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„Wenn heute in China ein Sack Reis umfällt, kümmert uns das: Denn er fällt uns auf die Füße.“

von Caroline Lasserre

Chancen und Risiken des chinesischen Aufstiegs im 21. Jahrhundert

Prof. Dr. Eberhard Sandschneider, Otto Wolff-Direktor des Forschungsinstitut der DGAP (Deutsche Gesellschaftfür Auswärtige Politik), referierte beim Mittagsgespräch in Bückeburg vor 200 Zuschauern über die veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft sowie die Möglichkeiten und Herausforderungen, die durch diese Entwicklung erwachsen.

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„Ich werde Ihnen die Vorweihnachtszeit verderben.“ Mit diesen Worten begann Prof. Sandschneider seinen Vortrag über den beeindruckenden Aufstieg der Volksrepublik China. Jedoch sei Angst immer ein schlechter Ratgeber, beschwichtigte er sogleich– Angela Merkel zitierend. Und weiter: „Jede Zahl die wir mit 1,3 Mrd. multiplizieren wirkt gewaltig und das ist das Wirtschaftswachstum Chinas auch. Aber gleichzeitig ist jede Zahl die wir durch 1,3 Mrd. dividieren so gering, dass wir darüber hinwegsehen können.“

Der Aufstieg Chinas habe erst 1978 durch die langsame Öffnung des Landes nach 600-jähriger Abschottung begonnen, die durch den Bau der Chinesische Mauer versinnbildlicht werde. Der eigentliche wirtschaftliche Aufschwung erfolgte jedoch erst ab 1992 durch die Einführung marktwirtschaftlicher Elemente. Diese seien „Schritt-für-Schritt“ eingeführt worden, ein Entwicklungsprinzip, das zum eigentlichen Motor des chinesischen Erfolgs wurde.

„Aber China ist alles andere als stabil.“, fügte der Professor für Internationale Beziehungen hinzu. „Das BIP verbessert sich vielleicht, aber lassen Sie sich vom Glanz nicht blenden. Sowohl das Wachstum als auch die Probleme des Landes sind mehr als beeindruckend.“ Chinas Erfolge entwickelten sich wie im Zeitraffer, aber auch die Zerstörung der Umwelt gehe mit großen Schritten voran. „China saugt Ressourcen auf wie ein Staubsauger.“ Zwar verfüge das riesige Land über 7% der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit, müsse aber gleichzeitig 20% der Weltbevölkerung ernähren. Auch sei die Wirtschaft von der unbehinderten Zufuhr von Rohstoffen abhängig. Besonders prekär sei die Wasserversorgung der Bevölkerung in den großen Städten Südchinas wie Shanghai.

Zudem gehe die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Land und Stadt immer weiter auseinander, Gründe genug für die rund 180.000 sozialen Unruhen pro Jahr. „Niemand weiß, wie lange das noch gut geht.“ Auch in China würden die Bäume nicht in den Himmel wachsen, denn die Größe des Reichs der Mitte berge sowohl Vor- als auch Nachteile. Man müsse immer beide Seiten der Medaille betrachten.

Vor diesem Hintergrund stünde die politische und gesellschaftliche Stabilisierung auf Platz Eins der Agenda der Kommunistischen Partei Chinas. Dabei wisse sich die Partei einig mit wichtigen Teilen der Bevölkerung, z.B. die 80 Mio. Parteimitglieder, die 2,5 Mio. aktiven Soldaten der Volksbefreiungsarmee sowie die 300 bis 450 Mio. Angehörigen des neuen chinesischen Mittelstands. Vor allem letztere hätte ein hohes Interesse daran, den erarbeiteten Wohlstand zu sichern.

Ein weiterer problematischer Aspekt sei die militärische Aufrüstung Chinas vor dem Hintergrund des zunehmenden Nationalismus. „Nichts wächst in China schneller als das Nationalbewusstsein.“, warnte der Chinaexperte, was sich unter anderem im aktuellen Streit mit Japan um die Senkaku-Inseln zeige.

„Für uns sind das nur ein paar unbewohnte Felsbrocken. Aber für China und Japan stehen sie für Prestige und handfeste Wirtschaftsinteressen, da dort wertvolle Bodenschätzen vermutet werden, ganz abgesehen von den dortigen Fischbeständen. Die Aggressivität beider Seiten könnten wir nur nachvollziehen, wenn man die Geschichte beider Völker und deren „unaufgearbeitete Kapitel“ im Verhältnis zueinander berücksichtige.

Ob und wieweit der rasante Aufstieg des Landes auch zu einer sicherheitspolitische Herausforderung werden kann, fasste Prof. Sandschneider in einer - rhetorisch gemeinten - Frage an das Publikum zusammen: „Fühlen Sie sich von China militärisch bedroht?“ Seine Antwortete: „Nicht wirklich oder? Sollten Sie auch nicht. Denn wenn wir China als Bedrohung sehen wird es auch zu einer.“ Diese Situation könne sich aber schlagartig und unvorhersehbar ändern. In diesem Zusammenhang verwies er auf das gerade erschienen Buch „ Die Schlafwandler“ des Historikers Christopher Clark über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs hin. Darin werde deutlich, welche verheerenden Wirkungen einzelne zufällige, so kaum beabsichtigte und vorhersehbare Handlungen entfalten könnten.

Zusammenfassend verglich Prof. Sandschneider den Aufstieg Chinas mit den Antriebskräften Deutschlands in 1950er Jahren. Jedoch seien viele Chinesen des Mittelstandes bereits saturiert. Gerade dieser Schicht genüge der erreichte materielle Wohlstand nicht mehr. Sie konzentriere sich zunehmend auf andere Werte, z.B. auf die Forderung, die Einkindpolitik aufzuweichen

In der nachfolgenden, sehr ausführlichen Diskussion sprach der Direktor des DGAP unter anderem über die zu erwartenden dramatischen Folgen des demografischen Wandel in China. Durch die Einkindpolitik sei die Überalterung der Gesellschaft vorprogrammiert. „China wird alt bevor es reich wird.“, fasste Prof. Sandschneider das gravierende Problem zusammen, denn wie diese angesichts eines fehlenden Rentensystems gemeistert werden könnte, sei völlig unklar. Diese Herausforderung würde noch verschärft durch das Phänomen der „Testosteronisierung der Gesellschaft“. Die meisten Eltern wünschten sich vor allem männlichen Nachwuchs, was zu gezielten massenweise Abtreibung weiblicher Föten führe.

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