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Veranstaltungsberichte

Bildungspolitik in Nordkorea und in den neuen Bundesländern

Entwicklungen des Bildungssystems sowie der Vergleich nach der deutschen Wiedervereinigung

Im Rahmen einer Kooperation mit dem Institute for Unification Education des Wiedervereinigungsministeriums der Republik Korea fand am Abend des 20. Oktobers eine Expertenrunde mit Frau Prof. Dr. Nikolai von der Humboldt Universität zu Berlin statt. Diese Veranstaltung widmete sich dem Thema „Bildungspolitik in Nordkorea und in den neuen Bundesländern – Entwicklungen des Bildungssystems sowie der Vergleich nach der deutschen Wiedervereinigung“.

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Neben Frau Prof. Dr. Nikolai, die zum Thema der Schulpolitik nach der deutschen Wiedervereinigung referierte, gab es noch zwei weitere Vorträge: die erste Präsentation hielt Frau Prof. Lee, Mi-Kyung vom Institute for Unification Education zum Thema „Schulpolitik nach der Wiedervereinigung und Veränderungen der Schulstruktur“, während die andere Präsentation von Frau Dr. Kim zum Thema „Schulsystem in Nordkorea sowie der Suche nach einer gemeinsamen Schulstruktur“ vorgetragen wurde.

Strukturelle Systemfragen und Anpassungsmodelle prägten die Vorträge, doch in der anschließenden Diskussion lag der Fokus eher auf praktischen Fragen und Handlungsansätzen. Das Interesse an der deutschen Erfahrung ist in Korea allgemein sehr groß, doch an diesem Abend hatten die koreanischen Expertinnen und Experten in Frau Prof. Dr. Nikolai eine Ansprechpartnerin, die sowohl aus theoretischer Perspektive wie auch aus eigener Erfahrung Frage und Antwort stehen konnte. Frau Prof. Dr. Nikolai hat enge persönliche Verbindungen sowohl nach Ost- wie nach Westdeutschland und ist selbst zu Zeiten des bildungssystemischen Umbruchs zur Schule gegangen.

Durch die Vorträge und besonders im folgenden Austausch wurden Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und Korea sichtbar, beispielsweise die mangelnde Forschung am nordkoreanischen Bildungssystem, die vergleichbar ist mit der wenigen Forschung zum Bildungssystem der ehemaligen DDR. Hier hätte in der Übergangsphase in Deutschland ein Blick auf beide Systeme mitsamt Stärken und Schwächen wahrscheinlich einiges leichter gemacht. Die verschiedenen Anpassungsmodelle in den neuen Bundesländern, in denen sich längst nicht alle dem Anpassungsdruck des Westens beugten, brachten daher spannende Einblicke und unterschiedliche Herangehensweisen an den Systemwandel für die koreanischen Kollegen. Denn in den neuen Bundesländern wurde sich teilweise stark gegen eine „Überstülpung“ des westdeutschen Systems gewehrt – ein Erfolg in Thüringen, dessen zweigliedriges Modell heute, 27 Jahre nach der Wiedervereinigung, immer mehr Anerkennung und Nachahmung in allen Bundesländern erfährt. Gleichzeitig deutet der damalige Umgang mit der Lehrerschaft in den fünf neuen Bundesländern eines der größten Probleme an, die eine Vereinigung der Schulsysteme mit sich bringen kann. Denn die Lehrerschaft, als einer der entscheidenden Faktoren, sollte stark in den Prozess der Anpassung miteinbezogen werden und würdige Anerkennung erhalten, damit die Schulen weiterhin unterhalten werden können. Das Leitmotiv „Gemeinsam“ scheint in diesem Zusammenhang eine der wichtigsten Lehren zu sein, die Prof. Dr. Nikolai aus der Vereinigung des Bildungssystems in Deutschland zieht. Nicht nur die Systeme müssen angepasst und optimiert werden, sondern alle Beteiligten – Lehrer, Eltern, Regierung – müssen gemeinsam einen Konsens finden und miteinander auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Dies ist nicht überall gelungen und auch heute noch kämpft das deutsche Bildungssystem mit dem stellenweise holprigen Übergang und an Fehlern, die gemacht wurden. Das Stichwort „Prozess“ ist hier für das, was in der Zukunft auf ein wiedervereinigtes Korea wartet, entscheidend.

Auch in Korea macht man sich Gedanken um Systemfragen, hat Ideen und sogar Pläne sowie Szenarien zur Vereinigung des Schulsystems ausgearbeitet. Man beschäftigt sich in der Forschung mit den Fragen danach, welche Merkmale des süd- bzw. nordkoreanischen Systems übernommen, optimiert oder abgeschafft werden sollten; inwiefern man mit dem nordkoreanischen Curriculum umgehen und das südkoreanische anpassen muss; und welche Probleme auf die Koreaner zukommen werden. Hier zieht man Lehren aus den Erfahrungen mit nordkoreanischen Flüchtlingen, denn mit ihnen wird in Südkorea bereits viel zusammengearbeitet. Die dürftige Informationslage zur Situation und zum Bildungssystem in Nordkorea wird vor allem von den Flüchtlingen aufgebessert, die in Südkorea Fuß gefasst haben. Diese Erfahrungen und Berichte können schon heute einige Antworten zu den Fragen liefern, die im Zuge einer Wiedervereinigung aufkommen werden. Denn die Logistik oder viel mehr die Voraussetzungen, die zum Beispiel die ostdeutschen Schulgebäude mitbrachten, waren Faktoren, die nicht in jedem Bundesland beachtet wurden. Sonach wurde ein geordneter Transformationsprozess erheblich erschwert, da es den Schulen an geeigneten Räumlichkeiten für ein dreigliedriges System fehlte. Ähnliche Probleme kann es auch in Nordkorea geben, da die Schulgebäude dort - von der mangelnden allgemeinen Ausstattung abgesehen - anders konzipiert sind als im Süden. Solche praktischen Faktoren müssen ebenfalls bei der Vorbereitung auf ein Schulsystem nach der Wiedervereinigung beachtet werden. Das zeigt die deutsche Erfahrung deutlich. Ein weiterer entscheidender Punkt an dieser Stelle sind Fragen bezüglich des Curriculums, bei denen auch die politische Ebene bedeutend ins Bildungssystem hineinspielt. In diesem Zusammenhang muss der politische Hintergrund der Lehrkräfte miteinbezogen werden. Auch hier gibt es kein einheitliches Konzept oder eine „Lösung“ – in Korea, noch mehr als in Deutschland, wird hier eine Übergangsphase stattfinden müssen, um eine Annäherung und erneute Verbrüderung zu ermöglichen.

Beinahe jedes der in der Diskussion aufgeworfenen Thema bietet Stoff für eine weitere Konferenz. Deutlich wird das große Bemühen der Koreaner auf eine Wiedervereinigung hinzuarbeiten und auch in die Zukunft zu denken. Bildung wird hier eine sehr wichtige Rolle spielen, daher ist an dieser Stelle die Forschung von großer Bedeutung.

Berichtet von Frau Lena Rottmann, derzeit Forschungsassistentin des Auslandsbüros Korea der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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