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„Attraktive Dörfer entstehen da, wo Menschen mit Herz motiviert sind“

3. Transformationskonferenz 2016 zur Zukunft des Dorfes

Vor hunderten Jahren war das Dorf nur eine Zweckgemeinschaft. Heute stehen die gewachsenen Gemeinschaften vor großen Herausforderungen: Das Dorf steckt im Wandel. Welche Hürden zu überwinden sind und welche Chancen die Zukunft bietet, diskutierten Visionäre, Macher und Politiker auf dem Gutshof Rethmar in Sehnde.

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In den 1950er Jahren beherrschten die Dorfstraße noch Tier und Mensch – jedes Dorf hatte seinen eigenen architektonischen Charakter. Doch mit der Individualität des Dorfes war es spätestens in den 1970ern vorbei. In den Dörfern zog die moderne Architektur ein. Exzessiv wurden so viele städtebauliche Modelle vielen Dörfern von der Verwaltung aufgezwungen wie nur möglich. „Dabei wurde keine Rücksicht auf historische Bauten genommen“, erläuterte Humangeograph Prof. Gerhard Henkel. Fachwerkhäuser wichen zu Gunsten von Terrassenbauten aus Beton, Bauernhäuser wurden durch Atriumhäuser und Ringbebauung ersetzt. „Die Baukultur auf dem Lande wurde damals von der Wissenschaft und Politik als wertlos erklärt“, sagte Henkel. Fremdbestimmt erlag so manch ein Dorf seinem Schicksal. Mittlerweile prägt ein hoher Lehrstand, fehlende Infrastruktur und der demografische Wandel das Antlitz der Dörfer.

 

Sich gegen Fremdbestimmung und Bürokratie sowie gegen die negativen Entwicklungen auf dem Land zu wehren, sei nicht leicht. „Das geht nur, wenn jeder einzelne in seinem Herzen berührt wird und er wieder zudem zurückkehrt, was ihm im Leben wichtig ist“, sagte Neurobiologe Prof. Gerald Hüther. Will heißen: Wenn sich die verschiedenen talentierten Menschen zusammentun und ihre Erfahrungen teilen, kann etwas Großes daraus entstehen. Der Neurobiologe versucht Erkenntnisse aus der modernen Hirnforschung für den Alltag nutzbar zu machen. Damit diese „kommunale Intelligenz“ eine „breakthrough innovation“ aber entwickeln kann, müssten gewisse kognitive Grundvoraussetzungen gegeben sein. „Talente kommen nur zutage, wenn der einzelne im Zustand der inneren Erfüllung ist und keine Angst hat“, erläuterte Hüther. Druck sei der Feind jeder kreativen Leistung. Zudem müsse ein Gefühl der Verbundenheit und der autonomen Freiheit unter den Dorfbewohnern entstehen. „Es muss ein wertschätzender, behutsamer Umgang gepflegt werden“, forderte Hüther. So könne sich eine neue Form des Zusammenlebens etablieren. „Schaffen sie eine Kultur der Begegnung in ihren Dörfern“, appellierte der Neurobiologe.

 

Anhand von vielen verschiedenen Best-practice-Beispielen wurde deutlich, dass dieses Konzept der „kommunalen Intelligenz“ mit Motivation und Herzblut in einigen Dörfern in Deutschland bereits funktioniert. In Jühnde haben bereits 140 Häuser ihre Heizung abgeschaltet, weil sie die Wärme ihres eigenen Biokraftwerkes nutzen. Das erfolgreiche Projekt habe den Zusammenhalt des Dorfes gestärkt, berichtete einer der Mitbegründer, Gerd Paffenholz. Ob Seniorenbus, Leerstandsmanagement, Elektromobilität oder Initiativen zur Nachbarschaftshilfe – es schweißt das Dorf zusammen.

Doch all dies geht nicht ohne ehrenamtliches Engagement. Hans-Gert Pöttering, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments, betonte, wie wichtig Ehrenamt und das Mitgestalten sei. „Entwicklung und Identität des ländlichen Raumes sind die Basis für alles andere“, sagte Pöttering. Denn Heimat, Vaterland und Europa seien verschiedene Identitäten, die zusammen gehörten. „Wer nur auf seine Heimat schaut, kann seine Heimat nicht schützen.“

 

Zum Erhalt des heimatlichen Dorfes brauche es aber auch Rahmenbedingungen, die die Politik schafft. „Dörfer sind unsere Zukunft und ein attraktives Leben und Arbeiten auf dem Land ist ein gemeinsames Ziel von Bund, Ländern und Kommunen“, sagte Dr. Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Im ländlichen Raum würden starke wirtschaftliche Strukturen gebraucht, damit die Menschen dort leben und arbeiten können, betonte Flachsbarth. „Die pflanzliche und tierische Produktion werden auch in Zukunft unseren Dörfern wirtschaftliches Potential geben und sind eng mit der umgebenen Kulturlandschaft verbunden.“ Um die Lebensqualität und Wirtschaftlichkeit auf dem Land zu verbessern, werde unter anderem der Netzausbau, eine bessere medizinische Versorgung und der Ausbau der Infrastruktur vorangetrieben. „Ich sehe mehr Chancen als Herausforderungen‘“, sagte Flachsbarth und blickte positiv in die Zukkunft. „Attraktive Dörfer entstehen da, wo Menschen mit Herz motiviert sind und sich einsetzen.“

 

Die Veranstaltung "Die Zukunft des Dorfes - Visionäre, ihre Ideen und Erfolgsgeschichten" war Teil der drei Transformationskonferenzen zu den Themenschwerpunkten "Nachhaltigkeitswende" und "Digitale Revolution".

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