten mangelnder politischer Wille und eine unzureichende Zusammenarbeit der Institutionen und ihrer Führungspersönlichkeiten jedoch die Beseitigung rechtsstaatlicher Defizite. Nun hat die EU-Kommission Bulgarien bescheinigt, 2015 wichtige Schritte unternommen zu haben, um die Reform der Justiz und die Bekämpfung der Korruption wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

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Aktueller Stand der Justizreform

Die im Januar 2015 von der bulgarischen Nationalversammlung angenommene Strategie für die Reform der Justiz stellt ein umfassendes und detailliertes Konzept für die kommenden Jahre dar. Auch nach Auffassung der EU-Kommission ist dabei eine Reform des Selbstverwaltungsorgans der bulgarischen Justiz, des Obersten Justizrats von besonderer Bedeutung. Er ist zuständig für die Ernennung, Versetzung und Amtsenthebung von Richtern, Staatanwälten und „Justizermittlern“, für die Verhängung von Disziplinarmaßnamen, für Aus- und Weiterbildung und die Annahme des vom Parlament erstellten Entwurfs für den Justizhaushalt. Die Sitzungen des Obersten Justizrates werden vom Justizminister geleitet, dieser ist jedoch kein Mitglied des Gremiums und hat somit kein Stimmrecht. Der Oberste Justizrat besteht aus 25 Mitgliedern, drei davon kraft Amtes: Die Präsidenten des Obersten Kassationsgerichtshofes bzw. des Obersten Verwaltungsgerichtes und der Generalstaatsanwalt. Elf Mitglieder werden von der Nationalversammlung mit einfacher Mehrheit, weitere elf von „Justizautoritäten“ gewählt. Gewählt werden können „Juristen mit hohen fachlichen und moralischen Qualitäten“, die ihren Beruf seit mindestens 15 Jahren ausüben, sie dürfen jedoch weder Abgeordneter, Bürgermeister, Gemeinderat oder staatlich bzw. kommunal Bediensteter sein. Die 11 von den „Justizautoritäten“ gewählten Mitglieder werden auf getrennten Delegiertenversammlungen der Richter, Staatsanwälte und Justizermittler gewählt, dabei repräsentiert ein Delegierter fünf Angehörige seines Berufsstandes. Die Delegiertenversammlung der Richter wählt 6 Mitglieder des Obersten Justizrates, die der Staatsanwälte vier und die der Justizermittler ein Mitglied.

Diese Struktur wurde von der Richterschaft stark kritisiert, weil Staatsanwälte damit Einfluss auf Personalentscheidungen nehmen können. Hierin wurde eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit gesehen. Auf Initiative des damaligen Justizministers Hristo Ivanov änderte die Nationalversammlung daher im Dezember 2015 die Verfassung, allerdings modifizierte sie teilweise den vom Minister vorgelegten Entwurf.

Der Oberste Justizrat trifft danach seine Entscheidungen weiterhin als einheitliches Organ bei der Annahme des Haushaltsentwurfs für die Justiz, bei der Feststellung der Beendigung der Amtszeit eines seiner Mitglieder und bei für die Justiz insgesamt betreffenden organisatorischen Fragen. Ansonsten tritt er in zwei getrennten Kammern zusammen, eine für die Richter und eine für die Staatsanwälte und Justizermittler, die nur für die Angehörigen des jeweiligen Berufsstandes zuständig sind. Darüber hinaus wurde in der Verfassung festgeschrieben, dass das Parlament die Mitglieder des Obersten Justizrates mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit wählt.

Der Kammer der Richter gehören neben den Präsidenten des Obersten Kassationsgerichts und des Obersten Verwaltungsgerichtes sechs Mitglieder an, die von der Nationalversammlung gewählt werden, weitere sechs Mitglieder werden von der Richtern in offener Abstimmung direkt gewählt.

Die Kammer für Staatsanwälte und Justizermittler besteht aus dem Generalstaatsanwalt, fünf Mitglieder werden von der Nationalversammlung gewählt, vier von den Staatsanwälten und eines von den Justizermittlern.

Damit folgte die Nationalversammlung nicht dem Vorschlag des Justizministers. Nach dessen Vorschlag hätte die Richterkammer aus den beiden Gerichtspräsidenten sowie sechs von der Nationalversammlung und sechs von der Richterschaft gewählten Mitgliedern bestanden. Das Übergewicht der Vertreter der Justiz in der Kammer sollte die Unabhängigkeit der Richterschaft stärken.

Die Staatsanwältekammer hätte neben dem Generalstaatsanwalt sechs vom Parlament, vier von den Staatsanwälten und eines von den Justizermittlern gewählte Mitglieder umfasst. Hiermit sollten der Einfluss des Parlaments auf die Zusammensetzung des Gremiums gestärkt und der Einfluss des Generalstaatsanwalts innerhalb des Gremiums vermindert werden.

Ivanov erklärte im Anschluss an die Abstimmung seinen Rücktritt mit der Begründung, mit der vom Parlament beschlossenen Zusammensetzung der Staatsanwältekammer behalte der Generalstaatsanwalt eine zu starke Stellung.

Die bulgarischen Sozialisten stimmten gegen die Reform des Obersten Justizrates, weil, so ihr damaliger Vorsitzender Mihail Mikov, es unzulässig sei „dass die berufliche Biographie zum Kriterium für die Aufteilung“ des Gremiums werde. Die Reform werde auch zu weniger Transparenz führen.

Derzeit werden im Parlament Novellen zum Gesetz über die Justiz beraten, um den Verfassungsänderungen Rechnung zu tragen. Die Änderungen sehen unter anderem vor, dass bestimmte Beschlüsse, z.B. wichtige Personalentscheidungen, Beförderungen von Richtern und Staatsanwälten, disziplinarische Maßnahmen, im gemeinsamen Plenum des Obersten Justizrates sowie in seinen beiden Kammern mit qualifizierter Mehrheit und in offener Abstimmung getroffen werden. Dadurch können weder die vom Parlament noch die von der Justiz gewählten Mitglieder überstimmt werden, wenn sie jeweils geschlossen abstimmen. Die Offenheit der Abstimmungen soll die Arbeit der Gremien transparenter machen.

Kritik an den Novellen kommt vor allem von der oppositionellen Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP), die die Justizreform insgesamt ablehnt, und teilweise auch von der Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), die aber die Änderungen prinzipiell unterstützt. Stein des Anstoßes sind u.a. die Direktwahl der Mitglieder des Obersten Justizrates durch die Vertreter der Justiz, erweiterte Vollmachten für das Inspektorat beim Obersten Justizrat und der Abstimmungsmodus insbesondere bei Personalentscheidungen im Obersten Justizrat.

Durch eine Änderung der einschlägigen Bestimmungen der Verfassung wurden auch die Kompetenzen der Justizinspektion erweitert. Diese 2007 geschaffene Einrichtung soll die Tätigkeit der Justizorgane überprüfen, ohne die Unabhängigkeit von Richtern, Schöffen, Staatsanwälten und Untersuchungsmagistraten zu beinträchtigen. Sie besteht aus dem Generalinspekteur und 10 Inspektoren, die vom Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Wahlzeit von 5 Jahren gewählt werden. Sie soll anderen staatlichen Organen Vorschläge, Berichte und Warnungen entgegenbringen. Nun wurde der Inspektion auch die Befugnis übertagen, die Vermögenserklärungen der Richter und Staatsanwälte zu überprüfen und Hinweisen auf Interessenskonflikte bei beiden Berufsgruppen nachzugehen. Ein Fortschritt war bei der Wahl des neuen Chefinspekteurs im Frühjahr 2015 und der Wahl des Inspekteurskollegiums zu verzeichnen, das Verfahren war erheblich transparenter als bei früheren Wahlen.

Die Strategie zur Reform der Justiz sieht darüber hinaus in zahlreichen Bereichen Änderungen vor, die die Justizverwaltung verbessern sollen. So sollen Transparenz und die Unabhängigkeit von Richtern in nicht leitender Position gestärkt werden, ebenfalls sollen Regelungen für die beruflichen Laufbahnen sowie die berufliche Aus- und Fortbildung von Richtern verbessert werden. Auch sind Änderungen durch die Einführung neuer Technologien zur Verbesserung der Transparenz, Qualität und Effizienz (E-Justiz) vorgesehen.

Bisher ungelöst ist das Problem der ungleichen Arbeitsbelastung der Gerichte. Ein Unterausschuss des Obersten Justizrates hat hierzu eine Analyse erstellt, derzeit werden Vorschläge für eine Änderung der Struktur der Kreis- und Bezirksgerichte erarbeitet.

Fortschritte hat es hingegen bereits bei der Anwendung der Verfahrenszuweisung nach dem Zufallsprinzip durch ein zentrales IT-System für die gesamte Justiz gegeben.

Bulgarien ist es bisher nicht gelungen, wichtige Gesetzeswerke zu novellieren, das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung stammen noch aus der sozialistischen Zeit, eine Reihe von Straftatbeständen aber auch die Strafrahmen sind mit europäischen Standards nicht vereinbar. 2009 wurde mit der Erarbeitung eines neuen Strafgesetzbuches begonnen, 2013 leitete die Regierung den Entwurf völlig überraschend dem Parlament zu, obwohl dieser weder interministeriell noch mit der Zivilgesellschaft abgestimmt war. Der Entwurf sah u.a. eine bedenkliche Ausweitung der Strafbarkeit bei Staatsschutzdelikten vor und stieß in der Öffentlichkeit auf scharfe Kritik, deshalb wurde er letztlich zurückgezogen. Gegenwärtig werden Änderungen des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung vorbereitet.

Reformbedarf gibt es auch bei der Staatsanwaltschaft, das haben die politisch Verantwortlichen auch erkannt. Die Arbeit dieser Behörde kann weder vom Parlament noch vom Justizminister kontrolliert werden. Zudem wurden bei der Verfolgung von Fällen von Korruption und organisierter Kriminalität auf hoher Ebene immer noch keine soliden Erfolge erzielt. Nun sollen Berater aus Deutschland, England, Spanien und den Niederlanden Organisation und Arbeitsweise dieser Behörde analysieren und Reformvorschläge ausarbeiten.

Korruptionsbekämpfung stockt

Die aktuelle Antikorruptionsstrategie des Landes wurde im April 2015 verabschiedet, für eine Bilanz ihrer Ergebnisse ist es daher zu früh. Verurteilungen hochrangiger Persönlichkeiten wegen Korruptionsdelikten hat es allerdings in Bulgarien, anders als im Nachbarland Rumänien, bisher nicht gegeben.

Im jüngsten Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International belegt Bulgarien den 69. Rang und erzielt 41 von 100 möglichen Punkten (Rumänien: Rang 58, 46 Punkte). Im aktuellen Global Competitiveness Report des World Economic Forum belegt es Rang 54, beim Themenkomplex „Unabhängigkeit der Justiz, Vertrauen in Politiker, Korruption“ jedoch nur Rang 94. Der Rule of Law Index des World Justice Projects gibt Bulgarien folgende Bewertungen: Keine Korruption in der Exekutive: 0.37 (Bestnote 1.0), keine Korruption in der Justiz 0.47, keine Korruption in Polizei/Militär 0.54, keine Korruption im Parlament 0.17.

Im vergangenen Jahr scheiterte Vizeministerpräsidentin Meglena Kuneva (Reformblock) im Parlament mit einem Versuch, ein neues Antikorruptionsgesetz verabschieden zu lassen, welches u.a. die Bildung einer Antikorruptionsstaatsanwaltschaft nach rumänischem Vorbild vorsah. Zwischenzeitlich hat die EU Druck auf die bulgarische Regierung ausgeübt. Nun gibt es erneut eine Gesetzesinitiative, die im Justizausschuss eine Mehrheit fand, nicht jedoch im Ausschuss zur Bekämpfung der Korruption. Es ist zu hoffen, dass das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die rechtlichen Instrumente bereitstellt, die für eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung Bedingung sind, und dass eine spezialisierte Antikorruptionsstaatsanwaltschaft eingerichtet wird.

Erste Erfolge im Kampf gegen die organisierte Kriminalität

Bulgarien und Rumänien unterliegen seit ihrem EU-Beitritt im Jahre 2007 einem Monitoring durch die EU-Kommission, dem Kooperations- und Verifikationsverfahren, mit dem Fortschritte bei der Reform des Justiz und der Bekämpfung der Korruption gemessen werden sollen, im Falle Bulgariens auch der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. 2012 richtete Bulgarien ein Sondergericht und eine Staatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität ein. Diese Maßnahme zeigt nun erste Ergebnisse, es wurden Gerichtsverfahren eingeleitet und es erfolgten Verurteilungen. Allerdings wird die Verfolgung von Fällen schwerer organisierter Kriminalität weiterhin durch komplexe Vorschriften und formalistische Strafverfahren behindert. Der jetzigen Regierung und Parlamentsmehrheit ist es zu verdanken, dass der mit der organisierten Kriminalität befasste Sonderermittlungsdienst wieder dem Innenministerium unterstellt wurde. Die sozialistische Vorgängerregierung hatte diesen 2013 dem Nachrichtendienst, der Staatsagentur für nationale Sicherheit (SANS) unterstellt.

Umstrittene Wahlrechtsreform

Nach heftigen Debatten hat das Parlament eine Änderung des Wahlgesetzes beschlossen. Eine der wichtigen Neuerungen ist die Einführung einer Wahlpflicht. Bürger, die zwei aufeinander folgenden Wahlen für das gleiche Verfassungsorgan fernbleiben, werden in den Wählerverzeichnissen gestrichen und müssen sich gegebenenfalls um eine Neueintragung bemühen.

Zum anderen werden die Wahllokale insbesondere in Ländern außerhalb der EU reduziert. Von dieser Änderung sind vor allem die zahlreichen in der Türkei lebenden bulgarischen Türken betroffen.

Das vom Präsidenten gegen dieses Gesetz eingelegte Veto hat das Parlament zurückgewiesen, so dass das Gesetz nun verkündet wird. Das Parlament hat jedoch angekündigt, sich erneut mit dem Wahlgesetz zu befassen.

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