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Chilenisch-Deutsches Forum: Herausforderungen für die Demokratie

Demokratiekongress der politischen Stiftungen

Im Rahmen des Besuchs von Bundespräsident Joachim Gauck organisierte die chilenische Regierung in Zusammenarbeit mit den sechs deutschen politischen Stiftungen, die in der Region vertreten sind, sowie dem International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA) und FLASCO einen Demokratiekongress, der am 12. und 13. Juli 2016 stattfand.

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Der öffentliche Teil des chilenisch-deutschen Forums über die „Herausforderungen der Demokratie“ wurde von den Direktoren des IDEA und FLASCO, Daniel Zovatto und Ángel Flisfisch, sowie im Namen aller deutschen politischen Stiftungen von Ursula Männle, Präsidentin der Hanns-Seidel-Stiftung, eröffnet. In den einleitenden Grußworten wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine vitale Demokratie die Partizipation aller Generationen und gesellschaftlicher Schichten benötige, um ein Höchstmaß an politischem und wirtschaftlichem Fortschritt zu erreichen. Der Auftrag der politischen Stiftungen sei vor diesem Hintergrund vielfältig: Es gehe um die Befähigung mündiger Bürger sich in der Demokratie einzubringen und zivilgesellschaftliche Diskurse zu führen. Grundsätzlich seien Demokratien „nie fertig“, zudem könne man auch nicht von einer „automatischen Beständigkeit dieser Regierungsform“ ausgehen.

 

In vier Panels diskutierten Experten aus Deutschland und Chile während des zweitägigen Seminars über konstitutive Elemente des demokratischen Systems und politische Herausforderungen in einer sich wandelnden Gesellschaft und Welt. Während der ersten Diskussionsrunde ging es um das Thema „Geld und Politik: Die regulatorischen Aufgaben der Staates“. Die Titelwahl ist vor dem Hintergrund der aktuellen Korruptions- und Kartellskandale in Chile zu sehen. Ebenso ging es um die enge Verbindung von Politik und Wirtschaft in Chile und ein Vergleich mit Deutschland, die hohe Machtkonzentration einzelner Unternehmen (damit auch starker politischen Einfluss auf Regulierung und Medien), darüber hinaus um die Folgen hoher Ungleichheit von Einkommen und Vermögen für die politische Stabilität eines Landes.

 

Dr. Knut Bergmann vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln wies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von starken Institutionen hin. Bezogen auf das bedeutsame Thema Korruption innerhalb eines Landes, gelte es wirksame Kontrollsysteme und Mechanismen zu implementieren. Ein hohes Maß an Transparenz hinsichtlich der Finanzierung von Parteien, wie es in Deutschland bereits üblich sei, sollte nun auch in Chile durchgesetzt werden. Das inhärente Macht- und Spannungsverhältnis zwischen Geld und Politik fordere einen Ausgleich gesellschaftlicher Interessen, konstatierte Thomas Krüger, Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung.

 

Im zweiten Panel des Tages ging es um die Bedeutung von Parteien als Scharnier zwischen Gesellschaft und Politik. Politologen aus Chile und Deutschland debattierten hier über fluide Parteisysteme und das fehlende Vertrauen der Menschen in die Politik, die gleichzeitig hohe Anforderungen an „den Staat“ richteten. Professor Karl-Rudolf Korte unterstrich die Bedeutung von Parteien als „einzigartige Gebilde“ in einer Demokratie, weil sich keine andere gesellschaftliche Institution permanenter, gesellschaftlicher Kontrolle, öffentlicher Debatten und Wahlen stelle müsse. Gleichzeitig erlebe man in Deutschland wie Chile ein erhebliches Misstrauen in diese Willensbildungsorgane. Deutschland erlebe vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise derzeit eine erhebliche Polarisierung der politischen Debatte.

 

Kommunikationsmedien und ihre verschiedenen Kanäle innerhalb einer Demokratie standen am zweiten Tag des Seminars im Fokus. Chilenische und deutsche Journalisten und Publizisten erörterten die derzeitigen Herausforderungen, auch im Hinblick auf die Digitalisierung. Chile stehe vor dem Problem der starken Zentralisierung der verfügbaren Print- und TV-Medien. Ein stabiler, regulatorischer Rahmen fehle, hieß es. In Deutschland ist dieser zwar gegeben, es mangle jedoch mehr und mehr am Vertrauen in den Journalismus und die allgemeine Glaubwürdigkeit der Presse, konstatierte Dr. Ursula Weidenfeld. Demokratie und Medien stehen in Wechselwirkung: Erst ein verlässlicher Rechtsrahmen und Pluralität ermöglichten eine objektive Berichterstattung, welche das Fundament der Entscheidungsfindung in der Demokratie bilde. Demokratien basierten insofern nicht ausschließlich auf Wahlen, sondern auch auf den journalistisch organisierten Prozess des Diskurses.

 

Im letzten Panel wurde über verfassungsrechtliche Fragen und den „optimalen Rechtsrahmen“ einer Demokratie gesprochen. Eine Verfassung biete eben jenen Rahmen an Normen ohne detaillierte Vorgaben für eine Gesellschaft zu machen. Derzeit bemüht sich Chiles Präsidentin eine veraltete Verfassung, die noch aus der Zeit der Diktatur stamme, mit Beteiligung der Bevölkerung zu erneuern. Die Experten der Diskussion befürworteten den angestoßenen Partizipationsprozess in Chile und stellten wesentliche Elemente der deutschen Verfassung und deren Besonderheiten dar. Am Ende müsse das Ziel sein, dass eine Verfassung auf Langfristigkeit angelegt ist. Prof. Dr. Detlef Nolte, Leiter des Deutschen Institutes für Globale und Area Studien (GIGA), verglich die lateinamerikanischen Verfassungen miteinander, die besonders nach autoritären Perioden der einzelnen Länder, oft nachjustiert wurden.

 

Demokratie ist ein fortwährender Prozess, Chile und Deutschland stehen vor verschiedenen Herausforderungen, haben jedoch eines gemeinsam: Chiles Position in Lateinamerika ähnelt der Deutschlands in Europa. Beide sind in ihren Regionen politische, soziale und wirtschaftliche Stabilitätsanker. Allein aus dieser Situation ergebe sich auch eine regionalpolitische Verantwortung, hieß es. Am Ende des Seminars wurde die Hoffnung geäußert, dass dieses politische Format zukünftig fortgesetzt werde und wechselweise in Deutschland und Chile stattfindet. Die engen bilateralen Beziehungen beider Länder würden so weiter vertieft, hieß es abschließend.

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14. Juli 2016
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