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"Zum Tanzen braucht man immer zwei!"

F.A.Z.-KAS-Debatte zu Russland und Ukraine in Stuttgart

Über 60 Prozent der fast 400 Gäste erwarteten laut TED-Umfrage, dass mit weiteren Ausdehnungsversuchen Russlands gerechnet werden muss. Die F.A.Z.-KAS-Debatte, die am Donnerstag im Stuttgarter Hospitalhof stattfand, entwickelte sich zu einen spannenden und zugleich nachdenklichen Diskussion über den Umgang mit einem Konflikt, der – so die Sorge – der Beginn eines neuen Kalten Krieges sein könnte.

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Auf dem Podium waren Claudia Crawford, Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Russland; Konrad Schuller, Osteuropa-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Dienstsitz in Warschau sowie Prof. Dr. Rainer Lindner, Geschäftsführer Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Charmant moderierte den Abend die JONA-Altstipendiatin und freie Journalistin Julia Hahn. Am Vorabend hatte die F.A.Z.-KAS-Debatte in Mainz ebenfalls zum Thema Russland und Ukraine „getagt“.

In seiner Einführung gestand der stellvertretende Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Gerhard Wahlers, seine Erschütterung über die aktuellen Ereignisse in Russland und der Ukraine. „Vor einem Jahr hätten wir noch nicht diesen Titel gewählt!“, sagte Wahlers in Anspielung an die Einladungsüberschrift „Der Bär ist los!“. Von den Prinzipien der Schlussakte von Helsinki, die vor 40 Jahren mitten im Kalten Krieg mit den Prinzipien des Gewaltverzichts und der Unverletzlichkeit von Grenzen verabschiedet worden sei, befinde man sic heute weit entfernt. „Wir müssen Russland davon überzeugen, dass die Konfrontation mit dem Westen keine Vorteile bringt“.

Falsche Appeasement-Politik?

Die TED-Umfragen wiesen dem Einstieg in die Podiumsdiskussion den Weg. Vor allem die Sorge, Russland wolle seine Sphäre weiter ausbreiten, kam deutlich zum Ausdruck. Prof. Lindner, der später auf die massiven ökonomischen Folgen auch für Deutschland durch das Embargo gegen Russland hinwies, schilderte daraufhin die unterschiedlichen Signale in der Ukraine-Politik. Während die USA das Land schon lange als „Puffer“ betrachteten, habe die EU einen deutlichen Schwerpunkt auf die europäische Nachbarschaft gelegt – „vielleicht nicht gleich als Mitglied in der EU aber doch als Handelsraum.“ Russland hingegen wollte die Ukraine in der Eurasischen Zollunion sehen. Konrad Schuller wies zurück, die EU trage „Schuld“ an Russlands Annexion der Krim. Auch auf die zukünftige Nutzung des Hafens Sewastopol habe Russland freiwillig verzichtet. Wenn man von Schuld sprechen könne, so Schuller, dann betreffe das die europäische Appeasement-Politik beim Konflikt Russland-Georgien. „Das war à la 30-er Jahre!“

Auch die Frage, wer denn welcher Propaganda erliege, bewegte die Gemüter der Gäste. Auf entsprechende Anspielungen einzelner Gäste im Publikum antwortete Schuller spürbar berührt: „Wir glauben wirklich, was wir schreiben!“ Angebote der CIA, wie in einem Publikumsstatement insinuiert, habe er nie erhalten.

Ernüchterung auf der Krim eine Frage der Zeit

Nachdem Rainer Lindner auch die Kosten des Embargos für Europa und insbesondere Deutschland betont hatte, forderte er, die Krise solle in trilateralen Verhandlungen und durch eine aktivere Begegnungsdiplomatie zwischen Russland, Ukraine und EU gelöst werden. Russland stehe kurz vor einer Rezession, die Ukraine sei praktisch insolvent. Die Begeisterung in der Krim werde aufgrund der schlechten Wirtschaftsrealität bald verfliegen.

Der Vorstellung, am Verhandlungstisch seien derzeit verlässliche Ergebnisse zu erzielen, begegnete Claudia Crawford jedoch mit Skepsis. „Begegnungen gibt es“, so die frühere Bundeministerin damals: Claudia Nolte. „Aber es wird nicht getan, was verabredet wurde“, berichtete sie aus ihrer Arbeit für die KAS in Moskau. Sanktionen seien Mittel der Diplomatie, auch wenn sie nicht sofort die gewünschten Effekte erziele. Für Russland werde es aufgrund seiner Wirtschaftslage zunehmend schwierig, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen.

Dem Einwand Lindners, mit den Sanktionen eine externe Rechtfertigung für das ökonomische versagen seiner Regierung zu geben, widersprach anschließend Konrad Schuller. „Braucht Putin Vorwände?“, fragte Schuller skeptisch. Nicht ohne Grund beherrsche er gezielt die Medienwelt und falls er Vorwände in Form des Aufmarschs von „Faschisten“ und „Antisemiten“ benötige, organisiere er diese selbst.

Sicherheitspolitik interessiert Bürger zunehmend

Die Wirkung oder Nicht-Wirkung von Sanktionen bestimmte darauf die Debatte, bis die Sprache auf potenzielle Expansionswünsche Russlands ins Baltikum kam. Schuller kritisierte den mitunter herabwürdigenden Umgang mit Russischstämmigen in den baltischen Republiken, die rund ein Drittel der Bevölkerung stellten. Der Blick Russlands ins Baltikum sei mit dem hacker-Angriff 2007 auf Estland deutlich geworden. Damit sich die Krim und das Donbas nicht wiederholten, müsse der Westen nun eindeutige und glaubhafte Signale auch mit Blick auf den Art. 5 der NATO geben.

Der für Außenpolitik verantwortliche F.A.Z.-Redakteur Klaus-Dieter Frankenberger zog im Anschluss an die Diskussion ein erstes Fazit der um Russland und die Ukraine kreisenden F.A.Z.-KAS-Debatten. „Seit 2013 rücken Außen- und Sicherheitspolitik zunehmend ins öffentliche Interesse“, konstatierte Frankenberger. Die Haltung der Bundesbürger sei durch zwei gegenläufige Tendenzen auf einmal geprägt: Verständnis und Vertrauenseinbruch. Eine konkrete Lösung für den aktuellen Konflikt könne auch er nicht sehen. Vielleicht entstehe nur ein weiterer „eingefrorener“ Konflikt. Und vielleicht müsse man die Hoffnungen für eine konstruktive Lösung auf die Zeit nach Putin verlegen: „Zum Tanzen braucht man immer zwei!“

Text: Dr. Stefan Hofmann

Fotos: Björn Stoltenfeldt

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B70-131114-1 FAZ1 KAS/Stoltenfeldt

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