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Bundestagspräsident eröffnet die Konferenz „Europa im Wandel” in Lemberg

von Moritz Junginger, Andre Kagelmann
Der Präsident des Deutschen Bundestages Prof. Norbert Lammert eröffnete am 6. Juni 2017 die internationale Konferenz „Europa im Wandel – Literatur, Werte und Europäische Identität“, die vor 15 Jahren begründet wurde und alle zwei Jahre in Metropolen Ost- und Ostmitteleuropas stattfindet. Prof. Lammert skizzierte in seiner Festrede die aktuellen Entwicklungen des europäischen Integrationsprozesses, den er sowohl als historisch beispiellos als auch politisch beispielhaft charakterisierte.

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Die internationale Konferenz „Europa im Wandel – Literatur, Werte und Europäische Identität“ findet dieses Jahr zum ersten Mal in der Ukraine statt. In der ukrainischen Literatur- und Kulturhochburg Lemberg (Lwiw) kommen vom 6. bis 9. Juni Schriftsteller, Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und Studenten aus ganz Europa zusammen, um über Identität, Werteorientierung, Kulturerbe und Politik zwischen Ost und West sowie die grenzübergreifende Rolle der Literatur und Sprache in Europa zu diskutieren.

Die Eröffnung der Konferenz fand am Abend des 6. Juni in der Lwiwer Oper statt, wo die Konferenzteilnehmer vom Gouverneur der Region Lwiw Oleh Synyutka, dem Vorsitzenden des Regionalparlaments Olexandr Hanuschtschyn und dem Bürgermeister Andrij Sadowyj begrüßt wurden. Die Leiterin des KAS-Auslandsbüros Ukraine Gabriele Baumann eröffnete die Tagung und führte die Gäste durch den Abend, der vom Orchester des Lwiwer Opernhauses musikalisch begleitet wurde.

Der Kulturminister der Ukraine Jewhen Nyschtschuk kam in seiner Ansprache auf die Revolution der Würde auf dem Maidan im Winter 2013/2014 zu sprechen, auf dem er damals noch als Theaterschauspieler den Demonstranten seine Stimme gab. Er führte den Konferenzteilnehmern vor Augen, dass auf dem Maidan in Kiew mehrere Generationen für eine neue und europäische Ukraine einstanden. Unter den mehr als 100 Menschen, die auf dem Maidan ums Leben kamen, waren Ukrainer im Alter von 17 bis 74 Jahren. So bezahlte ein 17-jähriger Ukrainer, der noch nie im Ausland war und europäische Werte nur über Literatur und Gespräche kennengelernt hatte, für seinen Mut, für diese Werte einzustehen, mit dem Leben. Etwas mehr als drei Jahre nach der Revolution der Würde, der darauffolgenden völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und inmitten eines bis heute andauernden Konflikts mit mittlerweile mehr als 10.000 Todesopfern, erinnert der Maidan daran, worum es im europäischen Projekt eigentlich geht: das existentielle Bestreben um Frieden und Freiheit.

In seiner Festrede skizzierte der Präsident des Deutschen Bundestages und stv. Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung Prof. Norbert Lammert die aktuellen Entwicklungen des Prozesses der europäischen Integration, den er sowohl als historisch beispiellos als auch politisch beispielhaft charakterisierte.

Dabei legte er besonderes Augenmerk auf drei Asymmetrien in der Geschichte der Europäischen Union. Die erste Asymmetrie ist die zwischen Ökonomie und Politik, namentlich die geglückte Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Dieser Vorrang der ökonomischen vor der politischen Integration ist durch die Einführung der gemeinsamen Währung noch verstärkt worden. Dadurch entstand eine strukturelle Anomalie, die nur durch eine Angleichung beider Bereiche aufgehoben werden kann. Zweitens beleuchtete Prof. Lammert das aus der Asymmetrie zwischen Exekutive und Legislative entstandene Demokratiedefizit der EU. Durch den „Parlaments“-Vertrag von Lissabon konnte dieses aber mittlerweile beseitigt werden. Als dritte Asymmetrie des europäischen Integrationsprozesses machte er den Widerspruch zwischen Erweiterung und Vertiefung aus. Zuletzt wurde die EU-Osterweiterung einer Vertiefung der Union vorgezogen, wobei gegenwärtig die Asymmetrie in Richtung Konsolidierung aufgelöst werde.

Die drei Asymmetrien in der Geschichte der Europäischen Union setzte der Bundestagspräsident in Kontext mit dem zunehmenden Souveränitätsverlust der Nationalstaaten im Zeitalter der Globalisierung. Die Globalisierung hat außerdem zu einer zunehmenden Komplexität beigetragen, der wiederum den Populismus auf den Plan rufe. Der Populismus nimmt die Menschen für sich ein – durch im Sinne von George Bernard Shaw einfache, aber falsche Antworten. Ein Musterbeispiel dafür sei, zum Schaden ganz Europas, der sogenannte Brexit. Deshalb sei es auch an der Zeit, für die europäische Idee und gegen ihre Widersacher aufzustehen und um mit den Worten Paul Celans die Zeit gehen zu lehren.

Die Konferenz wird über vier Tage an unterschiedlichen Orten in Lwiw stattfinden. Für die Konferenz reisen der Präsident des Europäischen Parlaments a.D. und Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, der Ministerpräsident a.D. und KAS-Ehrenvorsitzende Prof. Bernhard Vogel und Prof. Dr. Birgit Lermen, Professorin em. für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Köln, nach Lemberg. Die beiden Schriftstellerinnen Noémi Kiss und Marjana Gaponenko werden im Rahmen der Konferenz Lesung halten. Der ukrainische Schriftsteller und Dichter Juri Andruchowytsch, dem 2016 die Goethe-Medaille verliehen wurde, teil. Juri Andruchowytsch wird in einem Vortrag seine persönliche Sicht auf Mittelosteuropa vorstellen.

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